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die fast allzu scharfe Kritik, das kleinliche Sondiren und Sichten, das peinliche Aufsuchen von Fehlern, das feine Wägen und Messen, als über stehende Floskeln und gesalbte Redensarten. Er durfte es bedauern, daß in unseren Tagen die Missionsberichte zu wenig von der Freude über die Rettung der Menschenseelen, zu wenig von der alles hoffenden und glaubenden Liebe merken lassen, dürfte dagegen nur selten auf überspannte Hoffnungen oder übertreibende Schilderungen stoßen. Auch in dieser Hinsicht sind wir durch den Schmelzofen der Kritik gegangen, in welchem die Schlacken gehörig ausgesondert worden sind". Wer dieser Versicherung eines der gründlichsten Kenner der damaligen Missionsliteratur1) nicht aufs Wort glauben will, der befrage die Aften des vor ungefähr 10 Jahren zwischen dem Bernischen Pfr. Langhans als Angreifer, und zwischen Dr. Gundert als Vertheidiger des persönlichen Charakters und der Wirksamkeit der Missionare geführten Streit8,2) oder der vergegenwärtige sich die in den bisherigen Jahrgängen dieser Zeitschrift enthaltenen missionsstatistischen Uebersichten von Dr. Grundemann, die doch wohl den strengsten Anforderungen in Bezug auf objective Haltung und kritische Unparteilichkeit und Akribie genügen dürften. Die evangelischen Missionsgesellschaften bethätigen in eingehender Darlegung ihrer Verhältnisse nach der Licht wie Schattenseite eine Unbefangenheit und Offenheit, wie sie nur irgend gewünscht werden mag. Für die etwaigen vereinzelten Ausnahmen von dieser durch Joh. 3, 21; Eph. 5, 13; I. Thess. 5, 5 2c. vorgezeichneten und seitens der Vertreter des Missionswerks im Großen und Ganzen gewissenhaft befolgten Regel kann die evangelische Mission als solche un möglich verantwortlich gemacht werden. Uebertragung des auf solche einzelne Ausnahmefälle bezüglichen verwerfenden Urtheils auf das Ganze der Missionssache darf schwerlich als ehrliches Spiel oder als auch nur den Schein der Gerechtigkeit wahrendes Verfahren bezeichnet werden.

Die hauptsächlich am Beispiel der Lord Elginschen „Südsee-Blasen“ von uns veranschaulichte Taktik der modernen Missionsfeinde, überall heuchlerisches Treiben, Verstellung, Verheimlichung ungünstig liegender Thatbestände u. dgl. auf Seiten der Missionare und ihrer Freunde nachzuweisen

1) Dr. Kalkar: Die Mission, ihre Stellung und Aufgabe in der Gegenwart (im „Allgem. liter. Anzeiger" 1873, I, 181).

2) Vgl. die bekannte Schmähschrift von Langhans: Pietismus und Christenthum im Spiegel der äußeren Mission“ (1864) und die darauf bezüglichen krit. Auffäße von Dr. Gundert: „Die Mission vor dem Richterstuhle der Immanenz," im Ev. Miss.Magazin 1865, S. 14 ff.

oder wenigstens zu muthmaaßen, legt es nahe, die gleiche Angriffswaffe einmal wider jene Gegner zu kehren und demgemäß die Frage aufzuwerfen : ob wohl in deren eigenem Heerlager ein durchweg offenes und ehrliches, vom Vorwurfe unsittlicher Simulation unbedingt freizusprechendes Verfahren gäng und gebe sei? Wir verwahren uns von vornherein ausdrücklich dagegen, als ob wir hiemit auf die Aufstellung allgemein lautender, den missionsfeindlichen Standpunkt als principiell und nothwendigerweise an das Umgehen mit Heuchelei und Lüge gewöhnt darstellender Beschuldigungen ausgehen wollten. Es ist nur eine bestimmte Classe missionsfeindlicher Schriftsteller, freilich eine vorzugsweise angesehene und einflußreiche, gegen die wir unsre Anklage zu richten haben.') Eine nicht geringe Anzahl neuerer Reisender und Reiseschriftsteller, in deren Werken gelegentliche Angriffe auf den Charakter und die Wirksamkeit von Missionaren, mit denen sie hier oder da in Berührung gekommen, eine ziemlich hervortretende Rolle spielen, pflegen gleichzeitig mit aller Offenheit für den Grundsag einzutreten, daß eine gewisse Simulation gegenüber Fanatikern des Islam oder auch andrer Religionen in den von ihnen bereisten Ländern als ein durchaus erlaubtes, unverfängliches Mittel zur Sicherstellung ihrer Person, ihrer Reiseunternehmungen und wissenschaftlichen Zwecke zu gelten habe. In einigen Fällen hält der Eifer, womit für diesen Grundsaß plaidirt wird, ungefähr gleichen Schritt mit der Heftigkeit, mit welcher andrerseits wider einzelne christliche Missionare oder auch wider deren Gesammtheit losgezogen wird. In anderen Fällen tritt die Polemik nach dieser Seite hin mehr zurück, wird dagegen für die Berechtigung jener Simulationspraxis mit einer Angelegentlichkeit eingetreten, die in der That einer besseren Sache werth zu nennen wäre.

Im Falle von Reisen unter wilderen Naturvölkern der alten oder der neuen Welt nimmt das betr. Verfahren begreiflicherweise die Gestalt einer Verleugnung des christlich-sittlichen Charakters seitens des Reisenden oder einer Accomodation desselben an die wilden Sitten und Gebräuche seiner Umgebung an. Der Reisende wird, um sein Leben zu erhalten und seine wissenschaftlichen Unternehmungen zu fördern, ein Wilder unter den Wilden; er „heult mit den Wölfen“, in deren Mitte er sich begeben hat. Wohl das bekannteste Beispiel dieser Art aus neuester Zeit ist das des Brasilienreisenden K. Ferd. Appun aus Schlesien, des Verfassers

1) Es gehörte hierher auch die in gewissen Schriften und Zeitschri.ten fast durchgehends befolgte Methode: die Mission entweder vollständig zu ignoriren selbst unter solchen Völkern, bei denen sie eine wesentliche Veränderung bewirkt hat, oder nur Gehässiges über sie mitzutheilen. D. H.

des fesselnd geschriebenen und mit prächtigen Illustrationen ausgestatteten Reisewerks Unter den Tropen" (2 Bde., Jena 1871 f.), worin neben glänzenden Naturschilderungen auch merkwürdige persönliche Erlebnisse und Abenteuer des fast ein volles Vierteljahrhundert (1849-1872) im Stromgebiet des Orinoko, im Guayana und Nordbrasilien umhergewanderten Zoologen und Malers mitgetheilt werden. Während seines jahrelangen Verweilen unter den Indianerstämmen dieser Gegenden, den Guaraunos, Matuschis, Wapischiannas, Arekunas 2c. bequemt derselbe sich der Lebensweise dieser Völker möglichst vollständig an, unter Adoptirung nicht bloß der harmloseren, mit dem sittlichen Verhalten des Europäers und Christen allenfalls zu vereinbarenden Sitten und Gebräuche. Er feiert die mit wilden Excessen verbundnen Trinkfeste der Indianer, z. B. das Paiwari Trinkfest mit, nimmt wenigstens als Zuschauer oft und gern an deren üppigen Tänzen Theil und hat nichts dagegen, daß sein Reisebegleiter, ein leichtlebiger Franzose (S. . . . aus Paris) sich auch öfters activ an den selben betheiligte, indem er den Wilden einen ächten Pariser Cancan vortanzt! Er führt galante Liebesabenteuer mit indianischen Schönheiten auf, läßt sich z. B. die bunten Verzierungen, die er ihnen indianischer Sitte gemäß auf die Stirne, die Wangen oder andre Körpertheile malt, mit Küssen in entsprechender Zahl bezahlen. Während des dreitägigen Besuchs bei Don Franzisco, dem Häuptlinge oder „König“ einer Abtheilung der Guaraunos, durchleben er und sein französischer Freund mit den beiden Töchtern dieses ihres Wirthes „einen completen Liebesroman in 3 Bänden, wovon jeder Tag einen Band bildete, der dritte Band jedoch nicht mit einer Heirath, sondern nur mit einem sehr zärtlichen Abschied endigte".") Ja ein andres Mal fügt er sich geradezu der Sitte des betr. Stammes, indem er für die Dauer seines Verweilens bei demselben eine junge Indianerin, die schönste unter den ihm dargebotenen, heirathet, also das Verfahren der mehrere Jahrzehnte früher in denselben Gegenden reisenden beiden Schomburgk, oder andrer Reisender, die bei andren Völkern dergleichen unfreiwillige Ehen auf vorübergehende Zeit einzugehen genöthigt wurden (wie z. B. auch der englische Kaufmann Cooper bei seiner Reise durch das füdl. Tübet um d. 3. 1870) befolgt. Dieser in der Wahrung seines christlich-sittlichen Charakters so wenig kritisch zu Werke gehende Reisende verhält sich doch in seiner Beurtheilung der Bestrebungen und Leistungen christlicher Missionare fast mehr als kritisch. Er leugnet, daß irgendwelche wirkliche Erfolge den Arbeiten der evangelischen Glaubens

1) „Unter den Guaraunos-Indianern“ („Ausland," 1869, S. 205).

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boten in Britisch-Guayana zu Theil geworden seien; die anderslautenden Angaben derselben erklärt er für dem wahren Sachverhalte nicht entsprechend, also für entweder auf Selbsttäuschung oder auf tendenziöser Fiction beruhend. Es ist den Indianern nie eine ernste Sache mit ihrer Bekehrung zum Christenthum", meint er:') sie findet bei ihnen hauptsächlich nur deßhalb statt, um gewisse Vortheile dadurch zu erlangen, mögen auch die Missionare dieß nicht zugeben und behaupten, daß der Uebertritt zum Christenthum beim Indianer aus reiner Ueberzeugung und wahrer Religionsliebe geschehe." Ein andresmal erklärt er geradezu und kurzweg die von der Mission unberührt gebliebenen Stämme für die unverdorbneren, die unter dem Einflusse der Missionare stehenden für die lasterhafteren, u. s. f. Eigenthümlich ist, daß dieser Schriftsteller durch Selbstmord aus der Welt gegangen sein soll, und zwar, wie wenigstens ein Theil der darauf bezüglichen Angaben lautet, weil er, um den Qualen eines martervollen Todes zu entgehen, welchen ihm seine indianischen Gefährten zugedacht, Gift nahm und zwei Tage darauf (Ende Juni 1872) starb“.2) Die hievon abweichenden Angaben Andrer lassen seinen Tod durch eine Unvorsichtigkeit herbeigeführt werden, kraft deren er sich mit der Schwefelsäure oder sonst einem Gifte, das er beständig aus Furcht vor einem möglichen Tode am Marterpfahl der Indianer bei sich führte, unfreiwilligerweise vergiftet hätte. Auf jeden Fall scheint er also nicht bloß im Punkte jener auffallend weitgehenden Anbequemung an die Sitten der Wilden, sondern auch sonst einen Mangel an sittlichem Muthe bethätigt zu haben, der zu der Gesinnung ächter Christen aus alter wie neuerer Zeit einen bemerkenswerthen Contrast ergiebt.

Ohne auf so manche, dem hier Angeführten analoge Fälle aus der Geschichte andrer Pioniere der europäischen Cultur in verschiednen Theilen der neuen Welt (namentlich Oceaniens) näher einzugehen, begnügen wir uns, auch was Afrika, den neuerdings vorzugsweise eifrig bereisten und erforschten Erdtheil der alten Welt betrifft, mit einer bloß beiläufigen Hinweisung auf eine besondre Art von Simulation oder Accomodation, deren ein nicht geringer Theil der seiner Erforschung sich widmenden Reisenden im Verkehr mit den barbarischen Stämmen im Inneren sich zu bedienen veranlaßt worden ist. Wir meinen jene passive Assistenz bei den Greueln der Menschenopfer, der Massenhinrichtungen und andrer derartiger Gebräuche" verschiedner Negervölker, die so manchen kühnen

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1) „Die Indianer in Britisch-Guayana“ (ebendas. 1871, Nr. 7).

1) So die Redakt. des „Auslands“ in Nr. 43 ihres Jahrg. 1872. Anders dagegen z. B. Globus", Bd. XXII, S. 386.

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Wanderern gelegentlich ihres Verweilens daselbst auferlegt zu werden pflegt und von welcher erst jüngst wieder die Berichte des britischen Obersten Long, ägyptischen Generalstabs-Chefs, über seine 1874 von Gondokoro aus unternommene Reise nach der Residenz des Königs Mtesa am Nordufer des Victoria Nyanza ein schauerliches Beispiel mittheilten, bestehend in der Köpfung von zuerst 30, dann durchschnittlich 8-10 Menschen, die ihm zu Ehren bei jeder Audienz vor jenem Herrscher stattfinden mußte.') Eine Anklage auf irgendwelche unberechtigte Art von Verstellung oder von feiger Heuchelei hier zu erheben, kann natürlich Niemanden in den Sinn kommen. Aber doch möchte man fragen: wozu überhaupt Gesandtschaften und Ehrengeschenke an einen Tyrannen senden, dessen menschenköpfende Liebhabereien, besonders bei Ertheilung von Audienzen, man aus den Schilderungen früherer Reisender wie Speke und Grant sehr wohl kennen mußte? Warum nicht lieber sofort mit gewaffneter Macht gegen ein solches Scheusal anrücken, um nöthigenfalls ein Exempel an ihm zu statuiren, wie England an dem Asanti-König Coffie? Freilich lassen sich Rücksichten der Humanität von der Regierung eines immerhin in mancher Hinsicht noch halbbarbarischen Herrschers, wie der Khedive von Aegypten, der Veranstalter jener Long'schen Gesandtschaftsreise, nicht wohl erwarten. Und doch beruht unsre Hoffnung, daß so manche Nöthigung zu feiger Verstellung und Si mulation beim Verkehre mit den barbarischen Nachbarn afrikanischer Länder für christlich-europäische Reisende früher oder später einmal wegfallen werde, zum großen Theil und in erster Linie gerade auf der zwar mohammedanischen, aber der christlich-europäischen Civilisation wie keine andre mohammedanische Macht zugänglichen Regierung des modernen Aegypten, die bisher schon Erfreuliches in dieser Richtung geleistet hat und von deren weiterem Vorgehen sich sehr wahrscheinlich eine noch nachdrücklichere Unterstüßung und Förderung der christlichen Interessen auf dem von uns behandelten Gebiete erwarten läßt.

Was wir hiemit sagen wollen, wird dem Leser alsbald klar werden, wenn wir jetzt zur Betrachtung desjenigen Religions- und Ländergebiets übergehen, dem eine besonders reiche Zahl von charakteristischen Fällen der hier in Rede stehenden Simulations- oder Verleugnungspraxis angehört. Der Islam, der mohammedanische Länder- und Völkerbereich, bildet bis

1) Petermann, Mittheilungen 2c., 1875, XI, S. 427: „Die Aufnahme, die Oberst Long zu Theil wurde, war eine ausgezeichnete. Mtesa nannte ihn seinen Bruder, und außerdem wurden ihm zu Ehren bei seinem ersten Besuch bei Hofe 30, bei jedem folgenden 8-10 Unterthanen geköpft," 2c. - Von den jüngst durch H. Stanley bekannt gewordenen Nachrichten über Mtesa (s. das Märzh. d. Ztschr., S. 142) hatte der Verf., als er Obiges schrieb, noch keine Kunde.

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