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Und Gottlob kann dieser Preis Jedem zu Theil werden, der sich redlich darum müht. Bei den olympischen Spielen wie bei unsern Nationalfesten fallen die Preise jeweilen selbstverständlich nur den Geschicktesten zu, der Friede Gottes wird Jedem zu Theil, der sich bestrebt, reinen Herzens und guten Willens zu sein. Der Ewige läßt die besten seiner Gaben und Segnungen nicht einzelnen Wenigen zukommen; er macht sie auch nicht abhängig von Geld ́und Ansehen, von Bildung und Gelehrsamkeit, er frönt Alle, die recht kämpfen, allen Aufrichtigen läßt es der Herr gelingen.

Darum kämpfe weiter, Menschenkind, kämpfe in guten und bösen Zeiten, im Glück und Unglück, und bitte stets zu deinem Gott:

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Guiteau, der Präsidentenmörder, hat endlich seine Strafe gefunden. Endlich! Man mag nun für oder gegen die Todesstrafe sein, diesmal wird so ziemlich Jedermann ein Gefühl der Befriedigung empfunden haben bei der Nachricht von seinem Tode. Wir auch, aber nicht aus Billigung dieser Strafe. Warum hätte der halbverrückte Mensch nicht ebensogut hinter festem Schloß und Niegel verwahrt und statt durch die langen Verhandlungen und die fortwährende Ungewißheit über das Endurtheil noch unzurechnungsfähiger gemacht, durch richtige Behandlung und Belehrung geheilt und gebessert werden können? Nicht daß die Todesstrafe vollzogen war, sondern daß endlich einmal die Angelegenheit überhaupt zu einem Abschluß gekommen, daß die sich wiederholenden Berichte über den Zustand des Delinquenten endlich einmal schweigen, daß das grausame Spiel mit dem dem Tode Geweihten und das unmenschliche Interesse der halben Welt an dem Benehmen des Sonderlings aufhört, das hat auch dem Gegner der Todesstrafe willkommen sein müssen.

Wir bleiben dabei, die Todesstrafe ist mit allem, was drum und dran hängt, eine Unmenschlichkeit. Das hat sich gerade an dieser langathmigen

Guiteangeschichte gezeigt. Was nüßt eine Exekution in geschlossenem Naum und vor einer auserwählten Zuschauerschaft, wenn ein ganzes Jahr lang der Verbrecher in allen Einzelheiten seines Schicksals, seines Benehmens, seines Charakters in der Presse dem großen Publikum gleichsam zur Betrachtung ausgestellt wird? Hätte man dem Knaben Guiteau nur halb so viel neugieriges Interesse zugewandt, als es jetzt dem Verbrecher zu Theil wurde, er wäre wahrscheinlich nicht geworden, was er wurde.

Es ist auch schon gesagt worden, muß aber stets wiederholt werden: es ist ganz verkehrt, erst den Verbrecher zum Gegenstand allgemeinen Interesses zu machen, den werdenden Menschen aber zu übersehen und zu vernachlässigen. Kaum ist irgendwo ein solcher zur Haft gebracht worden, so beginnt eine detaillirte Untersuchung über die Vergangenheit, die Erziehung, die Lebensschicksale desselben, und die Zeitungen beeilen sich, aller Welt die Resultate dieser Untersuchung mitzutheilen. Mit schaurigem Behagen liest dann die Menge, welcher Art die Eltern und die Großeltern des Angeklagten gewesen, unter welchen Einflüssen derselbe aufgewachsen, ob er „genügende Schulbildung" genossen oder nicht, in welche Gesellschaften er gerathen und wie viel an ihm von Seite der erziehenden Gemeinschaft vernachlässigt worden sei. Man ist gerne bereit, alle diese Momente als begreifliche Ursachen seiner Verwilderung anzuerkennen, aber verlanget vom Staat eine eingehendere Sorge für die aufwachsende Jugend, muthet der öffentlichen Gemeinschaft zu, daß sie nur halb so viel Interesse für den noch nicht zum Verbrecher Gewordenen an den Tag lege sogleich wird von Seite derer, die mit dem Lesen jener Berichte ihrer Humanität Genüge zu thun glauben, lauter Protest erhoben. Das verwahrloste, aber noch erziehungsfähige Kind ist ein Spielball, der gleichgültig hin- und hergeworfen wird, der entwickelte fertige Verbrecher ein Gegenstand höchsten Interesses. Ob jedes Kind des Volkes seine richtige Nahrung und Kleidung habe, ob es an Leib und Seele versorgt sei, das kümmert den Zeitungsphilister wenig, aber wie viele Stunden der zum Tod Verurtheilte geschlafen, ob er mit Appetit sein Henkermahl. verzehrt oder nicht, welche Mienen, welche Bewegungen, welche Aeußerungen an ihm beobachtet worden,

das ist ihm sehr wichtig. Ja nach Vollendung der Exekution besieht er sich gerne noch eine möglichst deutliche Abbildung derselben. Das ist die alte Grausamkeit in moderner Form.

Es versteht sich von selbst, daß damit nichts gegen die Veröffentlichung der Gerichtsverhandlungen gesagt sein soll; aber wenn denn nach vollbrachter That der Nichter so gewissenhaft und eingehend die Ursachen in der Entwicklung des Verbrechers aufsucht und auch in der Regel findet,

so liegt darin eine ungeheure Anklage gegen die Gesellschaft: „Ihr sorgt nicht für eure ganze Jugend; ihr laßt einen großen Theil derselben im Sumpf der Unwissenheit und des Lasters oder unter den rohen Händen herzloser Menschen aufwachsen und nachher, wenn der Verbrecher fertig ist, so straft ihr ihn, als ob ihr alles gethan hättet, was ihr zu thun schuldig waret, und als ob er rein aus eigener Schuld zum Verbrecher geworden wäre." So lange diese Anklage auch nur einigermaßen richtig ist, ist die Todesstrafe eine Ungerechtigkeit; im andern Falle wird man ihrer nicht mehr bedürfen.

Die Erziehung im Kloster.

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Fräulein von Flavigny, einer adeligen Familie der Bretagne entstammend, und später unter dem Namen Daniel Stern als Schriftstellerin berühmt, sagt in ihren „Memoiren" über die Erziehung, welche ihr im Kloster zu Theil wurde es war im Jahr 1821 - Folgendes:

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Von unserem Gewissen, nichts; von unseren fünftigen Pflichten als Frauen und Mütter, nichts; von Naturgeschichte, nichts; die Natur, das ist der Teufel. In der Frömmigkeit, viel Empfindungen, viel Herzensergießungen, welche durch die Bekenntnisse im Beichtstuhl und durch die Thränen am Fuße des Kruzifires, im Fasten und der Enthaltsamkeit hervorgerufen wurden, sowie durch die gößendienerischen Bilder, durch das gefährliche Lesen der brennenden Blätter einer Therese, einer Chantal, eines Liguori, überall eine Bildersprache, die, in unserem damaligen Alter, uns bald in einen schmachtenden Zustand, bald in Entzückung brachte.

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Wenn ich mir diese Zerrüttung der Sinne und Einbildung in's Gedächtniß zurückrufe, unsern mit Fleiß auf falsche Bahnen geleiteten Geschmack, die Jahre, die angewendet wurden, uns das Denken und Wollen abzugewöhnen, uns zu verdummen und uns körperlich und geistig abzuschwächen, so weiß ich nicht, was stärker in mir spricht, die Traurigkeit oder die Entrüstung. Kostbare Zeit, erste Stunden des Lebensmorgens, wo Alles in so reinen Zügen sich eingräbt, welch' ein unersetzliches Unglück, euch so verloren zu haben! O ihr, meine Lehrer, meine Führer, meine guten Geister, die ich zu spät kennen lernte, ihr Lichter, die ihr zu spät meinem Verständniß euch eröffnetet, und nur Spätrosen und eine Ernte voll Unkraut schauen durftet, ihr Geister voll Wahrheit und Leben, Homer, Dante, Shakespeare, Spinoza, Herder, Göthe, ja auch ihr, Bossuet, Pascal, alle mit euerm großartigen, mit männlichen Tugenden genährten Glauben, was wäret ihr nicht für mich gewesen, wenn ich euch früher gefunden hätte, als der Flug meines Geistes noch frei und stolz und meine lebhafte Einbildungskraft noch nicht gelähmt und von den Neßen des Vogelstellers umfangen war!“

Eine liberale Synode im hohen Norden sieht aus wie eine Rose im Schneegestöber, und doch hat sie stattgefunden. Da hat vor einem Jahr ein orthodoxer Pastor als Vorstandsmitglied für innere Mission seinem liberalen Kollegen Harder das Recht abgesprochen, in den Verein für innere Mission einzutreten, weil er die Glaubensgrundlage der Kirche untergrabe" und man folglich auch kein christliches Liebeswerk in Gemeinschaft mit ihm verrichten könne. Der Ausgeschlossene wandte sich an die Propsteisynode von Süddithmarschen und diese hatte wirklich den Muth, mit 40 gegen 17 Stimmen (darunter 12 Pastoren!) dem Klagenden Recht zu geben und die bis in's Gebiet des Armenwesens getragene Unduldsamkeit zu verurtheilen. Es wurde auf dieser Synode gesagt, daß die Samariterin am Jakobsbrunnen auch keine orthodore Frau war und Jesus doch den Wassertrunk von ihr annahm, ja daß Jesus sogar einen Samariter, also in den Augen der Juden einen Keger, als Vorbild christlicher Liebesthätigkeit aller Welt vor Augen gestellt hat. Wir freuen uns über den Spruch dieser Synode und glauben sagen zu dürfen, daß in der Schweiz und sogar in Basel jene paftorliche Unduldsamkeit zu den überwundenen Kinderkrankheiten gehört.

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Gegen den Krieg. In Nr. 8 unseres „Protest.-Bl.“ hat ein Freund den Russen Wereschagin einen Schlachtenmaler von Gottes Gnaden genannt, weil derselbe seine erschütternden Bilder aus dem russisch-türkischen Krieg der Welt zu dem Zweck zeigt, gegen das Kriegführen und seine schönen Menschenschlächtereien Propaganda zu machen. Demselben edlen Zweck kann und wird ein kleines Büchlein von Pfarrer Klein zu Fröschweiler im Elsaß dienen, welchen wir deßhalb unbedenklich einen Volksschriftsteller von Gottes Gnaden nennen. Fröschweiler war am 6. August 1870 von den deutschen und französischen Heerschaaren umzingelt, welche die entscheidende aber mörderische Schlacht von Wörth schlugen. Was Fröschweiler, das zerschoffene, halb niedergebrannte und zum Lazareth gewordene Dörflein an diesem Schicksalstage erfahren, das beschreibt der Ortspfarrer mit einer Anschaulichkeit, die sein Büchlein den allerbesten Chroniken aus dem 30jährigen Krieg würdig an die Seite stellt, man kann es unmöglich lesen, ohne daß es Einem falt und warm über den Rücken fährt und den Ausruf abringt: Gott erlöse uns von dem Uebel der gekrönten und ungekrönten Herren, welche den Krieg machen! Das ist auch der Wunsch des Pfarrers von Fröschweiler, der als geborner Franzose und nun annektirter Deutscher im Büchlein nur den Menschen, den Christen, den edelfühlenden Menschen, den evangelisch glaubenden Christen reden läßt, leidenschaftlich in der Liebe zum Nebenmenschen, ohne Unterschied der Nation und des Glaubens.

Kirchenzeddel Sonntag den 13. August 1882.

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Fünfter Jahrgang.

No 33. Samstag, 19. August 1882.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Qecolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Die religiösen Thatsachen.

Daß eine Religion Thatsachen, Realitäten zu ihrem Inhalt haben muß, daß unsere religiöse Ueberzeugung sich auf etwas Festes, Positives stüßen muß, damit sie Kraft und Trost bieten kann, das wird von Niemand bestritten werden. Bloße Meinungen und Vermuthungen taugen nichts, und wer mit ihnen fechten will, ist wie einer, der mit der Stange im Nebel herumfährt.

Aber welches sind nun diese sichern, unwiderleglichen Thatsachen? Darüber sind die Urtheile in der heutigen Christenheit sehr verschieden, ja das macht gerade die große Kluft aus, welche die Strenggläubigen von den Freisinnigen trennt, den entscheidenden Punkt, um welchen sich der Kampf dreht. Es ist wohl am Plage, diese Verschiedenheit einmal näher in's Auge zu fassen.

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Als die Zuhörer Jesu einst von ihm ein Zeichen vom Himmel for= derten, womit er sich als Gottesgesandter legitimiren solle, sie wollten eine außerhalb der natürlichen Begegnisse stehende, auffällig wunderbare That von ihm - da sprach er das tadelnde Wort: „Wenn ihr nicht Wunder und Zeichen seht, so glaubet ihr nicht!" Man hört aus diesem Worte deutlich den Seufzer der Mißbilligung heraus, daß seine Zeitgenossen, um an seine Worte zu glauben, d. h. um sie mit ihrem Wahrheitsgehalt in Herz und Leben aufzunehmen, etwas in die Augen Fallendes, etwas ungewöhnliches und Uebernatürliches zu schauen begehrten. Er tadelte sie, daß sich die in seinen Worten liegende Wahrheit, die sich doch durch sich selbst bezeugen sollte, durch eine äußere That, die ihrem ganzen Wesen nach unbegreifbar wäre, legitimiren sollte. Aber das war eben der Charakter der damaligen jüdischen Orthodorie: das Wunder muß die Wahrheit beweisen, das Unbegreifliche sollte die Stüße des Begreiflichen sein! Die geistige Wahrheit, die religiöse Wahrheit an sich war ihnen zu gering, zu dünn, zu gewöhnlich, etwas Geheimnißvolles und dem Verständniß Unfaßbares schien ihnen höher, göttlicher und überzeugender.

Diese sinnliche Richtung ist aber ein Erbtheil der ganzen Menschheit. Wir sind so mit allen Fasern unseres Wesens an die Sinnenwelt ge= bunden, wir können uns so wenig von der Scholle, auf der wir geboren sind, emanzipiren, daß wir allezeit gerne das Geistige und Innerliche in

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