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daß Dir die Weiber, fürchte ich, das musterhafte Familien vatersein einigermaßen erschweren werden.

Walter lachte von ganzem Herzen. Der scherzhafte Ton war ihm bei Leo neu. So mußte doch der finstere Dämon, der früher des Knaben Seele gänzlich beherrscht hatte, freundlicheren Genien gewichen sein. Er sagte das auch, und Leo erwiederte:

Wir Deutschen sind doch das sonderbarste Volk von der Welt, von denen wenigstens, die ich gesehen habe. Ich glaube, nur in Deutschland kann es vorkommen, daß zwei Jugendfreunde nach jahrelanger Trennung sich wiederfinden, und bevor sie noch gefragt haben: Wie geht's? erst einmal über ihren beiderseitigen philosophischen Standpunkt in's Reine zu kommen suchen. Wir sind eben unverbesserliche Idealisten, und dann wundern wir uns noch darüber, daß wir es in der realen Welt zu nichts bringen.

Du hast Recht, sagte Walter, aber ich weiß wirklich vor Freude nicht ganz genau, wo mir der Kopf steht. Kann ich mich doch noch immer nicht von dem Erstaunen erholen, Dich hier leibhaftig auf meinem Sopha fißen zu sehen. Bist Du uns doch wie ein Geist entschwunden, und haben wir doch alle diese Jahre hindurch mit Dir nur wie mit einem abgeschiedenen Geiste verkehren können! Uns nicht ein Wort zu senden! Nicht ein Lebenszeichen! Das war grausam, Leo! Jest sollst Du nachholen, was Du versäumt hast; jest sollst Du Alles der Wahrheit gemäß berichten, welcher Menschen Geist und Sinn Du erkundet, welche Leiden zu Wasser und zu Lande Du erduldet hast in Deiner lieben Seele. Aber vorerst wollen wir einmal die Theesachen beseitigen und uns dafür diesen edlen Wein credenzen, den mir der Freiherr auf die Kunde, daß Du heute Abend kämeft, vor ein paar Stunden in's Haus gesendet hat.

Mit diesen Worten langte Walter aus einem Körbchen, das neben dem Sopha gestanden hatte, eine Flasche.

Ah! das ist der Rüdesheimer mit dem gelben Siegel, rief er lustig, indem er die Flasche entkorkte und mit dem

goldigen Weine die Gläser füllte; den kann ich Dir empfehlen. Stoß an, Leo; es lebe

Die Freiheit! sagte Leo.

Von ganzem Herzen, erwiederte Walter; ich wollte eigentlich sagen: die Freundschaft und die Liebe, aber a Jove principium! Ehre, dem Ehre gebührt! Was wäre Freundschaft und Liebe ohne Freiheit ein Helotenbacchanal ein Tanz von Sklaven auf dem Deck des Sklavenschiffes! Es lebe die Freiheit!

Und er leerte mit einem Zuge sein Glas und füllte es

von neuem.

Die Aufmerksamkeit des Freiherrn beweist, daß Ihr noch immer auf dem alten guten Fuße steht, begann Leo, der eben nur an dem Weine genippt hatte; und das nimmt mich einigermaßen Wunder. Du bist, nach Allem, was ich von Dir gehört habe und jezt von Dir selbst höre, ein Ritter vom Geist, und der Ritter von Gottes Gnaden sagen der Freiherr war in seinen besten Tagen ein irrlichterirender Romantiker und muß nach menschlicher Berechnung jezt mit beiden Füßen in dem Sumpf der Reaction stecken.

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Da irrst Du sehr, mein weiser Merlin, erwiederte Walter; der Freiherr ist ein Mensch, wie wir Alle, das heißt: er ist dem Irrthum unterworfen; aber er ist ein viel zu edler Mensch, um sich jemals so weit verirren zu können.

denke, Leo, diese Aufmerksamkeit gilt nicht sowohl mir, als Dir Dir, seinem Schüßling von früherher, an dem er damals das regste Interesse nahm und später zu nehmen nicht aufgehört hat, troßdem er wahrlich wenig Ursache hatte, Deiner mit Freundlichkeit zu gedenken. Seid Ihr nicht als Feinde geschieden? mit den Waffen in der Hand? Und, Leo, ich will nicht untersuchen, auf weffen Seite damals das Unrecht war; ob auf der Seite des Mannes, der sein väterliches Erbe, das Haus, das sein Kind einschloß, mannhaft vertheidigte, oder auf der Seite des Knaben, der die Hand gegen seinen Wohlthäter aufhob. Aber laß das Ver

gangene vergangen sein! Die Fluthen der Revolution find darüber hingerauscht und haben Euch, und vor Allem Dich, der Du noch so jung warest, gewissermaßen entsühnt. Ihr habt am Ende nur gethan, was kaum ein Vierteljahr später allerorten geschah. So sieht der Freiherr auch die Sache an; aber daß er, gerade er, sie so ansieht, sei Dir ein Beweis seines Edelmuthes, seines geraden und gerechten Sinnes. Ja, ich kann noch mehr sagen. Der Freiherr hat die Revolution mit freudiger Seele begrüßt; er ist, wie Du weißt, auf der Stelle hierher übergesiedelt, der Bühne der Ereignisse nahe zu sein, und, wenn der Ruf dazu an ihn erginge, eine thätige Rolle in dem großen Drama zu über nehmen. Ich habe ihn in jenen großen Tagen mit der Begeisterung eines Jünglings die Sache des Volkes vertheidigen hören.

Walter's Stimme bebte, während er so sprach, und so zitterte auch die Hand, mit der er sein Glas an den Mund führte. Um Leo's Lippen spielte ein feines, blizschnell verschwindendes Lächeln.

Und später? fragte er.

Später, fuhr Walter fort, hat sich allerdings seine Begeisterung sehr bald abgekühlt. Er hörte auf, die Prinzessin liebenswerth zu finden, als ihr bei jedem Wort eine Kröte aus dem Munde sprang. Nicht daß er, der vorher Hosiannah gerufen, nun treuziget! freuziget! geschrieen hätte; aber er konnte sich in die neuen, formlosen Formen nicht finden; er hatte nicht die Geduld, die Spreu von dem Weizen zu sondern; verstand nicht die Kunst, den Sinn herauszuhören, während der Unsinn seine Fanfaren von der Plattform seiner Bude schmetterte: und er zog sich - nicht voll Haß, aber doch enttäuscht, ich möchte sagen verwirrt, fassungslos von dem lauten Markte zurück.

Und jest? fragte Leo.

Jezt beklagt er das Unheil, das über uns gekommen ist; fühlt er drückend, wie wir Anderen auch, den Alp der Reaction, der uns die Brust zusammenpreßt; fühlt ihn um Spielhagen, In Reih' und Glied. L

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so drückender, als die Reaction gerade die Form angenom men hat, die ihm die verhaßteste ist, die Form der polizeilichen Willkür, der bureaukratischen Satrapenwirthschaft. Hat er es doch erleben müssen, daß der Mann, in welchem er stets das verabscheute System verkörpert sah, der Landrath von Hey, jezt allmächtiger Minister ist.

Und er ist nie wieder nach Tuchheim zurückgekehrt?

Wenigstens immer nur auf kurze Zeit, und ich kann's ihm auch nicht verdenken, wenn er sich dort nicht mehr wohl fühlt. Er kann jene Nacht nicht vergessen, die der guten alten Zeit, wie er sie verstand, zu Grabe geleuchtet hat. Er glaubte, geliebt zu sein von seinen Untergebenen; er wurde eines Andern belehrt. So mag die neue Zeit ihren Einzug in meine Heimathsberge halten, sprach er; und die neue Zeit ist denn auch gekommen in Gestalt von Schneidemühlen und Eisenhämmern und Maschinenfabriken. Daß sich Gott erbarme! Ich habe unsere alte Waldherrlichkeit nicht wiedergefunden, als ich zum letztenmale im vorigen Sommer den Vater besuchte. Das flappert und hämmert und dampft und raucht vom Morgen bis zum Abend, und selbst in der Nacht schlägt das Feuer mannshoch aus den riesigen Schloten und verscheucht die zarten Geister, die im Mondscheine auf den Wiesen weben.

Waldgeister sind gewiß sehr poetisch, aber stehen nicht in dem Rufe, viel einzubringen. Schneidemühlen und Maschinenfabriken sind rentabler; ich hätte nie geglaubt, daß der Freiherr ein Mann sei, der die Zeichen der Zeit so gut verstände.

Er hat auch hier, wie überall, das Beste der Anderen viel mehr im Auge, als seinen eigenen Vortheil, erwiederte Walter lebhaft. Sonnenstein bewies ihm, daß die Anlegung dieser Werke eine wahre Wohlthat für die ganze Gegend, besonders für die armen Dörfer weiter hinauf in den Wald sein würde. Ohne das wäre der Freiherr niemals auf den Vorschlag des Finanzmannes eingegangen, denn kein Mensch auf der Welt ist weniger als er ein Plusmacher. Ich

glaube, daß er kaum weiß, wie viel ihm die Werke jährlich abwerfen, ich höre ihn nur immer fragen: Wie viel Menschen man beschäftige und ob man wohl noch mehr beschäftigen könne? Manchmal fürchte ich faft, er traut den Rechenmenschen zu sehr, und irgend ein Rückschlag der ge= wagten Speculationen, denen die Firma Sonnenstein und Sohn ihr kolossales Vermögen verdankt, könne auch ihn treffen.

Und Sohn? fragte Leo; hat denn der Patriarch auch einen Sohn? Mir däucht, ich hätte nur immer von einer Tochter gehört?

Eine Tochter und einen Sohn, sagte Walter: ach! und was für einen! Einen kostbaren Sohn, insofern wenigstens, als er, glaube ich, dem Vater ein enormes Geld kostet. Aber wenn es sich der Alte etwas kosten läßt, so hat er auch was dafür. Es ist keine Kleinigkeit, einen Jungen zu besigen, der nur mit Grafen, Baronen, Garde-Lieutenants und Gesandtschafts-Attachés umgeht, der die besten Pferde reitet, die feinsten petits soupers giebt und in dem Rufe steht, in der beau monde und demi-monde die greulichsten Verwüstungen anzurichten. Es ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Du willst die Schwester dieses semitischen Lovelace heis rathen?

Ich? Weshalb?

Weil Du so verzweifelt wißig über den Bruder bist. Walter lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lachte wie ein übermüthiger Schulknabe.

Und doch, rief er, ist dieser Ausbund von Liebenswürdigkeiten, dieser Neuntödter, dieser Blaubart nur eine Copie; und kannst Du denken von wem? - Von unserm, zum wenigsten doch meinem guten Kameraden aus der seligen Schulzeit von Henri.

-

Die junge Natter zischte damals schon ganz erträglich gut, meinte Leo; aber Du hast dem Burschen stets das Wort geredet. Du behauptetest, wie alle Welt, er habe bei

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