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Die Sache hat in der That zwei Seiten. Wenn wir eines oder das andere von seinen Hofdichtungen Operetten, Maskenzügen lesen, wenn wir später sehen, wie ihn sogar die Lorbeeren eines Schikaneder nicht ruhen ließen und zu einer Fortsegung der „Zauberflöte" bestimmten, wenn wir bedenken, in welch' kleinlicher Weise er im „Großkophta“, dem „Bürgergeneral," den „Aufgeregten“ die Vorzeichen, die Symptome, ja das Wesen der Revolution selbst auffaßte und behandelte: dann überkommt uns ein sehr begreiflicher Aerger, dann möchten wir glauben, daß der Dichter von Anfang an ganz in dem Intendanten der Hofbeluftigungen aufging, daß weiterhin sogar der Geheimrath sich zu dem Nebengeschäft herbeiließ, die Weimarer Ministerialstandpunkte gegenüber den großen Zeitfragen gelegentlich zu dramatisiren und in Scene zu sehen. Dann scheint es fast, als ob Göthe das hohe Gefühl seines Berufs, das richtige Verständniß der Welt, den freien Schwung seiner poetischen Auffassung mit der Erlangung seiner vornehmen Stellung eingebüßt, nur auf Kosten seines Genies Carriere gemacht hätte

Doch wir brauchen wieder nur „Iphigenia," "Egmont," „Tasso,“ „Hermann und Dorothea“ zur Hand zu nehmen, um dem größten der deutschen Dichter beschämt das Unrecht abzubitten, das wir ihm mit solchen voreiligen Beschuldigungen angethan. Dann sehen wir, welch' ein köstlicher Kern langsam in seinem Inneren reifte, während er sich nach Außen zu zersplittern, den Schaß seines Talentes mit muthwilligen Händen zum Fenster hinauszuwerfen schien. Dann finden wir,

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daß er der Nation doch nicht so viel zu jener Zeit entzog, als er sich von ihr scheinbar ganz abwendete. Wer war auch damals dieser Gläubiger: die Nation genannt, die den Dichter wegen saumseligen Producirens, wegen poetischer Kammerherrendienste 2c. hätte belangen sollen? Er war überhaupt noch gar nicht da! Erst unsere Dichter haben dem deutschen Volke die höhere, geistige Eristenz gegeben, haben sich selbst diesen Gläubiger geschaffen und ihn fordern gelehrt bis die Späteren gar nicht mehr wußten, was und wie viel sie überhaupt fordern durften.

Daß Göthe's höchstes Streben bei allen Störungen und Ablenkungen von Außen stets auf die harmonische Entwicklung seiner Individualität, auf die Steigerung sowohl, wie auf die Ausgleichung seiner Kräfte gerichtet war, darüber kann weiter kein Zweifel erhoben werden. Wie bunt es auch um ihn herging, sein Ziel ging unablässig dahin, Herr über sich zu werden, „alle Fasern seiner Eristenz durchbeizen zu lassen“, so sauer ihm auch oft, wie er selbst offen eingesteht, dieses Leben ward. Fürwahr- theuer genug fam ihm das kleine Stück Gartengrund zu stehen, in dem er seine edelsten Schöpfungen pflanzte doch diesen gegenüber können wir vergessen, welch' kleinliche Servitute sich sonst daran knüpften.

Gegenüber dem Productionsreichthum der Gögund Wertherperiode (1771-75) fällt allerdings die abgerissene und fragmentarische Thätigkeit des Dichters im jenem Zeitraume auf, der zwischen die Uebersiedelung nach Weimar (7. Nov. 1775) und die italienische

Reise (1786--88) fällt. Außer den Werken, die wir besprochen oder doch berührt haben, wurzelt ja auch der "Faust" wesentlich in der Jugendzeit des Dichters; was Göthe davon am 16. Juli 1780 den Herzogen von Weimar und Gotha, und des legteren Bruder, dem Prinzen August vorlas, stammte noch aus Frankfurt her und blieb unverändert bis zur italienischen Reise. Ebenso war auch Egmont kurz vor der Abreise nach Weimar bereits begonnen; die weitere Arbeit daran schleicht mit Unterbrechungen und Hindernissen langsam dahin, bis sie endlich, gleichfalls in Italien, zum Abschluß gelangt. Den ersten 10 Jahren in Weimar gehören von den größeren Sachen nur an: die Anfänge zum Wilhelm Meister, dessen früheste Erwähnung in das Jahr 1777 fällt, die Iphigenia in Prosa die am 14. Februar 1779 begonnen und schon am 6. April desselben Jahres am Hofe der Herzogin-Mutter Amalie gespielt wurde*), dann der erste Prosa-Entwurf zum Tasso (April bis Juni 1780), welchen aber außer der Frau von Stein und Knebel niemand gesehen zu haben scheint, und der später dem Dichter selbst so unglücklich gerathen erschien, daß, wie er sagt, was dastand, zu nichts zu gebrauchen war.

*) Den Leser dürfte die Beseßung dieser ersten Aufführung der 3phigenia" intereffiren. Sie war folgende:

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Der neue, künstlerische Gehalt war bereits in der Seele des Dichters herangewachsen, noch fehlte ihm aber die helle Klarheit und Bestimmtheit der künstlerischen Form und zu dieser sollte er in Italien gelangen. Dorthin drängte es ihn jegt mit allen Kräften seiner Seele. Die Anregungen, die ihm früher die Natur, das Leben und die Liebe in quellendem Reichthum geboten, mußte ihm jezt die Kunst entgegenbringen, die allheilende und verjüngende nachdem ihn das Leben eingeschränkt, beklemmt und in ein Gespinnst von Sorge und leerer Geschäftigkeit hinabgezogen. Während er sich mit Selbstverleugnung in trockene Arbeiten aller Art stürzte und sich ein Stück des Weimarer Reichs" nach dem anderen wie auf einem Spaziergange übertragen und aufbürden ließ da war ganz in der Stille jener reine, edle Kern in ihm gereift, der nun alle fremdartigen Schalen mit mächtigem, unwiderstehlichem Drange abstieß. Je prosaischer jene äußeren Beschäftigungen wurden, desto reiner und schärfer schied sich in seinem Inneren die Poesie von der Prosa des Lebens, desto mehr durchläuterte sich in ihm das ideale Element der Dichtung und machte sich von all' den naturalistischen Schlacken frei, die ihr früher noch anhingen. Schon jene erste Gestalt der „Iphigenia," die er mitten unter Protokollen und Acten, mit Straßenbesichtigung und Rekrutenaushebung (!) beschäftigt, dichtete, konnte ihm ein deutlicher Beweis sein, wie sehr sein Gott ihn im Geheimen gesegnet; aber dieser Segen mußte gehegt und gepflegt, er mußte dankbar festge

halten werden, damit er in dem Stoßen, Schieben. und Drängen von Außen nicht wieder verloren gehe. Nachdem der Dichter einmal die reine Opferflamme auf dem Altare der Schönheit und Kunst angezündet, da galt es, die Götter, denen er nur in der Ferne geopfert, mit eigenen Augen, in beseligender Nähe zu schauen, ihren Anblick für immer in die erweiterte Seele zu prägen.

In Florenz, in Rom, in Neapel tritt uns Göthe als ein völlig Anderer entgegen, wie damals, da er in Straßburg, in Frankfurt noch in der Mitte des jungen Deutschland der 70ger Jahre stand. Nicht dies war seine Aufgabe, das Streben der Sturm- und Drangperiode gänzlich zu verneinen, nur es zu corrigiren und in's rechte Vett zu leiten; aber in Italien gab er sich sehr die Miene, als ob er den Drang seiner Jugend nicht mehr vertreten, die tiefe Wahrheit in all' jenen reizenden Irrthümern gar nicht weiter gelten lassen und anerkennen wolle. Selbst das, was ihn früher in der Kunst anregte und erfreute, wurde nun negirt und zurückgewiesen; die Gothik erschien ihm jezt selbst wie ein gährender Sturm- und Dranggeschmack in der Baukunst; Vitruv und Palladio wurden neben Homer seine neuen Lehrer, Meister Erwin und Hans Sachs fanden keinen Plag unter den vornehmeren Schatten, die sich zu vertrautem Gespräch aus dem Pantheon, aus dem Kolosseum an den Dichter herandrängten. Nur Faust, der ernste, nordische Zauberer, behauptete sich allein neben diesen formbellen, classischen Eindrücken; während Iphigenia ihren Opfer

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