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eine Mal als Vater, das andre Mal als Sohn) verehrt wird, einst durch gewisse politische Bande verknüpft waren; und da es sich dabei zum Teil um weit von einander entfernte Orte handelt, liegt die Annahme nahe, daß die Stadt, in der der Sohn zum Hauptgott ward, eine Kolonie der Stadt war, in der der Vater als oberster Gott verehrt wurde. Geschichtliche Beweise für die Richtigkeit unserer Annahme lassen sich allerdings noch nicht erbringen.

Gegenüber den himmlischen Götterwesen, die man unter der Bezeichnung Igigi zusammenfaßt, nehmen die Götter der Unterwelt, die Anunnaki, eine besondere Stellung ein. Ihre Herr scherin ist Ereschkigal oder Allatu, die freudlose Königin, und ihr Gemahl der Pestgott Nergal, der durch List und Ges walt sich den Thron des Totenreiches eroberte1. Allerdings haben die babylonischen Theologen auch hier versucht, genealogische Brücken zu schlagen. Wenn sie aber Nergal bald als Sohn Anus, bald als Sohn Enlils und bald als Sohn Eas bezeich nen, so ergibt sich schon aus diesem Schwanken, wie sekundär die Verknüpfung der chthonischen Gottheiten mit den himm lischen ist.

Wie sich die Babylonier das finstere Reich der Toten, das Arme und Reiche, Gute und Böse in gleicher Weise zu einem schattenhaften Dasein vereint, dachten, ergibt sich am besten aus den mitgeteilten literarischen Stücken, auf die der Leser verwiesen sein mag.

Wir wollen hier keine ermüdende Schilderung der einzelnen Gottheiten geben; es mag genügen, wenn wir die Alten selbst reden lassen, und zu diesem Zwecke wollen wir den Schluß der Gesetzsammlung König Hammurapis anführen, in dem der Fluch der einzelnen Götter auf jeden künftigen ungerechten Herrscher herabbeschworen wird. Aus diesen Flüchen, die an die einzelnen Gottheiten gerichtet sind, ergibt sich ein klares Bild ihres Wirkungskreises. Wir lesen:

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1 Vgl. den Mythus auf S. 149. Gilgamesch-Epos VII (S. 86) und XII (S. 114.); Nergal und Ereschkigal (S. 149); Ischtars Fahrt in die Unterwelt (S. 142 ff.).

Wenn (ein künftiger Herrscher) auf meine Worte, die ich auf mein Denkmal geschrieben, nicht achtgibt, vielmehr meine Flüche miẞachtet und die Flüche der Götter nicht fürchtet, sondern das Recht, das ich gegeben, tilgt, meine Worte unterdrückt, meine Darstellungen ändert, meinen Namenszug auslöscht und seinen hinschreibt oder auch einen andern dazu veranlaßt, - dem Bes treffenden, sei er nun König oder Herr oder Vizekönig oder sonst eine beliebige Person, möge

Anu, der Große, der Vater der Götter, der meine Regierung berief, den königlichen Glanz nehmen, sein Zepter zerbrechen, sein Schicksal verfluchen!

Enlil, der Herr, der die Geschicke bestimmt, dessen Befehl unwandelbar ist, der mein Königtum groß macht, möge ununterdrückbare Wirren als Veranlassung seines Untergangs in seiner Wohnstätte gegen ihn entfachen! Qualvolle Regierung, an Zahl beschränkte Tage, Jahre der Teuerung, unerleuchtbare Finsternis und augenblicklichen Tod möge er ihm zum Schicksal bestimmen! Den Untergang seiner Stadt, die Auflösung seines Volkes, die Unterdrückung seines Königtums, die Tilgung seines Namens und Gedächtnisses im Lande möge er mit dem gewichtigen Ausspruch seines Mundes befehlen!

Ninlil', die große Mutter, deren Geheiß in Ekur2 gewichtig ist, die Fürstin, die gnädige Fürsprache für mein Sinnen und Trachten einlegt, möge an der Stätte des Gerichts und der Entscheidung vor Enlil seine Sache schlecht machen! Verheerung seines Landes, Untergang seines Volkes, Ausschüttung seines Lebens gleich Wasser, möge sie Enlil, dem Könige, in den Mund legen!

Ea, der große Fürst, dessen Schicksalsbestimmungen an der Spitze gehen, der Weise der Götter, der alles Erdenkliche weiß, der meine Lebenszeit lang macht, möge Verstand und Weisheit ihm nehmen und ihn in Vergessenheit führen! Seine Ströme

1 Ninlil ist die Gemahlin Enlils (s. S. 15); sie ist aber hier bereits mit der Götterherrin Nin hursag gleichgesetzt, wie die Bezeichnung „große Mutter" lehrt. Tempel Enlils in Nippur.

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2 Ungnad, Babylonien

möge er an der Quelle verstopfen, in seinem Lande möge er Brotkorn, das Leben des Volkes, nicht gedeihen lassen!

Schamasch, der große Richter1 des Himmels und der Erde, der die Lebewesen rechtleitet, der Herr, meine Zuversicht, möge sein Königtum stürzen, ihm sein Recht nicht geben, seinen Weg in die Irre gehen lassen, die Grundlage seines Volkes ins Wanken bringen, bei seiner Opferschau ein böses Omen von der Ausrottung der Wurzel seines Königtums und dem Untergang seines Volkes ihm zuteil werden lassen! Die unheilvolle Prophe zeiung des Schamasch möge ihn eilends treffen: oben unter den Lebenden möge er ihn ausrotten, unten in der Unterwelt möge er seinen Totengeist nach Wasser schmachten lassen!

Sin, der Herr des Himmels, der Gott, der mich geschaffen, dessen Glanz unter den Göttern aufstrahlt, möge Krone und Königsthron ihm nehmen, möge als schwere Buße seine große Strafe, die aus dem Körper nicht weicht, ihm auferlegen, die Tage, Monate und Jahre seiner Regierung ihn in Qual und Jammer dahinbringen lassen, die Last der Königswürde ihm gewaltig machen, Leben, das mit dem Tode ringt, zum Schicksal ihm bestimmen!

Adad, der Herr des Überflusses, der Verwalter von Himmel und Erde, mein Helfer, möge die Regengüsse am Himmel und die Hochflut am Quellorte ihm nehmen, sein Land durch Teuerung und Hungersnot zugrunde richten, über seiner Stadt grollend donnern, und sein Land in eine Sintflutruine verwandeln!

Zababa, der starke Held, der erstgeborene Sohn von Ekur, der zu meiner Rechten einhergeht, möge in der Schlacht seine Waffe zerbrechen, den Tag ihm in Nacht verwandeln und seinen Feind auf ihn treten lassen!

Innanna, die Herrin von Schlacht und Kampf, die meine

1 Der Sonnengott, der alles erleuchtet, gilt auch als Entdecker aller bösen Taten und daher als göttlicher Richter. Gleichzeitig ist er der Offenbarer der göttlichen Geheimnisse und somit der Gott der Wahrsagekunst. Zababa, der Kriegsgott von Kisch, wird mit Nimurta, dem Sohne Enlils, gleichgesetzt.

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Waffe entblößt, meine gnädige Schutzgottheit, die meine Regierung liebt, möge in ihrem zornigen Herzen, in ihrem großen Grimm sein Königtum verfluchen, seine guten Taten zu bösen verdrehen, in Schlacht und Kampf seine Waffe zerbrechen, Wirren und Revolution ihm bereiten, seine Krieger zu Boden werfen, mit ihrem Blut die Erde tränken, haufenweis die Leichen seiner Kriegsvölker aufs Schlachtfeld werfen, seinem Heere kein Erbarmen verschaffen, ihn selbst der Hand seines Feindes über antworten und ihn in Feindesland gefesselt fortführen!

Nergal, der Starke unter den Göttern, der unwiderstehliche Kämpfer, der meinen Triumph herbeikommen läßt, möge in seiner Kraft wie ein grimmiger Röhrichtbrand sein Volk verbrennen, mit seiner starken Waffe ihn selbst zerspalten und seine Gliedmaßen wie ein tönernes Bildnis zerschmeißen!

Nintu', die erhabene Fürstin der Länder, die Mutter, die mich geschaffen, möge ihm den Erben nehmen und so ihm keinen (bleibenden) Namen verschaffen! Inmitten seines Volkes möge sie keinen Menschensamen schaffen!

Ninkarranâ, die Tochter Anus, die mein Wohl gebietet, möge in Ekur schweren Schmerz, böse Krankheit, schmerzhafte Verletzung, die nicht heilt, deren Wesen der Arzt nicht kennt, die man mit Verbänden nicht zur Ruhe bringt, die wie der Biß des Todes nicht herausgerissen werden kann, aus seinen Gliedmaßen ihm hervorgehen lassen, daß er, bis sein Leben erlischt, über seine (verlorene) Manneskraft jammere!

Die großen Götter von Himmel und Erde, die Anunnaki allzumal, der Schutzgeist des Tempels und der Mauern von Ebarra, mögen ihn selbst, seinen Samen, sein Land, sein Heer, seine Leute und sein Kriegsvolk mit unheilvollem Fluche ver fluchen! Mit lauten Flüchen möge Enlil durch den Ausspruch seines Mundes, der unabänderlich ist, ihn verfluchen, und (diese Flüche) mögen ihn eilends erreichen!

1 Die Göttin der Geburt (= Ninmach). Göttin der Heilkunst, galt als Gemahlin des Kriegsgottes Nimurta.

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Die religiösen Texte, die uns die Trümmerhügel Babyloniens und Assyriens beschert haben, gewähren uns nur einen beschränkten Einblick in den Geist jener alten Kulturwelt. Namentlich kommt der Volksglaube in den kärglichen Resten religiöser Literatur, die uns erhalten sind, nur wenig zur Geltung. Denn man muß berücksichtigen, daß diese Reste doch im wesentlichen nur die offizielle Religion wiederspiegeln, während man es schwerlich der Mühe wert gehalten haben dürfte, die Auswüchse, die diese Religion in den niederen Volksschichten gezeitigt hat, in den Tempelarchiven oder Königsbibliotheken zu verewigen. Auch die offiziellen Urkunden können leicht ein schiefes Bild wiedergeben, namentlich dann, wenn man sie aus ihrem organischen Zusammenhange herausreißt. So erwecken, um nur ein Beispiel zu nennen, manche Gebete den Anschein, als ob wir es hier mit Erzeugnissen einer ethischen Hochkultur zu tun hätten, wie wir sie erst in den spätesten Psalmen des Alten Testaments wiederfinden. Betrachten wir aber ein solches Gebet im Zusammenhange seiner Überlieferung, so werden wir meist erkennen können, daß die sittliche Größe, die aus ihm spricht, nur eine scheinbare ist. Nicht die Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit und sittlicher Unvollkommenheit ist es, die dem Dichter bewegte Worte verleiht, sondern Unglück und Krankheit, die ihn befallen, lassen ihn ahnen, daß er sich versündigt, d. h. eins der unzähligen rituellen Gebote mißachtet habe, deren Befolgung die Götter von den Sterblichen verlangen, ohne daß diese sich darüber Rechenschaft geben können, warum es gerade so und nicht anders von ihnen gefordert wird. Eine Verfehlung ist unter solchen Umständen nur allzu leicht möglich, und schwere Unglücksfälle und Krankheiten aller Art sind die Strafen, die die erzürnten Himmlischen über die elenden Menschen verhängen. Die Götter wieder zu versöhnen, ist eine der wesentlichsten Aufgaben der Priesterschaft, und zahlreiche Beschwörungstexte zeigen uns, wie der Priester nicht nur die göttliche Gnade dem „Sünder" wieder zuzuwenden sucht, sondern wie er zugleich als Arzt die Folgen der Sünde

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