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muss. Aber auch eine andere Lösung dieser schweren Frage war noch möglich, ehe man den viel späteren Gedanken einer Verfügung über den Tod hinaus fassen konnte: das Einzeleigentum, noch schwach in seinem Bestand, kehrt mit dem Tode des Individuums an die Gemeinschaft zurück; und in dieser Form finden wir das Verhältnis vielfach bei den Hausgenossenschaften bezeugt. Von einer Erbschaft in unserem Sinne noch keine Rede, und doch der erste Keim zur Idee des Erbrechts. Nicht ein Übergang auf eine andere Person, sondern ein Rückfall in die Gesamthabe, aus welcher der Einzelne seine Sonderhabe nur eben losgelöst hatte. Das Stammgut als der ursprüngliche Begriff schlingt also das neue Einzelgut in sich zurück. Dies ist der älteste Sinn des gesetzlichen Erbrechts. Von welcher Bedeutung diese älteste Gestaltung der Dinge für die Entwickelung des Erbrechts war, lehrt uns insbesondere das Noterbrecht der Römer, das ganz unmittelbar aus der Hausgenossenschaft herausgewachsen ist. Dieser Zusammenhang hat sich hier noch bis in die spätesten Zeiten hinein in der festen Erinnerung der Römer erhalten. Noch GAJUS, ein Zeitgenosse Kaiser Hadrians, und PAULUS, unter dem Kaiser Alexander Severus, sagen mit dürren Worten, dass die Erbfolge der Kinder gar nicht als solche zu betrachten sei; denn sie seien schon bei Lebzeiten des Erblassers »gewissermassen Eigentümer« (quodammodo domini) gewesen, so dass man nicht von Erbschaft, sondern nur von Fortführung des Eigentums sprechen könnte 1). So hartnäckig erhielten sich

1) GAJUS 2, 157: Sui quidem heredes appellantur, quia domestici heredes sunt et vivo quoque parente quodammodo domini existimantur. PAULUS in 1. 11 D. 28, 2: In suis heredibus evidentius apparet, continuationem dominii eo rem perducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi domini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existimantur. Die Gleichheit des Schlusses beider Stellen fällt auf; PAULUS fasst sich vorsichtiger, da er von olim und fuisse, also von Dingen spricht, die ehedem waren, und ist die Stelle bei GAJUS wesentlich kürzer, so dass man an ein Plagiat des Letzteren glauben könnte, wenn man nicht wüsste,

die hausgenossenschaftlichen Vorstellungen im alten Rom, wenigstens in den vornehmen Geschlechtern, und sehr bezeichnend wird von beiden Schriftstellern der späteren Generationen juristisch rätselhaft gewordene Sachverhalt hervorgehoben; denn mit dem Begriff des Individualeigentums war diesen Gebilden der Vergangenheit nicht beizukommen, hier handelte es sich vielmehr wie auch richtig gesagt ist

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um

ein scheinbares Unding, um Eigentümer, die doch im Sinne der späteren Zeit keine Eigentümer waren (quodammodo domini). Welchen Respekt müssen wir vor diesen alten Juristen haben, die schon damals ohne unsere modernen Hilfsmittel scharf und präzis den Ausgangspunkt der Entwickelung erkannt und bezeichnet haben 1). Wieviel können wir von diesen Männern lernen, die aus der Fülle eines grossartigen Verkehrslebens ihre Erfahrungen schöpften, sicher mehr vom Leben als vom Studiertisch entnahmen und neben dem, was der Augenblick erforderte, doch nicht die Grundlagen der Vergangenheit vergassen. Leben und Wissenschaft eins!

So also blieb die Erinnerung an die alten Hausgenossenschaften im Noterbrecht der Römer lebendig, wie sie auch für

dass er früher gelebt hat. So aber liegt der Gedanke nahe, dass beide Juristen aus einer gemeinsamen älteren Quelle schöpften und PAULUS dies durch die gedachten Zusätze als eine Anschauung früherer Zeiten kenntlich machen wollte. Vergl. auch oben S. 98 Anm. 1.

1) Fast noch erstaunlicher ist, dass rein aprioristisch HEGEL, der hier in seinen Vermutungen glücklicher war als auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, als Grundlage des gesamten Erbrechts die Familie und deren rechtliche Einheit betrachtete und bereits aussprach, dass das Erbrecht seinem Wesen nach als ein Eintreten in den eigentümlichen Besitz des an sich gemeinsamen (Familien-) Vermögens aufzufassen sei. (HEGEL, Philosophie des Rechts §§ 178-180, in seinen Werken, Bd. 8, S. 239 bis 244). Dies ist dann weiter insbesondere von GANS (Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwickelung, insbesondere S. XXXII ff. und die durchweg vom Familienrecht ausgehende Darstellung, und auch in den Beiträgen zur Revision der preussischen Gesetzgebung, S. 128, 135) ausgestaltet.

die Ausgestaltung des Pflichtteilrechts sicherlich von weittragender Bedeutung gewesen ist. Auch manche Besonderheit, die sonst unverständlich wäre, lässt sich aus diesem Zusammen. hang heraus erklären. So trat im älteren römischen Recht die in einer freien Ehe lebende, d. h. nicht unter die Gewalt des Mannes (manus) gestellte Ehefrau, bei der gesetzlichen Beerbung ihres Mannes hinter allen Agnaten zurück; der Grund ist offenbar, wenn wir an die Stelle des Wortes »Agnaten< das, was sie in alter Zeit waren, nämlich »Hausgenossen< setzen und weiter bedenken, dass der vaterrechtlichen Hausgenossenschaft der Römer der nicht zuwuchs und zuwachsen konnte, der nicht der Gewalt des Hausvaters unterstand 1).

Erinnerungen an diesen Ursprung des Erbrechts finden wir aber nicht nur im römischen Recht, sondern auch sonst. So bestimmte noch das Rietberger Landrecht (Westfalen), dass das Erbe eines Ledigen nur dann an seinen Vater falle, wenn der Verstorbene im väterlichen Hause gelebt habe; so lange er beim Vater unter seiner Gewalt bleibt, und er das keusche Brot zu Hause bringet«; im anderen Falle, wenn er seinen eigenen Herd und Pott hats an den Landesherrn2). Also hier wird geradezu als Grundlage des Erbrechts die Zugehörigkeit zur Hausgenossenschaft angegeben. Und Ähnliches lässt sich auch im slavischen Recht nachweisen3).

Von den hausgenossenschaftlichen Vorstellungen lässt sich der Ahnenkult nicht trennen. Denn Herd und Hausgötter waren diesen Genossen gemeinsam. Und diese Sorge für den Toten und die Totenopfer ist der tiefste Grund dafür, dass das älteste Erbrecht ein »notwendiges war, und die ältesten Erben Noterben waren. Daher mussten die nächsten Hausgenossen die Erbschaft übernehmen, ob sie wollten oder nicht

1) BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 4, S. 235.
2) GRIMM, Weistümer, Bd. 3, S. 104. No. 14.

3) R. DARESTE, Études d'histoire de droit, Paris 1889, S. 168-169.

(sive velint sive nolint1); denn es durfte kein Zustand eintreten, in welchem der Verstorbene im Jenseits ruhelos blieb, weil kein Überlebender da war, der ihm das Opfer brachte. Dies ist auch der Grund des alten Satzes des römischen Pontifikalrechts: »Keine Erbschaft ohne Opfer (nulla hereditas sine sacris); durch ihn wurde verhindert, dass der zum Opfer Berufene es dem toten Familienvater verweigerte 2).

Im Übrigen musste die Ausgestaltung des gesetzlichen Erbrechts wesentlich durch das Familienrecht beeinflusst werden, sodass insbesondere die Frage, ob Mutter- oder Vaterrecht obwaltete, von Bedeutung war. Dies ist bereits in den früheren Blättern erörtert, und sei hier nur berührt, dass bei vorherrschendem Mutterrecht die mütterliche Familie und vor allem der Bruder der Mutter und der Sohn der Schwester berufen wurden 3),

während bei schroffer Entwickelung des Vaterrechts die Kinder des Mannes berufen sind, gleichviel, ob sie von einer Ehefrau oder von einer Sklavin entstammen1).

Die Begünstigung des Erstgeborenen, die wir bei vielen Völkern finden, hat gleichfalls ihre Wurzel in der Verfassung der alten Hausgenossenschaften, wo bei Zusammenleben der Brüder nach dem Tode des Vaters naturgemäss der älteste Bruder an die Spitze des gemeinschaftlichen Hauswesens trat. So wurde im Laufe der Zeiten aus der begünstigten äusseren Stellung als anerkanntes Haupt des Hauses mit dem Aufkommen des Sondereigentums eine privatrechtliche Erbfolge, und aus

1) GAJUS 2, 157.

2) JHERING, Vorgeschichte der Indo-Europäer, S. 64, 65.

3) So beerbt bei den Khasias in Bengalen der Neffe den Onkel (KOHLER in Zeitschrift, Bd. 9, S. 328).

4) So das althebräische Recht (1 Mos. 16, 5; 21, 10; 5. Mos. 21, 11 ff; RICHTER 11, 2), Alt-Babylon (Gesetzbuch des HAMMURABI § 170) und der Islam (FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 7, S. 277). Hierin liegt ein sehr wesentliches Korrektiv gegen den Missbrauch der Sklavenwirtschaft!

der Vorstandschaft wurde das volle Eigentum des Hauses also beim Bruder genau wie es im allgemeinen bei der Stellung des Vaters sich gestaltete. So war bei den Hebräern das Recht der Erstgeburt anerkannt1) und wissen wir alle, wie Esau dem Jakob seine Erstgeburt für ein Gericht Linsen verkaufte. Dies Recht ist aber im Orient weit verbreitet. Wir sehen es in Afghanistan wie in Vorderindien 2), und ebenso in Birma, wo der älteste Sohn Kleider und Schmuck des Vaters und ausserdem ein Zehntel der Erbschaft über seinen Kindesteil hinaus als voraus erhält 3). Diese Bevorzugung der Erstgeburt ist auch der Ausgangspunkt für die Fideikommisse1), wie sie bezeichnend genug heute in der Regel nur noch beim hohen Adel vorkommen, der sich auch hier als der Hüter uralter Traditionen erweist. Diese vinkulierten Standesgüter sind uns auch von andern Völkern bezeugt. So kamen sie im alten

1) 5. Mos. 21, 17. Ebenso anscheinend im alten Babylon (Bruno MEISSNER, Beiträge zum altbabylonischen Privatrecht, S. 16).

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 206, Anm. 15. Über das weitgetriebene Recht der Erstgeburt bei den Völkern der Südsee, wo in der Königsfamilie wie in der Aristokratie bei Geburt eines Sohnes der Vater abdankt und nur noch Regent und Verwalter im Namen seines Sohnes bleibt, W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 2, S. 346 ff.

3) Der Nächstälteste erhält wiederum vom Rest ein Zehntel als Voraus, und so fort bis zum siebenten Sohne, worauf die Übrigen sich gleichmässig in den Rest teilen müssen. (KOHLER a. a. O., Bd. 6, S. 177).

4) Nicht entgegensteht, dass es auch Minorate gibt, bei denen also nicht der älteste, sondern umgekehrt der jüngste Sohn zur Erbfolge berufen ist. Es ist diesem selten vorkommenden Institut wohl nur die Bedeutung einer vereinzelt auftretenden Varietät einzuräumen, (so in der Verfassung von deutschen Standesgütern, was noch im preussischen allgemeinen Landrecht II, 4 § 146 festgehalten ist, aber auch bei den Chins in Hinterindien (KOHLER a. a. O., Bd. 6, S. 195). Denn, ob nun jüngster oder ältester, immer handelt es sich nur um eine Verschiedenheit in der Bestimmung der Nachfolge; das Prinzip ist hier wie dort hausgenossenschaftlich, nämlich der Übergang der Vorstandschaft des Hauses in alle Zeiten hinein auf einen der Genossen.

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