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den drei Rechtstagen, welche in Zwischenräumen von je 14 Nächten dem abwesenden Verbrecher bei vernachteter Klage wegen Ungerichts gesetzt werden mussten, bevor er in die Acht (Verfestung) gebracht werden konnte« 1).

Immer dieselbe Erscheinung! Der veraltete Rechtssatz lebt noch durch Jahrhunderte in einer veränderten Welt fort, und man sucht sich des durch tausendjährigen Bestand heilig Gewordenen, das man nicht aufzuheben wagt, durch Vorkehrungen zu erwehren, die nach Möglichkeit den der Rechtspflege entstehenden Schaden mindern 2).

Auch die alten Inder scheinen Asyle gekannt zu haben 3). Und lassen sich noch heutzutage bei den Kathiawar (Provinz Bombay) derartige Rechtszustände nachweisen).

Nicht auffallen kann es, dass das alte Arabien, gewissermassen ein Stammsitz der Blutrache, auch den Schutz vor dem Bluträcher, die Asyle, hatte. Als solche galten dort nicht nur wie anderwärts die Tempel, also die Moscheeen, sondern auch die Begräbnisorte 5). Bei den Arabern des Sinai flüchtet sich der Totschläger unter den Schutz eines geachteten Mannes und ist dort 30 Tage vor der Verfolgung sicher, während welcher Zeit er sich bemühen kann, eine Versöhnung zu Stande zu bringen ").

1) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 77.

2) Aus GRIMM's Weistümern, vergl. über die Asyle noch z. B. Bd. 1, S. 335, 500, Bd. 3, S. 437; für Schöffenhäuser ebenda, Bd. 2, S. 127. Asyl des Verbrechers in seinem eigenen Hause ebenda, Bd. 3, S. 686 (wen nain nachgebawr den andern erslüg, der hat freiung in seinem haws); über das Asylrecht in der Schweiz OSENBRÜGGEN, Studien, S. 13.

3) ZIMMER, altindisches Leben, S. 181.

4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 10, S. 174.

5) E. QUATREMÈRE, Mélanges d'histoire et de philologie orientale, S. 192 ff.

6) BURCKHARDT, S. 259. Wegen des Schützlingsverhältnisses der Anaya bei den Kabylen, durch welche sich ein Schutzflehender, Verbrecher

Von der Sitte, Grabmäler als Asyle zu verwenden, wird auch aus Marokko berichtet 1). Bei den afrikanischen Negervölkern sind es die Fetischhütten als ihre Heiligtümer und ebenso das Haus des Oberpriesters2). Bei den ostafrikanischen Bantustämmen wie bei den Kaffern ist es aber, gerade wie der Königspalast der Angelsachsen, auch das Haus des Häuptlings 3).

Auch bei den Papuas auf Neu-Guinea ist ein Mann, der in den Tempel (Dubu) flüchtet, dort vollständig sicher. Denn der Glaube ist: >>Wer einen andern im Dubu töten würde, dem würden Arme und Beine einschrumpfen, dass er sich den Tod wünschen möchte <4).

Dieses nämliche Asyl finden wir in Hawaii3). Auf den Marschall-Inseln ist es wiederum das Haus des Häuptlings, dem dann aber das Land des Flüchtlings, der also als sein Schutzknecht gilt, anheimfällt 6).

oder Fremdling, einem Mächtigen, insbesondere einem Priester unterstellt, HELLWIG, das Asylrecht der Naturvölker, S. 71 ff.

1) FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 122, Anm. 10. Auch dies ist eine Rechtssitte von weiter Verbreitung und hängt mit dem Ahnenkult zusammen. So z. B. auf den Sandwich- (HELLWIG a. a. O., S. 11), Tonga- (ebenda, S. 16), Marschall-Inseln (ebenda, S. 23).

2) POST, Afrikanische Jurisprudenz, Bd. 2, S. 38. Wegen Usambara, wo die Behausungen der Zauberer des Reichs Asyl gewähren, HELLWIG a. a. O., S. 33 und auch im christlichen Abyssenien besteht ein ausgedehntes kirchliches Asylrecht (HELLWIG, S. 51 ff.). Die eigentümlichen Verhältnisse an der Goldküste sind dort S. 85 ff. eingehend behandelt.

3) MERKER in Zeitschrift, Bd. 15, S. 55, REHME ebenda, Bd. 10, S. 50. 4) CHALMERS und WYATT GILL, Neu-Guinea, Autorisierte deutsche Ausgabe 1886, S. 156. Über die Dubus vergl. SCHURTZ, Altersklassen und Männerbünde, S. 225 ff.

5) KOHLER

in GRÜNHUT's Zeitschrift für Privat- und öffentliches

Recht, Bd. 19, S. 598.

6) Zeitschrift, Bd. 14, S. 447.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

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Und so in aller Welt. Auch bei den nordamerikanischen Indianern gilt dasselbe. Bei einem Nutkastamm auf der Insel Vancouver ist die Wohnung des Häuptlings sogar dem Feinde, der sich hinein gerettet hat, ein sicherer Zufluchtsort1). Und das Asyl des Heiligtums (Tempels) war bei den Indianern allgemein bekannt3).

So suchte man der Blutrache zu wehren, indem man dem Täter eine Freistätte gab, in der er verweilen konnte, bis der erste Zorn, den die Bluttat bewirkt hatte, geschwunden war. Wenn er sich nun aber trotzig der Sippe des Getöteten stellte und der Fehdegang von Sippe zu Sippe notwendig ward? konnte es der gesamten Familie des Täters immer zugemutet werden, für einen gewalttätigen Frevler, gewissermassen ein mauvais sujet der ihrigen, unter allen Umständen einzutreten, bloss weil er von dem gemeinschaftlichen Ältervater abstammte? Hier hat die Rechtsbildung schon früh eingesetzt und der Sippe des Täters eine Möglichkeit gegeben, sich dieser Unzuträglichkeit durch Abtrennung des ungeratenen Sohns, »Friedloserklärung< des Täters zu entledigen. Wie sehr diese Massregel in alter Zeit unbotmässigen und frevelhaften Sippengenossen, notorischen Friedebrechern gegenüber nötig war, beweist uns das verbreitete Vorkommen dieser Rechtseinrichtung in der alten wie in der neuen Welt3).

1) WAITZ, Anthropologie, Bd. 3, S. 333; vergl. auch HELLWIG a. a. O., S. 107 ff.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 408.

3) H. BRUNNER, Sippe und Wergeld nach niederdeutschem Rechte, in Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte germ. Abteilung, Bd. 3, (1882), S, 42, 43. WESNITSCH in Zeitschrift. Bd. 9, S. 61, KOHLER ebenda, Bd. 7, S. 384, Bd. 12, S. 411. Noch radikaler ist das Verfahren bei den Australiern. »Wenn sich bei ihnen ein Mitglied des Stamms durch Streitsucht und Brutalität zu lästig macht, tun sich schliesslich die Männer zusammen und schlagen ihn bei passender Gelegenheit tot« (SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 510).

Wer auf diese Weise aus der Sippe ausgestossen, entsippt wurde, dem blieb nichts übrig, als die Heimstätten seiner bisherigen Genossen zu verlassen und in Wald und Einöde zu fliehen. Darum nannte man diesen flüchtigen Totschläger im germanischen Altertum Waldgänger oder auch Wolf, »weil der Verbannte gleich dem Raubtier ein Bewohner des Waldes ist und gleich dem Wolf ungestraft erlegt werden darf1).<< Sein Los war in jenen alten Zeiten, als der einzelne sich noch nicht als Individuum von der Gesamtheit losgerissen und nur im Kreise seiner Genossen Berechtigung hatte, dermassen traurig, wie wir modernen Menschen dies uns gar nicht mehr vorzustellen vermögen. Es war Tod bei lebendigem Leibe und, man wäre versucht zu sagen, noch etwas Schlimmeres. Ohne Heim, ohne Weib und Kind, ohne Genossen, vogelfrei so verlor er die >> Mannheiligkeit« d. h. den Anspruch auf persönlichen Rechtsschutz2) und mochte so weiterleben, wenn er es konnte 3).

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Gegen den friedlosen Entsippten war »jedermanns Hand«<, wie wider Ismael, Hagars Sohn1); und jeder, der entsippt war, wurde tatsächlich, wie er, aus der Gesellschaft der Menschen in eine Wüste hinausgestossen. Nachklänge finden sich in dem Kastenrecht der Inder. Hier ist noch heute das letzte und

1) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 733. So heisst es im Fluch der Sigrun im zweiten Liede von Helgi bei GRIMM, Lieder der alten Edda, S. 109:

»Da wäre an dir gerächt Helgi's Tod

Wenn du wärst ein Wolf im Walde draussen,

Gutes entwöhnt und aller Freude,

Habest keine Speise, wo nicht um Leichen du sprängst!«

2) SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 74.

3) GIERKE, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 31; WILDA, Strafrecht der Germanen, S. 281 ff.; LÖFFLER, Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1, S. 36. So sagt JHERING (Geist des römischen Rechts, Bd. 1, S. 226) mit Recht: >> Gentilität und volle Rechtsfähigkeit, Nicht-Gentilität und volle Rechtlosigkeit ist ursprünglich gleichbedeutend. «

4) 1. MOSE 16, 12.

furchtbarste Drohmittel die Ausstossung des Missetäters aus der Kaste1).

Ganz das Nämliche wie von unsern Altvordern, wird uns von den nordamerikanischen Rothäuten berichtet. Es ist als ob wir in den isländischen Volksrechten lesen, wenn es von diesen Völkern, die doch unsere Antipoden am entgegengesetzten Teil der Erdoberfläche sind, heisst): »Aus der Blutrache entsteht Friedlosigkeit (outlawry); denn, wenn ein Stamm findet, dass eins seiner Mitglieder in seinem Gehaben so gewalttätig wird, dass die anderen nicht länger für ihn verantwortlich sein wollen, so fasst der Stamm den förmlichen Beschluss, dass der Schuldige nicht länger zu seiner Gemeinschaft gehört. Er wird dann aus dem Stamm vertrieben und wird ein friedloser Mann, und jeder darf ihn töten.<< So kehrt Ismael, der friedlos Ausgestossene, in allen Teilen der Erde wieder.

Die Blutrache versagt also, wenn der Täter aus der Sippe hinausgetrieben, entsippt wird. Dies ist für das ganze Institut sehr bezeichnend; denn, wie schon oft betont, die Blutrache ist die Form, in welcher zu der Zeit der alten Hausgenossenschaften die Menschheit den Zwecken der Strafverfolgung genügte. Es war am Anfang der Dinge undenkbar, dass diese Verfolgung sich gegen den Einzelnen richtete, weil der Einzelmensch als solcher überhaupt noch nicht entdeckt war: der aus der Hausgenossenschaft Ausgestossene zählte nicht mehr als Mensch, er war wie ein Tier des Waldes. So wurzelt alles in der grossen Fülle aller Kulturerscheinungen, und keine Erscheinung, die nicht zugleich Wirkung und Ursache vieler Dinge

Und so sehen wir überall, wo die alten Hausgenossen

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 8, S. 107, Bd. 9, S. 356, Bd. 10,

S. 176 ff. PERRIN, Reise durch Hindostan, Bd. 1, S. 174.

2) DORSEY im Third annual Report of the Bureau of Ethnology, Washington 1884, S. XLIX, LVIII.

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