2. EIN ALTBABYLONISCHES FRAGMENT DES EPOS In der Zeit um 2000 v. Chr. ist nachstehendes Fragment verfaßt, das besonders durch seine epikuräische Lebensauffassung Beachtung verdient. Wir treffen den Helden auf der Suche nach dem ewigen Leben zunächst im Gespräche mit dem Sonnengott Schamasch. 5 10 Schamasch ward betrübt..... Er sagt zu Gilgamesch: ,,Gilgamesch, wohin eilst du? findest du doch nicht!" Gilgamesch sagt zu ihm, zum Helden Schamasch: ,,Seit ich auf dem Felde wie ein Elender einherwandere, Haben sich da die Sterne auf der Erde vermindert? Ich habe alle Jahre hindurch wie im Schlafe gelegen: Mögen meine Augen nun die Sonne sehen, möge ich mich an Helligkeit sättigen! Verborgen ist die Finsternis, wenn reichlich ist Helligkeit. 15 Wann mag wohl der Tote schauen den Glanz der Sonne?" Nach einer größeren Lücke finden wir Gilgamesch bei der göttlichen Schenkin Siduri. Er spricht: (60),,Mein Freund, den ich gewaltig liebe, Der mit mir durchwanderte alle Fährnisse, Der mit mir durchwanderte alle Fährnisse, Ist dahingegangen zum Schicksal der Menschheit! (65) Tag und Nacht habe ich über ihn geweint, Ich ließ ihn nicht begraben. Wird sich etwa mein Freund erheben auf mein Weh Sieben Tage und sieben Nächte Fiel er auf sein Antlitz wie ein Wurm. geschrei? (70) Seit er dahin ist, finde ich das Leben nicht, Jetzt, Schenkin, schaue ich dein Antlitz: Den Tod, den ich fürchte, möchte ich nicht schauen!" Die Schenkin sagt zu ihm, zu Gilgamesch: (75),,Gilgamesch, wohin eilst du? Das Leben, das du suchst, findest du doch nicht! Setzten sie den Tod ein für die Menschheit, Das Leben aber behielten sie in ihrer Hand. (80) Du, Gilgamesch, fülle deinen Leib, Tag und Nacht sei vergnügt, Täglich mache ein Freudenfest! Tag und Nacht tanz' und vergnüge dich, Rein seien deine Kleider, (85) Dein Haupt sei gewaschen, in Wasser sei gebadet! Schau' froh das Kind an, das deine Hand erfaßt, Das Weib freue sich in deinen Armen!“ Nach einer abermaligen Lücke wird die Begegnung mit Ur-Schanabi, hier Sur-Sunabu genannt, erzählt: (130) Jene1 zerbrach er in seinem Zorn. Sur-Sunabu sagt zu ihm, zu Gilgamesch: Welches ist dein Name, sage mir an! (135) Ich bin Sur-Sunabu, der Mann des fernen Ut-napischti.“ Gilgamesch sagt zu ihm, zu Sur-Sunabu: Der ich gekommen bin von weit her, . . . (140) Einen fernen Weg von Sonnenaufgang. Jetzt, Sur-Sunabu, schaue ich dein Antlitz: Laß mich sehen Ut-napischti, den fernen!" Über die weiteren Abenteuer des Helden erfahren wir hier nichts mehr. 1 Die Steinkisten; vgl. oben zehnte Tafel, Z. 79, 139, 140, 166. 3. EINE ALTSUMERISCHE SINTFLUTERZÄHLUNG Der vielleicht noch aus dem 3. Jahrtausend stammende Text ist leider sehr fragmentarisch. Nachdem im Anfang die Erschaffung der Menschen und Tiere durch die Götter Anu, Enlil, Enki (= Ea) und die Muttergöttin Ninhursag, sowie die Gründung heiliger Städte kurz berührt worden ist, führt uns der Text nach einer Lücke in die Ereignisse vor der großen Flut. Ut-napischti hat hier den sumerischen Namen Ziusuddu. 100 Da schrie Nintu1 wie eine Gebärende2, 105 110 115 Die hehre Innanna1 erhob Wehgeschrei um ihr Volk! Die Götter von Himmel und Erde klagten zu Anu und Damals war Ziusuddu König und Oberpriester der Götter : An heiliger Götterstätte war eine Mauer gebaut; O mein Frommer, dein Ohr öffne! Von unserer Hand wird ein Zyklon über das Land Ver= nichtung bringen; Den Samen der Menschheit zu vernichten, zu zerstören die Erde Ist Entschluß und Entscheidung der Götterversammlung..“ 2 1 Bezeichnung der Muttergöttin Ninhursag. Vgl. Gilg. Ep. XI, 117. Hier kann es sich aber nur um Klagen vor der Flut handeln: Nintu und Enki hatten wohl im Götterrat vergeblich gegen die Flut gestimmt. Vgl. Gilg. Ep. XI, 19 ff. 3 150 155 160 190 Die gewaltigen Sturmwinde allesamt kamen, Als sieben Tage und sieben Nächte Und die gewaltige Arche auf dem großen Wasser vor dem Sturme geschwankt hatte, Kam Schamasch1 hervor, Himmel und Erde erleuchtend. Ziusuddu öffnete eine Luke der gewaltigen Arche, Das Licht des Helden Schamasch Ziusuddu, der König, Warf sich nieder vor Schamasch; ließ er in die gewaltige Arche hineingelangen. Der König schlachtete ein Rind, opferte reichlich Schafe.... Ziusuddu, der König, * Warf sich nieder vor Anu und Enlil: Unsterblichkeit gleich einem Gotte gaben sie ihm, 4. EINE WEITERE REZENSION DER SINTFLUTSAGE Der folgende Text, der das Gespräch zwischen dem Hochgescheiten (Ut-napischti) und dem Gotte Ea in andrer Form bringt als das große Zwölftafelgedicht, entstammt der Bibliothek König Assurbanipals. Ea spricht: (5),,Zu dem Zeitpunkt, den ich dir angeben werde, Geh hinein ins Schiff und verschließ des Schiffes Tür! werker; 1 Der Sonnengott. Vieh des Feldes, Getier des Feldes, soweit sie Grünes fressen, (10) Werde ich dir angeben, daß sie deine Tür hüten." Der Hochgescheite tat seinen Mund auf und spricht, ,,Noch nie habe ich ein Schiff gemacht.... Auf den Erdboden zeichne eine Zeichnung von ihm! (15) Die Zeichnung will ich mir ansehen und das Schiff da Der aus Assurbanipals Bibliothek stammende Text erzählt von Plagen, die augenscheinlich vor der Sintflut über die Menschheit kamen, aber mehrfach durch die Bitten des Atrachasis, des Hochgescheiten, (d. i. Ut-napischtis,) wieder abgewendet wurden. Der Anfang fehlt. I. Als das dritte Jahr herbeikam, Empörten sich die Menschen in ihren Städten. Als das vierte Jahr herbeikam, wurden ihre Vorräte knapp... (30) Niedergeschlagen gingen einher die Menschen auf der Straße. Als das fünfte Jahr herbeikam, schaut scheel die Tochter auf das Kommen der Mutter; Die Mutter öffnet der Tochter nicht ihre Tür. Die Wage der Mutter Die Wage der Tochter beobachtet die Tochter, beobachtet die Mutter. (35) Als das sechste Jahr herbeikam, bereitet man die Tochter Zur Nahrung bereitet man das Kind . . . . zum Mahle, |