75 Einer Nessel machte er mich gleich, einer Distel machte er mich gleich, Einem einsamen Maulbeerbaum am Ufer machte er mich gleich, Einem Lorbeer auf trocknem Boden machte er mich gleich, Einer einsamen Tamariske im Südsturm machte er mich gleich! Der Gewaltige hat wie ein einsames Rohr mich in mir selbst niedergedrückt! 80 85 Auf dein Wort, ja, auf dein Wort, Weh befällt das Haus auf dein Wort!! Wort! 90 1 „Auf dein Wort“. „Auf deinen Befehl.“ * Vgl. für diese und die ff. Zeilen, S. 208, Z. 37ff. „Haus" hier und im folgenden - ,,Tempel“. „ 3. KLAGELIEDER AN DIE GÖTTIN ISCHTAR1 a Ich flehe dich an, Herrin der Herrinnen, Göttin der Göttinnen, 5 Du bist die Erleuchterin von Himmel und Erde, starke Tochter Sins; haben! 10 Du Stern des Kampfgeschreis, die einträchtige Brüder in Streit bringt, det ist! 15 Du vollziehst Gericht und Entscheidung, die Satzung von Erde und Himmel, Heiligtümer, Tempel, Göttersitze und Kapellen harren dein! Wo ist nicht dein Name, wo nicht deine Gebote, Wo sind deine Bildnisse nicht dargestellt, wo deine Heis ligtümer nicht gegründet? Wo bist du nicht groß, wo nicht erhaben? Anu, Enlil und Ea haben dich erhöht, haben groß ge macht deine Herrschaft unter den Göttern, Haben dich erhoben unter allen Igigi, haben gewaltig gemacht deinen Rang! 1 Text a ist eine spätbabylonische, b eine assyrische Abschrift. Die himmlischen Geister. 20 Beim Nennen deines Namens vergehen Himmel und Erde, 25 Alle Schwarzköpfigen, die wimmelnden Menschen, preis sen deine Stärke; Das Recht der Menschen richtest du in Gerechtigkeit und Wahrheit. Du schaust den Unterdrückten und Niedergeschlagenen an, leitest ihn richtig Tag für Tag. 30 Wie lange säumst du noch, Herrin von Himmel und Erde, Hirtin der umdunkelten Menschen? Wie lange säumst du noch, Herrin des heiligen Eanna”, des reinen Schlosses? Wie lange säumst du noch, Herrin, deren Füße nicht er: matten, deren Knie dahineilen? Wie lange säumst du noch, Herrin der Schlacht und aller Kämpfe? Du Herrlichste, Löwin der Igigi, die niederbeugt die er zürnten Götter, Du Stärkste aller Herrscher, die Könige am Zügel führt, Die da öffnet den verschlossenen Leib aller Frauen: Erhaben und fest gegründet bist du, starke Ischtar, groß ist deine Kraft! Du leuchtende Fackel von Himmel und Erde, du Glanz aller Lande, Wütend im unwiderstehlichen Angriff, obsiegend im Kampfe! Feuerbrand, der gegen die Feinde aufleuchtet, der die Vernichtung der Mächtigen ins Werk setzt, Bleich machende Ischtar, die die Schar sammelt! i Götter der Tiefe (Unterwelt). * Tempel der Ischtar in der Stadt Uruk. 40 Göttin der Männer, Ischtar der Frauen, deren Ratschluß niemand erfährt, Wo du hinblickst, wird der Tote lebendig, erhebt sich der Kranke, Kommt auf den rechten Weg der Verirrte, indem er dein Antlitz schaut! Ich rufe zu dir, elend und jämmerlich, von Schmerz ges quält, dein Knecht, Sieh mich an, meine Herrin, nimm an mein Flehen, Schau mich in Gnaden an und höre mein Gebet! 45 50 Meine Begnadigung spricht aus, und dein Gemüt möge sich besänftigen! Die Begnadigung meines elenden Leibes, der voller Ver wirrung und Unordnung ist, Die Begnadigung meines schmerzgequälten Herzens, das voller Tränen und Seufzer ist, Die Begnadigung meines elenden Innern, das voller Vers wirrung und Unordnung ist, Die Begnadigung meines bedrängten Hauses, das sich in Klagen erschöpft, Die Begnadigung meines Gemütes, das erfüllt von Träs nen und Seufzern ist. Irnini, Erhabene, grimmiger Leu, möge dein Herz sich beruhigen! des Licht laß mich sehen! Wie lange noch, meine Herrin, sollen meine Widersacher nach mir trachten Und in Falschheit und Unwahrheit Böses gegen mich planen? 55 Wie lange noch sollen meine Verfolger, meine Nachsteller gegen mich wüten? Wie lange noch, meine Herrin, soll der Blöde, der Jämis liche über mich herfallen? ..... Die Schwachen sind stark geworden, ich aber ward schwach! Ich wanke wie eine Flut, die ein böser Wind aufwühlt, Es fliegt und flattert mein Herz wie ein Vogel des Hims mels. 65 Was habe ich getan, mein Gott und meine Göttin, ich? so ergeht es mir! 70 Zuteil geworden sind mir Schmerz, Krankheit, Unter gang und Verderben, Zuteil geworden sind mir Drangsal, Abwendung des göttlichen Antlitzes und Fülle des Zorns, Grimm, Wut, Groll von Göttern und Menschen! Ich sehe, meine Herrin, finstere Tage, dunkle Monate, Jahre des Kummers, Ich sehe, meine Herrin, Gericht, Verwirrung und Aufruhr, Aufgerieben hat mich Tod und Not! 75 Verkümmert ist meine Kapelle, verkümmert mein Heilig tum, Über mein Haus, Tür und Fluren hat sich Trauer er gossen! Meines Gottes Antlitz hat sich anderswohin gewandt, Aufgelöst ist meine Sippe, mein Obdach zerbrochen! |