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den Armen von je geführt worden ist und geführt werden wird, so lange nicht dieser Unterschied, der viel schlimmer ist, als der der Religion oder der Raffe, bis auf die leßte Spur getilgt ist.

Und warum es mich noch furchtbarer ergriffen hat, sagte Leo in dumpfem Ton, ist, daß ein langer Act des grausen Dramas hier in unserer Gegend, in unserer unmittelbarsten Nähe gespielt hat. Was gehen mich schließlich die Meder und die Perser, die Griechen und die Römer an! Sie sind so lange todt, und die Länder, in denen sie lebten, wird mein Fuß vielleicht nie betreten. In unseren Bauernkriegen aber ist Alles für mich von greifbarer Wirklichkeit. Dieser Himmel hier ist von dem Schein der brennenden Dörfer geröthet worden! das Echo dieser Berge hat das Wuthgeheul der Würger, den Angstschrei der Erwürgten wachgerufen: ja, wer weiß, ob diese Stätte, auf der wir jezt gehen, nicht der Schauplaß solcher Mordscenen gewesen ist?

Wer es weiß? rief Tusky; ich weiß es und kann es Dir sagen. Diese Stelle ist der Schauplaß einer Mordscene, einer der grausigsten Mordscenen des ganzen Krieges gewesen. Hier auf dieser wüsten Stelle haben einst zwei Dörfer gelegen, nicht eben blühende, reiche Dörfer, aber doch von Obstbäumen und Feldern umgebene Wohnungen armer bescheidener Menschen, die zufrieden gewesen waren und ihrem Herrn unterwürfig gefrohndet hatten jahrhundertelang. Aber als sie das neue Evangelium überall in dem Lande zu predigen begannen, da standen die armen braunen Menschen still vor ihrem Pflug, den sie mit den eigenen Schultern durch den mageren steinigen Boden zogen, und horchten hoch auf; und als hie und da in nächtlicher Weile die Flammen brennender Schlösser aus der Ebene heraufleuchteten, da glaubten fie, daß es Zeit sei, den kämpfenden Brüdern zu Hilfe zu ziehen, und sie ließen den Pflug auf dem Felde, ergriffen die alten Hellebarden, die von der Urväter Zeiten in dunklen Ecken der Hütten lehnten, nahmen Abschied von Weib und Kind und kämpften als die Wackersten der Wackeren mit bei

allen Gelegenheiten; wo es ernstlich galt, Leib und Leben daran zu sehen. Und als nach der Schlacht bei Mühlhausen die letzten Bande der Ordnung in dem Bauernheer sich vollends lösten und auf keine Hilfe und keine Rettung mehr zu hoffen war, thaten sich jene Wackeren, so viel ihrer sich noch fanden, zusammen und schlugen sich und stahlen sich durch tausend Gefahren bis in ihre Heimathberge, wo sie vor aller Verfolgung sicher zu sein hofften. Eines Abends, so ers zählt die Sage, die noch heute hier in den Bergen umgeht, eines Abends bei Sonnenuntergang gelangten sie in den Wald, den wir soeben durchschritten. Sie waren todmüde von dem ungeheuren Marsch; aber die Freude, der Gefahr nun doch entronnen zu sein, und die fröhliche Erwartung des Wiedersehens ihrer Lieben gab den ermatteten Gliedern frische Kraft und stärkte die wunden Füße. Wir wollen kommen wie Schnitter von der Ernte, rief ein junger Bursch, brach ein Eichenzweiglein ab und steckte es an den Hut; die Anderen folgten seinem Beispiel. So zogen sie ge= schmückt, fröhlichen Muthes, singend durch den Wald. Aber, so erzählt die Sage weiter, schon nach kurzer Zeit hörte Einer zu singen auf, und dann ein Zweiter und Dritter, und es dauerte nicht lange, so schwiegen sie Alle, und Allen wurde so feierlich zu Muthe, und Allen wurde das Herz so schwer, als ob ihnen ein Furchtbares bevorstände. Und die Ahnung hatte sie nicht betrogen. Das Verderben, das sie hinter sich gewähnt hatten, war vor ihnen hergeschritten und hatte bereits ihr Theuerstes getroffen. Die beiden Dörflein waren nur noch zwei rauchende Trümmerstätten, verglimmende Scheiterhaufen der mitleidslos hingeopferten Greise, Weiber und Kinder. Nicht Einer war übrig geblieben, zu sagen, was die Anderen gelitten, nicht Einer! -Was das Feuer verschont hatte, hatte das Schwert ges würgt! Da standen sie nun, die armen Dörfler. Das Glück hatte sie nie als Schoßkinder behandelt; sie hatten von Jugend auf der Noth und des Elends die Fülle gehabt, und gar die lezte Zeit hatte sie rauh genug gepackt;

aber jetzt war geschehen, was nicht mehr zu tragen war. Das fühlten Alle, das sagten Alle. Und weiter berichtet die Sage, daß die Schaar der Dörfler noch in derselben Nacht weiter in das Gebirge hinaufgezogen ist bis an eine Stelle, von der sie wußten, daß das Heer der Sachsen sie passiren würde. Dort haben sie sich in einem Hohlwege auf die Vorüberziehenden gestürzt, wie hungrige Wölfe in eine Heerde, und dort sind sie, nachdem sie ein furchtbares Blutbad angerichtet, in stundenlangem, entseßlichem Kampfe Mann für Mann erschlagen worden.

Tusky schwieg. Die Lerche hatte sich wieder auf die Erde gesenkt; kein Ton, als der des Windes, der über die steinige Dede strich; an dem westlichen Himmel erloschen allmälig die rosigen Gluthen; über den östlichen Rand des Plateaus dämmerte der Abend herauf.

Leo war in tiefster Seele bewegt. Die graufigen Bilder, die Tusky heraufbeschworen, standen noch vor seinem Auge; aber das Ende der unseligen tapferen Schaar erfüllte ihn mit neidvoller Bewunderung.

O! rief er plöglich aus, was macht ein solcher Heldens tod nicht Alles wieder gut! Wenn es doch auch mir vergönnt wäre, so für die heilige Sache der Freiheit zu sterben!

Wichtiger und ersprießlicher wäre, für die heilige Sache zu leben, sagte Tusky mit Bedeutung.

Wie können wir das, rief Leo; was vermögen wir in unserer Zeit? in dieser zahmen, jämmerlichen Zeit!

Sehr viel, erwiederte Tusky, wenn wir ernstlich wollen, und wenn wir das Stück Gefahr, das auf dem Wege liegt, nicht scheuen.

Tusky's trockene, harte Stimme nahm, wenn er sehr erregt war, einen eigenthümlich hellen, schwingenden Ton an. Leo kannte diesen Ton, und jezt, als dieser Ton sein Ohr berührte, horchte er hoch auf.

Was meinst Du? fragte er eifrig. Du hast Dich oft genug selbst über all' die tausend Mittel und Mittelchen beklagt, welche sich ein weiser Despotismus ausgeflügelt hat,

den Troß seiner Unterthanen gründlich zu brechen. Der Flurschüß, der am Tage durch die Felder, der Wächter, der am Abend durch das Dorf streift, der Schulmeister, der den Buben das A-B-C lehrt, der Pfaff, der sie einsegnet, und der Unterofficier, der sie drillt-wenn die Fünf zusammenhalten, hast Du gesagt, kann die Regierung ihre Bauern scheren, wie der Hirt seine Schafe.

Wenn sie nun aber nicht zusammenhalten, sagte Tusky; wenn nun ein Glied in dieser Kette bricht? Wenn sie gerade in der Mitte reißt, wie dann? Und wenn ich nun dieses Glied wäre? Oder glaubst Du etwa, daß ich hiehergekommen bin, um den Willen meiner gleißnerischen, scheinheiligen, tyrannischen Auftraggeber zu erfüllen? Glaubst Du, daß ich mich für die Schmach, die dreijährige Schmach der Sklaverei, die ich erduldet habe, nicht rächen will? Daß mich der Gehorsam, den ich dem Doctor Urban erweisen muß, nicht rasend macht? Ich will Rache haben; ich will die Schmach abwaschen, ich will, daß ein Tag kommt, wo ich diesen Gehorsam wie eine Narrenkappe von mir schleudern kann und Leo, so wahr die Sonne hinter uns versunken ist und vor uns die Nacht heraufzieht, der wieder ein Morgen folgt dieser Tag wird kommen. Nicht umsonst habe ich Dich zu dieser Stunde an diesen Ort geführt, nicht umsonst habe ich die Schatten heraufbeschworen, die der Sage nach in nächtlicher Weile zwischen diesen Steinen umgehen. Ich wollte, daß Du den Finger an die Freiheitsader legtest, die einst in dem sehnigen Arme unseres Volkes schlug, und dann wollte ich Dir sagen, daß diese Ader nicht vertrocknet ist, daß noch bis zu dieser Stunde, wenngleich in langsameren Intervallen, die Lebenswelle steigt und fällt. Wie das Gedächtniß des Volkes das Schicksal der beiden Unglücksdörfer und ihrer Bewohner bewahrt hat, so hat es auch nicht vergessen, daß es einst frei war und dann in Bande geschlagen wurde, und daß es einmal versucht hat, diese Bande zu sprengen. Und noch bis auf den heutigen Tag kennt man die alten Sprüche, die man sich damals in's

Ohr raunte, und mit denen man die Geister aus ihrem langen Schlummer rief; noch kennt man die heiligen Zeichen, welche die Fahne schmückten, um die fich das arme Volk schaarte zum Kampf auf Leben und Tod um das Leben, das ihm der Ritter und der Pfaff so sauer machten. Sieh' her!

Tusky zog ein dünnes Tuch von weißer Baumwolle aus der tiefen Seitentasche seines Rodes und breitete es aus.

Der Bundschuh! rief Leo, sobald er die wunderliche Figur, die mit rother und brauner Farbe sauber und zierlich auf das Tuch gemalt war, erblickte.

Der Bundschuh! wiederholte Tusky, indem er das Tuch wieder zusammenrollte. Das ist noch immer das Zeichen, das Blinde sehend, Lahme gehen und Taube hören macht. Und dies Zeichen ist wirklich noch gekannt?

Hie und da, erwiederte Tusky; es ist wie eine alte, halbverklungene Melodie, von der die zusammenhangslosen Töne den inneren Sinn beunruhigen. Man braucht nur ein paar Tacte kräftig anzuschlagen, da fällt der Träumer freudig ein und findet das Uebrige zu seiner eigenen Ueberraschung von selbst. Und wo die Erinnerung ganz gestorben ist, da ist dies Zeichen ein vortrefflicher Lebenswecker. Du siehst, dies ist ein Taschentuch mit einem etwas seltsamen Muster, nichts mehr und nichts weniger. In der Wirthsstube, wo ich meiner Sache sicher zu sein glaube, ziehe ich es heraus und breite es wie zufällig aus. Da sieht denn der Eine oder der Andere den Schuh und fragt, was denn das seltsame Ding bedeute? Ich sage, daß ich es von meiner Mutter habe, die es wieder von ihrer Mutter hat, die es von ihrer Urgroßmutter geerbt haben will. Und daß sich wunderliche Geschichten an dies Tuch knüpfen, Geschichten aus längst vergangener Zeit, als noch der Edelmann über Leib und Leben seiner Hintersassen gebot, und Schoß und Steuern schier nach Gutdünken auferlegte, und es so Lange und so weit trieb, bis der arme Konz überall, von den Alpen bis in unsere Berge, aufstand. Da giebt denn

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