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greift euer Herz, wenn ihr sein stilles, immer. währendes Dulden gewahr werdet! Aber wie verdoppelt sich auch eben deswegen eure Sorg. falt; mit welchem Eifer leistet ihr dem gelieb ten Dülder, was in euern Kräften ist; wie unablässig send ihr darauf bedacht, ihm Erleich terung zu verschaffen; und wie gerne bringet ihr ihm eure Zeit, eure Ruhe, euer Vergnügen zum Opfer! Und doch wird eure Zuneigung ihren höchsten Grad erst dann erreichen, wenn ihr ihn verliert, wenn ihn der Tod aus euern Armen reißt. Ja, M. Br., erst an der Gruft derer, die uns theuer sind, wird es uns klar, wie unaussprechlich wir sie geliebt haben; da fühlen wirs erst ganz, wie unentbehrlich sie uns find, und wie fest unser Herz an ih nen hångt; da erscheinen uns ihre Vorzüge in einem Glanze, in welchem wir sie noch nie erblickt hatten, und erfüllen uns mit der unge. duldigsten Sehnsucht; da erwachen Empfindun gen einer Zärtlichkeit, einer Verehrung, einer Begeisterung in uns, die wir in diesem Grade noch nie gehabt haben, die keine Sprache aus. zudrücken vermag, von denen selbst unsre Thrå. nen nur unvollkommen sprechen.

Es giebt Menschen, M. 3., die nicht bloß den Ihrigen, sondern ganzen Gesellschaf ten, ganzen Völkern, ganzen Zeitaltern theuer find. Wer durch seinen Geißt, durch seine Tugend, durch sein gemeinnüßiges Wirken, durch feine unlåugbaren Verdienste, die öffentliche

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Aufmerksamkeit gewinnt: der finder überall Billige, die feinen Werth erkennen; Unpar..' theyische, die seine Vorzüge bewundern; Dank, bare, die sich ihm verpflichtet fühlen; Edelmüthige, die sich mit ihrem ganzen Wohlwol len auf ihn lenken. Wenn es nun ein solcher Mensch ist, den Widerwärtigkeiten treffen; wenn er, an dem so viele Herzen hången, in Gefahr schwebt und endlich unterliegt: welche Empfin. dungen der Theilnehmung und Liebe wird sein Schicksal überall erwecken; welche - Wehmuth wird sich aller derer bemächtigen, die ihn kann ten und zu schäßen wußten; welche Verbinds lichkeit werden fie fühlen, denken, handeln, lies ben zu lernen, wie er; welche Kraft wird sein Beyspiel haben, einen menschenfreundlichen Sinn, eine gemeinnützige Denkungsart, einen Eifer für Menschenwohl, bey allen denen zu verbrei ten, die ihm ergeben waren; wie wird sichs auch hier bewähren, daß die Leiden und der Tod theurer, hochgeschäzter Menschen einen wunderbaren Einfluß auf das Wohlwollen und die Liebe ihrer Mitmenschen haben; daß sie nicht bloß die Liebe erhöhen, die man ihnen selbst widmet, sondern auch das Wohlwollen im Ganzen nåhren und alles theilnehmender und menschlicher machen.

Aber was sind die Leiden und der Tod der besten, der verdientesten, der erhabensten Menschen gegen, die Leiden und den Tod, deren Andenken wir in diesen Tagen feiern, M. Br.! 25 Wird

Wird uns jeder geliebte Mensch theurer, wenn er vor unsern Augen dulder und siirbt; fühlen wir uns gerührt, erweitert sich unser Herz zu fanftern Gefühlen, werden wir theilnehmender und menschenfreundlicher, wenn wir einen all gemein verehrten Menschen mit dem widrigen Schicksal kämpfen und den Tod leiden sehen: was sollten wir bey den Martern und dem Tode dessen empfinden, der nicht nur heilig, uns schuldig, unbefleckt und von den Sün dern abgesondert, und höher denn der Himmel war; sondern auch von dem reinsten Wohlwollen und der feurigsten Liebe getrieben, für unser ganzes Geschlecht blutete! Sollte ihm das, was er geduldet hat, nicht unsre Herzen auf immer gewinnen? Sollten wir ihn, der uns geliebt, und zwar bis in den Tod geliebt hat, nicht wieder lieben? Und das Feuer seiner großmüthigen, alles umfassen den Liebe sollte nicht auch uns ergreifen, und uns zu herzlichem Wohlwollen gegen alle unfre Brüder erwärmen ? Sollten wir nicht lieben lernen, wie er geliebt hat? Es ist unsre Schuld, M. 3., wenn die Leiden und der Tod Jesu diese groffe Wirkung nicht hervorbringen. Betrachteten wir sie, wie sie nach der Schrift betrachtet werden sollen; fühlten wir die gros fen, mannichfaltigen Verpflichtungen zur Liebe, die in denselben verborgen liegen: wie würde alle Unempfindlichkeit, aller Haß, alle Feinde schaft aus unserm Herzen verschwinden; welches Wohl

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Wohlwollen, welcher Eifer für das Wohl uns. rer Brüder würde sich in uns regen; wie fähig würden wir werden, selbst das Leben für sie zu lassen! Doch euch dieß klar zu machen, euch zu zeigen, welche Verpflichtungen zu herz licher Bruderliebe, und welche Kraft, sie in unserm Herzen zu entflammen, in den Leiden und dem Tod unsers Herrn verborgen liegen, dieß ist es, wozu der Text, welchen ich jezt erklären soll, euch veranlaßt und verbindet. Der Herr sey selbst mit uns und erfülle uns alle mit seinem Sinn. Wir flehen um diese Gnade in stiller Andacht.

Text: 1. Joh. III. v. 16.

Der Zweck des Apostels bey den Worten, die ich euch jezt vorgelesen habe, M. 3., fällt so stark in die Augen, daß er sich unmöglich verkennen läßt. Von der Betrachtung, ̈einen grössern Beweis seiner Liebe habe Chriftus uns nicht geben können, als den, daß er sein Leben für uns gelassen habe, geht der Apostel aus; die Liebe leistet nehmlich alles, was sie leisten kann, wenn sie sich selbst zum Opfer bringt. Aber bey dem blossen Anerken nen, bey der bloffen Bewunderung dieser groß müthigen, aufopfernden Liebe Christi sollen wir es nicht bewenden lassen: daß sie uns Mu fter seyn soll, daß sie uns zu ähnlichen Ans ftrengungen verpflichtet, daß auch wir bereit. feyn müssen, unser Leben für die Brüs

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ber zu lassen, das will der Apostel von uns erwogen und zugestanden wissen. Und wie stark, M. Br., wie dringend ist die Verbind lichkeit, auf welche der Apostel hier hinzeigt. Weit mehr, als man sich anfangs vorstellt, liegt in dem Schlusse verborgen, den er hier macht. Die Liebe, mit welcher der Herr sein Leben für uns gelassen hat, ist eine so groffe und aufferordentliche Erscheinung, fie läßt sich von so mancherley Seiten betrachten, sie hat für uns eine so vielfache Wichtigkeit, daß wir der Verbindlichkeit, fie nachzuahmen und - ́in unserm Wohlwollen gegen die Brüder gleich, falls bis zur Aufopferung zu gehen, unmöge lich ausweichen können. Dieß wollen wir uns jezt klar zu machen suchen, M. 3.; auf wie vielfache Weise die aufopfernde Liebe Christi uns zur edelmüthigsten Brus derliebe verpflichte, wollen wir jezt un tersuchen. Und da dürfen wir denn nur die verschiednen Standpunkte betreten, M. 3., aus welchen die aufopfernde Liebe Chrifti betrach tet werden kann: auf jedem derselben wird uns die Verbindlichkeit, die Brüder zu lieben, wie der Herr uns geliebt hat, von neuem in die Aus gen fallen; der Schluß des Apostels, weit. Christus sein Leben für uns gelassen hat, so follen auch wir es für die Brüs der lassen, wird immer unwiderleglicher wer den und sich mit verstärkter Kraft unserm Herzen aufdringen.

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