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Ursprungs hinweist oder moralisch in der ganz eigentüm. lichen Gestaltung, dass der Gläubiger droht sich zu erhängen, wenn er nicht befriedigt wird1). Wunderbares Volk, dessen Sitten einen tiefen Zwiespalt des Charakters enthüllen! Dort tritt uns der glänzende Krieger der Heldenepen entgegen, hier der das Leben verachtende Grübler, dem wir in den indischen Dichtungen unter den Blütenbäumen der Büsserhaine begegnen. Seltsames Land der Helden und der Mönche, prunkvoller Ritterschaft und hoffnungsloser Knechtschaft! Ist das nicht das Abbild der Menschheit selbst, deren Innerstes wie das Meer sich ewig gleich und ewig ungleich ist?

Und ähnlich in Hinterindien, in welchem wir die Einwir kung indischer Kultur und Rechtssätze schon so oft festge. stellt haben. Auch hier in Birma treffen wir auf die Schuldknechtschaft gerade wie in Indien 2).

Während wir hier durchweg die Verknechtung des Schuldners als eine von sehr alter Zeit her bestehende Einrichtung finden, gibt es aber auch Völker, bei denen, so viel man weiss, dieses Institut niemals bestanden hat. Die Ägypter und ihr mutmasslicher, segensvoller Einfluss auf die Hellenen sind bereits erwähnt. Dasselbe gilt aber auch von den Chinesen 3). Diese Ausnahme ist für die Menschheit im Hinblick auf den gewaltigen Umfang des chinesischen Reichs nicht zu unterschätzen.

Dagegen sehen wir die Schuldknechtschaft bei den Kal mücken1), und ebenso ist sie den Malaien und besonders den Bugis auf dem grossen ostindischen Archipel bekannt). Diese

1) Zeitschrift, Bd. 8, S. 126. Vergl. über das auf ähnlichem Gedankengange beruhende Mansami der Inder (Drohung, dem eigenen Kinde den Kopf zu zerschmettern) oben S. 12, Anm. 1.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 200.

3) KOHLER ebenda, Bd. 6, S. 383.

4) KÖHNE ebenda, Bd. 9, S. 469.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 347; Derselbe in Zeitschrift für Handelsrecht. Bd. 32, S. 66.

Stämme haben die Schuldknechtschaft aber auch in der milderen Form, dass die Schuld abgearbeitet werden kann1).

In Afrika findet sich die Einrichtung weit verbreitet und namentlich bei den westafrikanischen Mandingovölkern ganz allgemein). Aber auch hier gibt es Ausnahmen, wie das grosse Negerreich von Bornu in Mittel-Sudan, wo der Schuldner, der nicht im Stande ist, zu bezahlen, und dies beweist, frei ausgeht. Der Richter sagt dann: >Gott möge euch die Mittel geben«. Trifft ihn jedoch der Gläubiger später mit zwei Toben oder einem roten Käppchen (also jedenfalls in einem nach Landesübung stattlichen Anzuge), so führt er ihn zum Kadi, wo ihm alle überflüssigen Kleidungsstücke ausgezogen und zur Bezahlung hingegeben werden3).

Die Schuldknechtschaft ist also die eine Konsequenz jener alten Anschauung, dass die Schuld dem Leibe des Schuldners anhafte; und sie ist uns geläufig aus dem, was wir aus Schule und Studium von der antiken Geschichte wissen. Viel fremdartiger erscheint uns eine andere Folgerung, die aus diesem alten Grundsatz floss, die Haftung der Leiche des Schuldners für die von dem Lebenden einst eingegangene Schuld. Kraft dieser Einrichtung hielt sich der Gläubiger an den Leib des Entseelten und liess ihn nicht bestatten*). Der stärkste Druck auf die Familie zur Bezahlung der Schuld, wenn man bedenkt, was für einen Wert gerade in ältester Zeit auf

1) WAITZ, Anthropologie, Bd. 5, S. 146.

2) POST, Ursprung des Rechts, S. 100; KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 445; wegen der Betschuanen Deutsch-Südwest-Afrikas Zeitschrift, Bd. 15, S. 330, 331; wegen Centralafrika MACDONALD, Africana, London 1882, Bd. 1, S. 166, wonach der Mann seine Weiber, Schwestern, Brüder und selbst Vater und Mutter zur Tilgung einer Schuld verknechten kann.

3) POST, Anfänge, S. 274. Eine auffällige Ausnahme bilden die Galla, die, obwohl sie Sklaven in ziemlicher Menge haben, doch die Schuldknechtschaft nicht kennen (SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 154).

4) KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 20.

die Bestattung gelegt wurde, und wie nach der herrschenden Vorstellung der nicht gehörig mit den vorgeschriebenen Totenopfern bestattete Verstorbene unrettbar dem Verderben im Jenseits verfallen war. Im Hinblick auf diesen Ahnenkultus primitiver Zeit und die Verzweiflung, in welche die Angehörigen durch die Unmöglichkeit der Bestattung versetzt werden mussten, ein geradezu teuflischer Druck auf die Leidtragenden! Und doch so hat die Menschheit gegen sich selbst gewütet ist dieses Hyänenrecht des Gläubigers weit verbreitet gewesen. Wir finden es bei den alten Ägyptern in der seltsamen Form, dass der Schuldner die Mumien seiner Eltern verpfänden konnte1) in der Tat eine ganz merkwürdige Auffassung, dass die toten Eltern als Bürgen dienen mussten und noch nach ihrem Tode mit dem längst entseelten Leibe hafteten. So konnte ein leichtsinniger Sohn nicht nur sich selbst, sondern auch Vater und Mutter, die sich beim Ableben dessen gar nicht versehen hatten, in die Ewigkeit hinein zu Grunde richten.

Dies geschah nun bei den Ägyptern, wenn der Sohn die Eltern versetzte; als Massnahme der Zwangsvollstreckung aber finden wir die Inanspruchnahme der Leiche des Schuldners im späteren römischen Recht. Hier artete es unter den byzantinischen Kaisern zu einem derartigen Missbrauch aus, dass die Kaiser Justin und Justinanus sich in besonderen Erlassen dagegen wenden mussten 2). Ebenso finden wir diese eigen

1) DIODOR, I, 92, 93.

2) C. 6, C. 9, 19; praefatio und C. 1, Nov. 60, C. 5, § 1, Nov. 115. Spuren aus früherer Zeit, welche sich dahin deuten lassen, in 1. 5 pr. D. 48, 6; 1. 1, § 6, D. 47, 10; 1. 8, D. 47, 12; vergl. hierüber ferner KOHLER, Shakespeare, S. 20; ESMEIN, Débiteurs privés de sépulture. Extrait des Mélanges d'Archéologie et d'Histoire publiés par l'Ecole française de Rome 1885; insbesondere die dort S. 231 ff., citierte und besprochene Stelle aus den Schriften des heiligen Ambrosius von Mailand, und die Klageformel aus DURANDS Speculum Juris, wo die Ausgrabung der ohne Berücksichtigung der Rechte eines Gläubigers begrabenen Leiche begehrt wird.

tümliche und grausame Sitte auch für Deutschland bezeugt. So hält noch die Burgsdorfer Handfeste von 13161) es für nötig, ausdrücklich zu bestimmen, dass der Gläubiger das Begräbnis eines Bürgers nicht hindern dürfe, sondern sich an dessen Erben halten müsse. Und hierbei handelt es sich anscheinend um eine Rechtsvorstellung, welche aus sehr alter Zeit der indogermanischen Völker überkommen ist; denn weitverbreitet bei ihnen ist das seltsame Märchen von dem Toten, der sich dem Mildtätigen für die Auslösung seines Leichnams dankbar erweist").

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Und noch heutigen Tags tritt uns diese Zwangsvollstreckung über den Tod hinaus in Afrika entgegen. Es wird uns von dort bestätigt, dass bei den Negern die Leiche des in der Schuldknechtschaft verstorbenen Schuldners nicht begraben, sondern den wilden Tieren zum Frass hingeworfen wird 3) wahrhaft eine unmenschliche Sitte; denn was für Qualen muss diese Vorstellung dem im Ahnenglauben seiner Vorfahren Sterbenden verursachen! Man kann wirklich sagen, es gibt keinen raffinierten Greuel, den nicht um Geld und Gut der Mensch dem Menschen zugefügt hat! Noch verlängert wird für die Hinterbliebenen die Folter in Westafrika, wo man den Leichnam des Schuldners unbestattet der Verwesung preisgibt und der Familie also ein langsames, fürchterliches Schauspiel bietet, um die letzten Mittel zur Auslösung des Leichnams herauszupressen 4). Bei den Betschuanen Deutsch - SüdwestAfrikas besteht dies nicht mehr; aber noch jetzt glaubt dort

1) § 80; GAUPP, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, II, S. 128: Nullus burgensem pro aliquo debito impediat sepeliri, et si ab eo petere quod voluerit, ab heredibus id petatur.

2) BENFEY in seiner Ausgabe des indischen Pantschatantra, Bd. 1, S. 52, 219 ff.; SIMROCK, Der gute Gerhard und die dankbaren Toten (1856), S. 46 ff.; KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 19. 3) WAITZ, Anthropologie, Bd. 2, S. 145.

4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 452, 453.

das Volk, dass der nicht zahlende Schuldner zum Satan gehe1).

Dies lässt sich von der Person des Schuldners an den

Anfängen des Obligationenrechts sagen. Aus der Zeit der genossenschaftlichen Verbände war die Hinneigung zur Haftung der ganzen Sippe für die Schuld des einzelnen Genossen zurückgeblieben und erhielt sich noch lange lebendig; und andererseits fasste man bei Beginn der individuellen Ausgestaltung der Obligation das Verhältnis ganz schroff und derbsinnlich dahin auf, dass die Schuld am Leibe des Einzelschuldners hing, so dass er verknechtet wurde und noch der entseelte Körper dem Gläubiger haften blieb. Und hier zeigt wie so oft in anderen Dingen gerade die Schroff heit der Auswüchse ihr hohes Alter an. War es nun so mit dem Schuldner, so hatte auch die Leistung ihre Besonderheiten. Wir werden später bei Betrachtung des altertümlichen Strafrechts sehen, dass dem naturwüchsigen Empfinden der ältesten Zeit die Kausalkette zwischen Willen und Tat, die wir heutzutage so fein und immer feiner spinnen, völlig fremd ist, dass es nur eine Tat und einen Täter, d. h. einen eingetretenen Erfolg und seinen Verursacher gibt. Dies werden wir später näher zu erörtern haben. Denselben Gedankengang finden wir aber auch im Vertragsrecht. Es ist uns aus alter Zeit wohlbezeugt, dass für die Unmöglichkeit stets der leistungspflichtige Schuldner einzustehen hatte, dass er also unbedingt die Gefahr trug, und Vorsatz, Versehen und Zufall damals noch nicht geschieden wurden 2). So ist uns schon aus der alten Babel auf den geretteten Tontäfelchen überliefert, dass, wenn jemand für seine Schuld einen Sklaven als Nutzpfand bestellte3) und dieser ent

1) Zeitschrift, Bd. 15, S. 330, 331.

2) FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 54. 3) Schon aus diesem Beispiel ersieht man, eine wie alte Form des Pfandrechts das Nutzpfand (die Antichrese des griechischen und römischen Rechts) ist, dass man vielleicht die älteste Form des Pfands in ihr zu WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts II

II

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