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Vorflut zu schaffen; der ihnen Feind geblieben, der einen Fluß verunreinigt oder in einen Fluß gespieen hat 1).

Aus alledem dürfen wir erkennen, daß der Mann aus Tarsus den Standpunkt der Heiden nicht nur wohl versteht, sondern auch gerecht abwägt und treffend beschreibt, wenn er sagt, die Werke des Gesetzes seien in ihren Herzen geschrieben, daneben aber zeuge ihr Gewissen mit den Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen 2). Sie bitten wohl, es werde zerbrochen die Tafel meiner Sünden"; und bei der Lösung des Bannes erklärt der Priester, „die Tafeln seiner Sünden, seiner Uebertretungen, seiner Missetaten, der Bannsprüche und Verwünschungen werden in's Wasser geworfen". Wenn aber das Zerbrechen einer Schuldurkunde gleich einer Quittung war, so müssen wir die obige Bitte und des Priesters Erklärung auf die Vergebung der Sünden beziehen, wie sie in Babylonien begehrt und erteilt wurde, nicht aber, wie fie von Christen begehrt wird. Dabei aber wollen wir nicht vergessen, daß der Bann gleicherweise auf dem Menschen ruht, der seines Bruders Blut vergossen hat, wie auf dem, der in den Fluß gespieen hat, damit wir nicht etwa mit E. Schrader 3) überschätzen das tief empfundene Sündenbewußtsein und die Innigkeit der Religiosität" oder gar zugeben cine enge Verwandtschaft“ der sog. assyrischen Bußpsalmen mit den Ge fängen des biblischen Psalmbuches; denn diese Ueberschätzungen beruhen auf der falschen Voraussetzung, als ob jede Religiosität gleichwertig sei, einerlei ob sie gegenüber dem Einen lebendigen Gott oder gegenüber den toten erdichteten Götzen zur Erweisung kommt, ob sie echt und wahrhaftig oder innerlich hoh! und leer ist.

Die häufigsten Verfehlungen bleiben die Uebertretungen der Vorschriften, die den Gottesdienst betreffen, Ungehorsam gegen priesterliche Gebote, Unterlassung von Geboten, von Opfern an den Tempel, von Gaben an den Priester. Doch vermeint man einen tiefer denkenden und fühlenden Geist aus den Vorschriften zu vernehmen, die A. Jeremias mitteilt *):

Zu deinem Gott sollst du ein Herz der (Ehrfurcht) haben Das ist es, was der Gottheit zukommt. Beten, flehen, Niederwerfung des Angesichts sollst du ihm frühmorgens darbringen und überschüssig sollst du es (über Tag) machen. Bei deinem Lernen sich auf die Tafel. Gottesfurcht gebiert Gnade, Opfer verwahrt das Leben, und Gebet (tilgt) die Sünde. Dem, der die Götter fürchtet, entgeht nicht (der Lohn). Wer die Ununaki fürchtet, verlängert (sein Leben). Gegen Freund und Genossen rede nichts (schlechtes). Niedriges rede nicht, Freundlichkeit (verweise). Wenn du versprichst, so gib (auch, was du du versprochen hast)."

Daß hier die Erwähnung einer Tafel, von der man lernen soll, besonders wichtig sei, kann ich trotz der bez. Behauptung von A. Jere

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mias nicht finden, es sei denn, daß diese Tafel eine Art Beichtspiegel enthalten habe. Daneben ist daran zu erinnern, daß alle Schüler von Tafeln lernen mußten, auf die sie selbst oder ihre Lehrer die Lektion aufgezeichnet hatten. Man schrieb auf Tafeln in Schulen und im täglichen Verkehr. Lieber hätte uns A. Jeremias etwas von dem Bann sagen sollen: wen er traf, wer ihn aussprach, was für folgen er hatte, wie er gelöst werden konnte 1)?

Am meisten Aufschluß über das innere Leben des Babyloniers sollte man billig von den Gebeten oder Klagliedern erwarten, denen man mit unrecht den Namen „Bußpsalm" beigelegt hat, um auch hier eine Parallele mit der hl. Schrift zu gewinnen. Man sollte diesen Vergleich nicht allein wegen des gänzlich verschiedenen Inhalts, sondern auch wegen des Namens aufgeben. Diese babylonisch-assyrischen Lieder sind und heißen gar nicht Bußpsalmen, sondern figu d. i. Heulen, ersebkumal oder Klaglied, takkaltu oder Trauergesang. Von Reu und Leid über die gegen Gott und seine heiligen Gebote begangene Sünde ist nirgends in ihnen die Rede, und dieses verstehn wir heute doch unter Buße.

Lénormant hält dafür, daß diese Klaglieder erst nach der Zeit entstanden seien, als die Nordsemiten bereits in Babylonien eingewandert waren. Andre Gelehrte halten sie für älter. Es leiden aber diese Klaglieder außer andern Gebrechen an dem Hauptfehler aller heidnischen Gebete, den der Herr seinen Jüngern zur Warnung vorhält 2): „Sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen." Dies Urteil zu begründen, möge eine Anzahl von solchen Gebeten oder Liedern hier folgen.

„Was meinem Gott ein Greuel, das habe ich unwissentlich gegessen. Was meiner Göttin ein Abscheu, darauf habe ich unwissentlich getreten. Herr, meiner Sünden sind viel, groß sind meine Missetaten. O mein Gott, meiner Sünden find viel, groß sind meine Missetaten. Bekannter unbekannter Gott, meiner Sünden find viel, groß sind meine Missetaten. Bekannte unbekannte Göttin, meiner Sünden find viel, groß sind meine Missetaten. Die Sünde, die ich begangen, kenne ich nicht. Das Vergehn, das ich verübt, kenne ich nicht. Den Greuel (tabu), den ich_gegessen, kenne ich nicht. Das Abscheuliche, darauf ich getreten, kenne ich nicht. Der Herr hat im Zorn seines Herzens mich feindlich getroffen. Die Göttin hat wider mich gezürnt, mich einem Kranken gleich gemacht. Der bekannte unbekannte Gott hat mich bedrängt, die bekannte unbekannte Göttin hat mir Schmerz angetan. Ich suchte nach Hilfe, aber niemand faßte mich bei der Hand. Ich weinte, aber niemand kam an meine Seite. Ich stoße Schreie aus, aber niemand hört auf mich. Ich_bin voll Schmerz, überwältigt blicke ich nicht auf. Zu meinem barmherzigen Gott wende ich mich und flehe laut. Die Füße meiner Göttin küsse ich, rühre sie an3).“

Wenn je die Finsternis und Trostlosigkeit des Heidentums, auch des gebildeten, einen beredten Ausdruck gefunden hat, so ist er in diesem Klagelied enthalten. Die Sünde ist bekannt und unbekannt, der Gott und

1) Wer einen Gebannten nur berührte, galt für unrein.

2) Matth. 6, 7.

3) Nach Urquhart und A. Jeremias, U. T. O., S. 107.

die Göttin sind bekannt und unbekannt; aber ihr Zorn und feindschaft brennen im Herzen des Menschen, und doch ist niemand da, der Trost und Rettung bringt, der die drückenden Folgen der Sünde aufhebt. Denn diese Folgen der Sünde, die zeitlichen Strafen, treiben den fündigen Menschen in's Gebet. Ein andres Gebet lautet:

„O Herr, stürze nicht deinen Knecht. In das Wasser des Schlammes geworfen, fasse ihn bei der Hand. Die Sünde, die ich begangen, wandle in gutes. Den frevel, den ich verübt, führe der Wind fort. Meine vielen Schlechtigkeiten zerreiße wie ein Kleid. Mein Gott, sind meiner Sünden auch sieben mal sieben, so löse meine Sünden. Bekannter unbekannter Gott, find meine Sünden auch sieben mal fieben, so löse meine Sünden. Bekannte unbekannte Göttin, sind meiner Sün den auch sieben mal sieben, so löse meine Sünde 1).“

Dies Gebet muß doch gewiß aus der Tiefe kommen? Aber neben dem lebhaften Sündenschmerz und dem innigen Verlangen nach Vergebung steht immer das bedauernswerte Bild des törichten Menschen, dem es weh tut, daß er etwas verbotenes gegessen oder auf einen Greuel getreten hat, auch seine Götter bald als bekannt bald als unbekannt behandelt. Beachtenswert ist noch, daß hier gar nicht der sühnenden Kraft des Opfers gedacht wird. Wir sehen wieder, daß keine Mythologie die Götter dem Menschen nahe bringen oder vertraut machen kann. Das muß die bedrängte Seele zu ihrem Schaden erfahren. Sie wird in ihrer Not nicht getröstet, sondern im stich gelassen. Sie ruft Baal, erhöre uns", aber da ist keine Stimme noch Antwort 2). Welch eine Anklage gegen die trügerischen Priester.

Aber dieses Klagelied, sagt ein Gelehrter, enthält etwas „Babylonisches im N. T." Wie Petrus ) fragt, ob siebenmal vergeben genug sei, antwortet der Herr doch nicht ganz babylonisch, sieben mal sieben, sondern verstärkt den Ausdruck, der bei den Hebräern vermutlich ebenso altist wie bei den Babyloniern, zu „siebzig mal sieben mal". Ein drittes Gebet:

„Daß meines Herrn Herzenszorn sich besänftige, daß der mir unbekannte Gott sich besänftige. Daß die mir unbekannte Göttin sich besänftige. Bekannter und unbekannter Gott sich besänftige. Daß meines Gottes Herz sich besänftige. Daß meiner Göttin Herz sich besänftige. Bekannter und unbekannter Gott und Göttin sich besänftige. Der Gott, der mir zürnte, möge sich besänftigen. Die Göttin, die mir zürnte, möge sich besänftigen. Die Sünde, die ich begangen, kenne ich nicht. Die Missetat die ich begangen, kenne ich nicht. Den Groll, den ich hinuntergewürgt, kenne ich nicht. Den Fehltritt, den ich getreten, weiß ich nicht."

Dieselbe Finsternis und Troftlosigkeit, wie in den vorigen Liedern, derselbe abergläubische Dienst des Buchstabens, wie Kaspari) richtig sagt; denn es sind nur Buchstaben, aber keine sinnreichen Worte, die Gebete dieser Art.

1) Wie bei 3 auf S. 262.

2) 1. Kön. 18, 26.

3) Matth. 18, 21.

4) A. a. O., S. 24/430.

Wie einer, der seines Herrn vergaß, der den hohen Namen seines Gottes leichtsinig aussprach, erschien ich. Ich selbst aber dachte nur an Gebet und Flehen. Gebet war meine Regel, Opfer meine Ordnung. Der Tag der Verehrung meines Gottes war meine Herzenslust. Der Tag der Nachfolge meiner Göttin war mir Gewinn und Reichtum. Gebet eines Königs, das war meine freude, und Gesang eines solchen, das war mir angenehm. Ich lehrte mein Land den Namen Gottes bewahren, den Namen der Göttin zu verherrlichen unterwies ich mein Volk 1).“

Dies nur ein Teil des Gebetes, das später vollständig mitgeteilt wird. Hier haben wir kein Klagelied vor uns, sondern wahrscheinlich das Gebet eines babylonischen Königs der ältesten Zeit, wo noch eine Erinnerung an die heiligen Gebote Gottes vorhanden war. Darauf weist sogleich der Anfang hin. Dann freilich folgt ein Selbstlob auf das andere; doch will der hochgestellte Herr seinem Volk die Religion erhalten, und das ist bis heute etwas Großes.

„Der Herr, dessen Herz droben nicht beruhigt ist, dessen Herz drunten sich nicht besänftigt, droben und drunten keine Ruhe findet, der mich gebeugt, der mich ver nichtet hat, der in meine Hand einen fluch gelegt, der in meinen Leib furcht gelegt, der die Lider meiner Augen mit Tränen erfüllt hat, der mein Herz mit Jammer erfüllt hat, ein reines Herz will ich zu beruhigen suchen, sein Herz möge besänftigt wieder ruhen."

Es ist den heidnischen Vorstellungen ganz angemessen, daß alle Ge mütsbewegungen des leidenden Menschen in seinen Gott hineingelegt werden, der keine Ruhe hat, bis er den Menschen mit fluch, furcht, Jammer, Not und allem Elend belegt und in den Staub gedrückt hat.

„Der Herr, das erhabene Oberhaupt des Gottes Atar, möge mein Flehen dir verkünden. Die Verkünderin, die Herrin von Nippur 2), möge mein flehen dir ver künden. Der Gott, der Herr Himmels und der Erde, der Herr von Uruzibba”), möge mein Flehen dir verkünden. Die Mutter des großen Heeres, die Damgalnuna), möge mein Flehen dir verkünden. Der Gott Marduk, der Herr von Tintir), möge mein flehen dir verkünden. Egia, der Erstgeborene des Gottes Jb), möge mein flehen dir verkünden. Der Gott Martu), der Herr von Charsavva, möge mein Flehen dir verkünden. Die Göttin Gubara), die Herrin von Guęddina, möge mein Flehen dir verkünden )“ u. s. w.

Ein ganzes Heer von Fürbittern wird aufgeboten, aber wir erfahren nicht, bei wem sie Fürbitte einlegen sollen, und was der eifrige Beter be gehrt. Das ist nach Caspari) ein Versuch, aus dem Polytheismus einen praktischen Nutzen zu ziehen, wie in den Beschwörungen die Götter gegen die Dämonen ausgespielt werden. Bei der einen Instanz hat sich der Beter die Sünde zugezogen, die andre ruft er gegen die folgen auf.

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Er scheint es für möglich zu halten, über den Zorn eines Gottes mit Hilfe eines andern heil hinwegzukommen, ohne diesen zu versöhnen. Dermutlich bietet er den mächtigeren zur Hilfe gegen den schwächeren auf. Solche Ansähe, in die Ratsversammlung der Götter puhur ilani, wo die Schicksale festgesetzt wurden, einen Keil zu treiben, konnten sich auf Präzedenzfälle in den Mythen berufen. Jedenfalls mußte diese also gerechtfertigte Handlungsweise die Religion verwüsten.

Wenn es einmal in solch einem Gebet heißt, Gott möge vergeben, wie Vater und Mutter vergeben, so erinnert dieses Wort, wenn es kein bloßes Dichterwort sein soll, als ein letzter Rest an den uralten Glaubensschatz der Voreltern, die den lebendigen Gott als den Vater aller Menschen kannten und liebten und ehrten.

Oder es wird erinnert, daß bei Beschwörungen wie bei Klageliedern die beleidigte Gottheit als eine unbekannte erscheint. Die Namenlosigkeit aber führte von den einzelnen Göttern hinweg, brachte, wie Jastow meint, die Schar der Götter unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt, die Leitung der menschlichen Schicksale. Aber damit ist doch nicht der geringste Zug von wirklichem Monotheismus in Babel entdeckt; denn ein persönlicher Gott wird nie und nirgend durch menschliches Nachdenken gefunden, sondern nur durch Offenbarung kund gemacht 1).

fr. Hommel) will solchen monotheistischen Zug bei den alten Babyloniern dem neu eingewanderten Volk der Semiten zuschreiben ; aber wenn diese zur Zeit der Abfaffung solcher Gebete erst kürzlich eingewandert waren, so konnten sie schwerlich schon Einfluß in religiösen Dingen ausüben, zumal diese Einwanderung, wie bereits einmal bemerkt wurde, höchst wahrscheinlich nicht friedlicher Natur war; sondern die semitischen Nomaden bezwangen die Ackerbauer mit ihrem guten Schwert und starken Arm. Sodann ist zu erwägen, daß diese Semiten selbst nur zur Minderzahl, vielleicht recht kleinen Minderzahl, noch an dem Einen lebendigen Gott festhielten.

Noch könnte jemand annehmen, hier sei der Einfluß des nach Babylon verbannten jüdischen Volkes zu spüren. Diese Annahme zu begründen, müßte der Nachweis vorher gehn, daß solcher Art Lieder dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert angehörten; und daß das jüdische Volk, das in seiner Verbannung den Gott, den es vorher schnöde verlaffen hatte, nun aber wieder suchte und fand und ehrlich bekannte, der babylonischen Literatur auf irgend einem Wege nahe getreten sei, wovon wir bis heute nichts wissen. Eine Ausnahme hiervon macht vielleicht ein Gebet des Königs Nebukadnezar, das an Marduk gerichtet und möglicherweise von einem jüdischen Schreiber abgefaßt ist. Es lautet:

„Marduk, Herr, Fürst der Götter, trefflicher fürst! Du hast mich geschaffen, die Herrschaft über die Scharen der Menschheit mir anvertraut. Wie mein kostbares

1) Kaspari a. a. M., S. 74 2c. Matth. 11, 25.

2) Sem. D. u. Spr. I, S. 316.

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