ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

IV. Verhältniß von Sprache und Gedanke.

Es

Die Sprache, als Offenbarung der ganzen menschlichen Individualität, hat ohne Zweifel auch großen Antheil an unsern Gedanken und deren Bildung. Darüber hat schon Wilhelm von Humboldt in seiner Abhandlung über das Entstehen. der grammatischen Formen und ihren Einfluß auf die Ideenentwickelung"*) einzelne treffende Andeutungen gegeben und besonders hervorgehoben, daß der Geist auch von der Sprache empfängt. tritt hier auch in der intellectuellen Welt das Verhältniß von Geist und Körper ein, das in seiner geheimnisvollen Wechselwirkung das eigenste Leben des Organismus darstellt. Wie sehr der Geist auch seine Unabhängigkeit behauptet, um sich lediglich aus sich selbst zu begründen, so kann doch auch dem Körper selbst in seiner ganz physischen Bedeutung nicht bestritten werden, daß er geisterzeugend und zum Geiste mitwirkend ist. So schießen auch aus der Sprache eigenthümliche Säfte zum Gedanken hin, die denselben befruchten und ausbilden helfen.

*) in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften 1822-23.

Die Sprache ist daher ebenso sehr Inhalt wie Mittel, und auf der vollendetsten Einheit und Verschmelzung beider beruht die Vollkommenheit aller Darstellung. Darstellung ist Bildung, und hat, wie diese, einestheils ein überliefertes und Lehrbares, anderntheils ein productives Element an sich, deren eigenthümliche Verbindung Sache des Talents ist. Dem im Volksgeist arbeitenden Talent muß überhaupt überlassen bleiben, das Verhältniß von Sprache und Gedanke nach seiner freien Art zu organisiren, denn jede absichtliche und künstliche Ausbildung einer Sprache, abgetrennt von der geistigen Production, ist erfolglos für dieselbe. Der im Allgemeinen richtige Saz Humboldts: daß nur die grammatisch gebildeten Sprachen vollkommene Angemessenheit zur Ideenentwickelung befißen“ (a. a. D. S. 427.), erleidet die vielfältigste Nüancirung in der Anwendung und der Geschichte der Sprachen. Grammatische Bildung einer Sprache ist überhaupt etwas sehr Relatives und einzeln schwer zu Fassendes, denn man gebe den Eskimo's eine Sprachakademie, welche ihnen die Sprache nach Gefeßen gliederte und ordnete, und man hätte vergeblich zu warten, eine Eskimo - Literatur danach entstände, wenn auch

ob

das grammatische Kunststück noch so glücklich ge= lingen sollte.

Die Entwickelung der Sprachen ist vielmehr die, daß sie den grammatischen Naturzustand abstreifen und sich zu vergeistigen trachten. Eine ge= bildete Sprache heißt am Ende die für den weiteften Gedankeninhalt am meisten aufnahmefähige, und sie kann das Paradies ihrer schönsten leiblichen Formenbildung längst verloren haben. Was wir im vorigen Abschnitt von der deutschen Sprache bemerkten, daß die höchste Stufe ihrer geistigen Entwickelung gerade mit ihrem grammatischen Verfall zusammentrifft, hat Jacob Grimm*) noch allgemeiner zu der Behauptung ausgedehnt: daß die Bildung des menschlichen Geschlechts mit der Vollendung seiner Sprache in einem reinen Gegenfaz stehe, und, je mehr von der allgemeinen Cultur des menschlichen Geistes in die Sprache übergehe, die lettere desto mehr an der Größe und Originalität ihrer eigensten grammatischen Natur verliere. Indeß darf man es, glaube ich, mit solchem Ver

*) in der Einleitung zur ersten Ausgabe seiner deutschen Grammatik (s. besonders S. XXVII fg.), die leider in den folgenden Auflagen fortgeblieben.

luft nicht allzu genau nehmen, da der Ersaß ihm hinlänglich die Wagschale hält, und es mit dem grammatischen Paradies ohne Zweifel dieselbe Bewandtniß hat, wie mit dem Unschuldszustande der Menschheit. Man beklagt ihn häufig, aber man vermißt ihn selten. Unsere Sprache hat allerdings außerordentliche Vortheile der Flerion, eine ganze volltönende Musik runder und ausgeschriebener Formen, eine ganze Plastik schwellender und von sinnlichem Leben strogender Wortfiguren eingebüßt, die uns aus dem Gothischen und Althochdeutschen. wie Riesen der Vorzeit entgegentreten. entgegentreten. Grimm sagt sehr schön: Man kann die innere Stärke der alten Sprache mit dem scharfen Gesicht, Gehör, Geruch der Wilden, ja unserer Hirten und Jäger, die einfach in der Natur leben, vergleichen. Dafür werden die Verstandesbegriffe der neueren Sprache zunehmend klarer und deutlicher. Die Poesie vergeht, und die Prosa (nicht die gemeine, sondern die geistige) wird uns angemessener."

[ocr errors]

V. Poesie und Prosa in der Sprache.

Die Poeste der Sprache ist die noch unentfärbte Bildlichkeit, welche auf der Naturstufe an ihr blüht. In dieser Zeit giebt es überhaupt noch keine Prosa, weil jedes Wort schon durch seine Wurzel und Zusammenseßung einen poetischen Eindruck erregt, weil jede Bezeichnung ein Versuch zu dichten ist. Die Sprache wendet sich den gedankenschwereren und dem bloßen Inhalt dienenden Verknüpfungen der Profa dann erst mit Kunst und Erfolg zu, nachdem die bildliche Bedeutung, die am Worte haftet und dabei verweilen macht, abgeblüht ist. Dann werden die Wörter für sich selbst nicht mehr empfunden, sie stehen mehr oder weniger als wesenlose Zeichen da und haben ihr Leben nur in dem allgemeinen Inhalt des Gedankens, zu dessen Chiffrirung sie zusammengestellt sind. Wer denkt noch bei dem Worte Kind (chint, von der Wurzel chin, feimen) daran, daß er etwas Metaphorisches: das Gekeimte, Erblühte, damit ausspricht? Andere Ausdrücke, die besonders durch ihre Zusammenseßung poetische Metaphern machen, z. B. halsstarrig, widerspänstig, und unzählige ähnliche, sind ebenfalls in dem Sinne

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »