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tragen, den Brand zu ersticken! Was hilft es, daß der Freiherr jest mit theurem Gelde Korn kauft, um es für nichts an seine Taglöhner zu geben? Daß seine Schwester seit vier Wochen im ganzen Lande umherkutschirt, Suppen-, Kranken- und Gott weiß was noch für Vereine stiftet und in jede schmuzigste Hütte ihre freifräulichen Füße sezt? Mit diesen kümmerlichen Abschlagszahlungen werden sie die Riesenschuld nicht tilgen, die sich während so vieler Jahrhunderte aufgehäuft hat. Und ich für meinen Theil fürchte sie nicht. Die gute Dame mag so eine unbestimmte Ahnung haben, daß ich ihr ihre Bettelsuppen häßlich versalze aber darüber wird es nicht hinausgehen. Den Schlüssel zu dem Schloß, mit dem ich den Brüdern den Mund verschließe, hat noch Niemand gefunden das gnädige Fräulein sicherlich auch nicht.

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Sie nannte auch den Namen Deiner Schwester, sagte Leo; ich habe nicht genau verstanden, ob sie in Tannenstädt gewesen ist, aber ich vermuthe es.

Das müßte ganz kürzlich, vielleicht heute erst gewesen sein.
Ich weiß es nicht.

Tusky blickte nachdenklich vor sich nieder.

Also auch das, sagte er; so wäre man wirklich auf der Spur?
Traust Du Even nicht?

Nur halb, aber ich kann sie nicht entbehren, sie ist schlau, gewandt, muthig und fürchtet sich vor nichts auf der Welt, als vor mir. Das ist immer eine Garantie; freilich keine ausreichende, und jezt haßt sie mich überdies doppelt und dreifach. Nun, nun, Du brauchst nicht roth zu werden, mein Junge! Was kannst Du dafür, daß sich das tolle Geschöpf bis hierher gewagt hat? Oder hast Du mir nicht Alles gesagt, Leo?

Doch, doch! Ich habe sie weder vorher, noch nachher gesehen oder gesprochen.

Und das eben verzeiht sie mir nicht, sagte Tusky; ich könnte ihren Zorn sehr leicht beschwichtigen, wenn ich Dich wieder einmal mitnähme

So thue ihr doch den Gefallen, sagte Leo; glaubst Du, daß ich ein solches Kind bin, oder daß die Eve so ge= fährlich ist?

Tusky lachte.

Allerdings glaube ich das, sagte er, Eines und das Andere. Dein Blut ist heiß, und in Eve's Adern fließt kein Schneewasser. Aber wer, wie Du, zu großen Dingen geboren ist, muß rein bleiben wie polirter Stahl. Hüte Dich vor dem ersten Flecken, Leo; der erste Flecken bleibt nicht lange der einzige. Und nun geh', mein Junge, und sage Deinem Pastor, daß Du aus der Musikstunde kommst, und wir hätten heute Generalbaß getrieben. Und schlag' Dir die Grillen aus dem Kopf. Wenn wir die Welt betrügen, so ist es, weil sie durchaus betrogen sein will. Geh'!

Leo stand auf dem Kirchhofe. Es hatte aufgehört zu schneien; die Erde lag still und kalt wie eine Leiche. Als er den Kirchberg hinabstieg, begann die Orgel mächtig zu brausen, aber der sausende Wind zerriß die Töne, als ob Geister, die auf den schwarzen Himmelswolken über die Erde fuhren, einander Worte zuriefen, für die das Menschenohr tein Verständniß hat.

Einunddreißigstes Capitel.

Die Zeitungen waren in der leßtvergangenen Zeit voll von düstern Prophezeiungen gewesen; aber die, welche an diesem Abend der Postbote brachte, enthielten wirklich Bedenkliches. In der Residenz hatten ernste Unruhen stattge= funden. Die erste Veranlassung schien eine geringfügige gewesen zu sein ein Krawall auf einem Gemüsemarkte aber die Aufregung hatte bald größere Dimensionen und einen gefährlicheren Charakter angenommen. Beim Schluß

der Zeitung hoffte man indeffen, daß das energische Eins schreiten der in großer Menge aufgebotenen Polizeimannschaften weiterem Unglück vorbeugen werde.

Wir wollen es auch hoffen, sagte der Freiherr; aber es ist so schon schlimm genug, einmal als Zeichen der Zeit und Beweis der Noth, die jest schon gar nicht mehr sporadisch auftritt, und dann als böses Beispiel, das unsere Schreier und Murrer gehörig auszubeuten wissen werden.

Aber am nächsten Tage lauteten die Nachrichten noch um Vieles bedenklicher. Die Polizei hatte der Tumultuanten nicht Herr werden können, es war Militär requirirt worden, man hatte an einzelnen Stellen auf das Volk geschossen, Blut war geflossen. Darüber war die Nacht herangebrochen. Man fürchtete, daß das Einschreiten der bewaffneten Macht die Sache eher verschlimmert, als verbessert habe, und daß man sich auf noch Schlimmeres gefaßt machen müsse.

Der Freiherr schüttelte den Kopf. Das sieht bös aus, sagte er; der König ist stumpf, und seine Minister sind Dummköpfe; fie haben bei ruhigem Wetter und glattem Meere kaum zu steuern verstanden; was soll das geben, wenn es wirklich stürmt?

Ein mit zwei tüchtigen Pferden bespannter Schlitten kam, während der Freiherr so sprach, sehr schnell auf den Hof gefahren. Der Herr, welcher darin saß, hatte den Kragen seines Pelzes in die Höhe geschlagen und seine Pelzmüze so tief in die Stirn gezogen, daß die Brille, die er trug, nur eben aus der dichten Hülle hervorblickte.

Es ist Hey, rief der Freiherr mit einiger Bestürzung; der Mann hat mir noch selten etwas Gutes gebracht, was wird er heute bringen?

Ich weiß Alles! rief er dem Eintretenden entgegen.

Nichts wissen Sie, sagte der Landrath, indem er sich vor Charlotte verbeugte und dem Freiherrn eine eiskalte Hand reichte. Die Sache steht viel schlimmer, als die Zeitungen melden. Die Truppen in der Residenz sind unzuverlässig, ja sie haben zum Theil offen mit dem Pöbel

fraternisirt. Man hat auf telegraphischem Wege die Neunundneunziger aus unserer Festung requirirt. Denken Sie diesen Wahnsinn! Unsere geringe Macht, die wir vielleicht selbst so nöthig brauchen werden, um die Hälfte zu verringern! Ich beschwor den Präsidenten; ich beschwor den General von Schnabelsdorf, gegen diese Maßregel zu remonstriren. Es geschah; Bitte um Zurücknahme des Befehls, um Aufschub nichts half. Unverzüglich kommen! Gefahr im Verzuge! so lautete die letzte Depesche; vor einer halben Stunde ist denn das Regiment mit Extrazug abgegangen.

Herr von Hey warf sich vor dem Kamin ganz erschöpft in einen Polsterstuhl.

Ich kann diese Maßregel nicht mißbilligen, sagte der Freiherr; ein Aufstand in der Residenz, wenn er nicht bald niedergeschlagen wird, kann für das ganze Land, ja für die Welt von unberechenbaren Folgen sein.

Aber wir, wir! was soll aus uns werden? rief der Landrath.

Wir wollen uns schon selbst helfen, wenn es zum Schlimmsten kommt, erwiederte der Freiherr.

Das ist leichter gesagt, als gethan, meinte der Landrath; Sie haben es nicht Wort haben wollen, aber Sie werden, fürchte ich, nur zu bald erkennen, daß wir auf einem Vulkane stehen. Ich denke mit Entsetzen an die Wirkung, welche die Nachricht von den Ereignissen in der Residenz auf unsere Taglöhner und Zehentner haben wird.

Ich glaube, Sie sehen die Dinge ein wenig zu schwarz, lieber Hey, sagte der Freiherr; ich gebe zu, wir haben Schreier genug, aber vom Schreien bis zum Handeln ist ein großer Schritt, den die Leute nur wagen, wenn sie einen sehr entschlossenen und energischen Führer haben. Wo sollten sie den herbekommen? Die paar intelligenten tüchtigen Köpfe, die wir allenfalls in der Gemeinde zählen, sind entschieden für uns. Nein, nein, wir haben nichts zu fürchten.

Charlotte war der Unterredung der beiden Männer mit

einer Spannung gefolgt, die fich deutlich genug auf ihrem feinen, blassen Gesichte ausprägte. Ein wichtiges, entscheidendes Wort schien auf ihren Lippen zu schweben; sie machte eine lebhafte Bewegung, als ob sie zu sprechen wünsche; aber in diesem Augenblicke ließ sich auf dem Vorsaal eine Stimme vernehmen, die eifrig nach dem Freiherrn verlangte. Gleich darauf trat, dem Bedienten auf dem Fuße folgend, Doctor Urban in das Gemach.

Ein Blick genügte, um zu erkennen, daß sich der geist= liche Herr in einer Aufregung befand, vor welcher die kühle Ruhe, deren er sich sonst befleißigte, nicht Stand gehalten hatte.

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Ich bringe seltsame Nachrichten, sagte er, nachdem er sich kaum Zeit zu einer Begrüßung der Anwesenden genomMan brachte mir vor ungefähr einer Stunde die Botschaft, daß die Bauern in dem Kruge eine Versammlung abhielten, bei der es ziemlich wild hergehe; ich hielt es für meine Pflicht, die Leute zur Ruhe und Ordnung zu ermahnen, und begab mich sofort nach der bezeichneten Etelle. Welches Bild hatte ich da, meine Herren! Ich habe diese Brutalität, diese Frechheit nie für möglich gehalten. Vergebens, daß ich zu Worte zu kommen suchte! Wüster Lärm, ein satanisches Pfeifen und Heulen das waren die Begrüßungen, mit denen man mich empfing. Und wer, wer glauben Sie, Herr Baron, mein gnädigstes Fräulein, Herr von Hey -wer, glauben Sie, an der Spite dieser Bösewichter steht? Wer nach dem, was ich habe sehen, habe hören müssen, ganz unzweifelhaft die Seele dieser Empörung ist?

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Der Schullehrer Tusky! rief Charlotte; ich habe es längst gewußt.

Sie hatte sich von ihrem Plag am Kamin erhoben und stand den Männern, die verwundert zu ihr aufschauten, gegenüber.

Ich habe es längst gewußt, wiederholte sie, aber ich habe geschwiegen, aus einer falschen Großmuth, wie ich jetzt

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