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einer großen Vorzeit bildet; in Südtirol gruppiren sich ihm Bauern, Bäuerinnen und Eseltreiber zu einem lebendigen, bewegten Heinrich Roos, in Venedig erscheint ihm ein Kirchenfest vor dem Portal von St. Justina wie eine alte gewirkte Tapete, doch gut gezeichnet und colorirt. Dies ist nun wohl der Standpunct des Künstlers, nicht aber des Dramatikers, sich das Volksleben nur in der malerischen Sehweite zu betrachten, sonst es sich aber so fern als möglich zu halten. Ueberhaupt hört das „Volk“ als solches auf, Stoff seiner Dichtung zu sein; eine gemüthvoll in sich gegründete bürgerliche Eristenz führt er uns wohl noch in „Her= mann und Dorothea" vor, bald darauf kehrt er aber in der „natürlichen Tochter" wieder zu dem unerquicklichen Bild einer durchaus gemüthlosen und corrupten Hofwelt zurück.

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So ideal und vornehm übrigens die Form in jenen beiden Stücken, die sich im Kreise des Hoflebens bewegen, so unideal ist eines Theils der Inhalt hie und da schon im „Tasso," durchgängig aber in der Eugenie." Wir werden hier nicht mehr wie dies noch in der ,,Iphigenie auf Tauris“ der Fall ist, in die Sphäre einer rein menschlichen, uneingeschränkten Eristenz versegt wir sind nicht mehr da, wo des Lebens Quelle rein und ungehindert fließt;" im Gegentheil hat hier die Hemmung und Einschränkung des Gefühls, der Gesinnung, des Charakters so eigentlich ihren Boden, und die Forderungen der Etikette theilen sich mit jenen der Poesie. Virtuosen des feinsten und gebildetsten Ausdruckes sind alle Personen, aber nicht immer birgt das edle Wort

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auch edlen und lauteren Sinn; das Beobachten, Belauern, Bereden ist hier zu Hause, das sich bei Antonio fogar auf die schlechte Diät, die Tafso hält, auf seine Untugenden beim Essen und Trinken erstreckt. Auch bei denjenigen Personen, für die uns der Dichter zunächst interessiren will, stoßen wir auf enge Gesinnung, auf beschränkten Ehrgeiz; Tasso's Schmerz ist fassungslos, wenn sein Fürst zürnt; Eugeniens Freude ohne Gränzen, als sie das Ordensband der ersten Fürstentöchter in ihrem Pugkasten entdeckt. Die Ehrfurcht vor dem Bestehenden, die Heiligkeit der fürstlichen Würde, die Scheu vor Formfehlern, die wichtige Betonung solcher Dinge, die nur dem, der an Hofe gewesen, wichtig erscheinen können, dies geht schon durch die Cabinets, scenen im,,Egmont,“ klingt leise selbst in der ,,Iphigenie" in der Höflingsrolle des Arkas an, verliert sich oft nahezu in's Kleinliche in Tasso, in's Allerkleinlichste, in's ängstlich Eingeschränkte in der natürlichen Tochter." Wenn Iphigenie noch in reiner, edler Menschlichkeit vor der Lüge zurückbebt, so ist das legtgenannte Trauerspiel vollends eine Welt der Lüge; die schöne, aber oft auch manierirte Diction ist fast die in Verse übertragene Kunst Talleyrands, durch Worte die Gedanken zu verbergen. In der edelsten Sprache belügen sich da die Personen wechselweise; unter der Schminke der feinften Anschauungen birgt sich tiefe Entartung der Ge= finnung, kein einziger Charakter erhebt sein Haupt frei und klar über diese vergiftete Atmosphäre. Hier freilich, wo alle Beziehungen so künstlich hinauf raffinirt sind, wo List, Klugheit, verrätherischer Verstand, heim

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liche Intrigue geräuschlos und still sich gegen einander bewegen da hört zulegt alle dramatische Bewegung auf, die ja wesentlich auf die starken elementaren Regungen der menschlichen Natur, auf Pathos, Leidenschaft, uneingeschränkte Ergießung des Gemüthes gegründet ist. Göthe mochte da selbst die Gränze seiner Kraft gefühlt haben: die Fortsegung der „natürlichen Tochter," die auf eine Trilogie berechnet war, unterblieb - mit dieser dramatischen Dichtung schied der Dichter überhaupt von der Bühne.

Doch wir wollen ihm nicht weiter auf jenem Wege folgen, der von der reinen Höhe der Iphigenia wieder abwärts führt. Verweilen wir vorerst bei jenem Werke, mit dem er allein, doch auf dauernde Weise der Bühne Herr wurde, und das noch die frischen Elemente der Jugend in diese Periode hinüberbringt es ist „Eg= mont," das Trauerspiel aus den Niederlanden; neben „Gög“ das einzige Geschichtsdrama Göthe's. *)

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Als Göthe kurz vor der Abreise nach Weimar an den „Egmont" ging, trank er noch in vollen Zügen den Freudenkelch der Popularität. Er war der Held der Literatur; die Herzen waren ihm entgegengeflogen, ohne daß er mit planmäßig vorgehendem literarischen Ehrgeiz um Erfolge gerungen hätte; der Eindruck seiner

*) Begonnen: Frankfurt 1775; mit Unterbrechung weitergeführt: Weimar 1779-82; neu aufgenommen und beendigt: Rom 1786.

Persönlichkeit und seiner Werke ergänzte sich wechsel= weise, um ihm Bewunderung und Liebe in reichster Fülle zu sichern. Wenn er dies sein eigenes Verhältniß zum Publicum überdachte- wie leicht mochte ihm da die Gestalt eines Helden nahe gerückt werden, der eben so ohne den Plan und die Absicht, auf die günstige Meinung des Volkes wirken zu wollen, nur durch den Zauber seiner Persönlichkeit, durch die Vertrauen erweckende Kraft seines Wesens die Herzen fesselt und die Augen des Volkes auf sich lenkt! War es da nicht natürlich, daß der Dichter all' die eigene gehobene Stimmung, das helle, freudige Licht, das sein Gemüth durchleuchtete, auf seinen Helden übertrug, daß er in ihm jene frei athmende Eristenz in erhöhten Verhältnissen noch einmal durchgenoß, die damals seinen Busen schwellte, und wie alle seine inneren Zustände sich stets in der Dichtung bei ihm Luft machen mußte?

Die geniale Planlosigkeit einer freien und noblen Eristenz, die geistreiche, poetische Genußsucht, die Eg= mont's Charakter bezeichnet, war auch ein wesentlicher Zug in Göthe's eigenem Wesen. Das Stück blieb nach dem ersten, ohne Zweifel schon der Ausführung nahen Entwurf auf lange Zeit liegen; dagegen wurde die Egmont-Stimmung in dem Genietreiben der ersten wilden Wochen von Weimar gleichsam in's Leben übertragen, die nächste Wirklichkeit selbst im Style jenes frohsinnigen, geistreichen Helden aufgefaßt. Lauten doch die Worte, die Egmont an seinen Secretair richtet, ganz wie eine persönliche Confession des Dichters, wie eine Apologie jenes heiteren, tollen Treibens, das bei

fittlich bedächtigen Freunden und bei steifen, klatschenden Höflingen gleichen Anstoß erregte.

Es dreht sich immer um den Einen Punct: ich soll leben, wie ich nicht leben mag! Daß ich fröhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein Glück ... Ich habe nun nicht Luft, meine Schritte nach der bedächtigen Hof-Cadenz zu mustern. Leb' ich nur, um auf's Leben zu denken? Soll ich den gegenwärtigen Augenblick nicht genießen, damit ich des folgenden gewiß sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren?

Und was Egmont weiter über den Brief des besorgten Freundes, des Grafen Oliva bemerkt, kömmt es nicht fast auf dasselbe hinaus, was Göthe damals, nur etwas lakonischer und unwirscher, auf den Warnruf des übersittlichen Klopstock antwortete ?

Sind uns die kurzen bunten Lumpen zu mißgönnen, die ein jugendlicher Muth, eine angefrischte Phantasie um unseres Lebens arme Blöße hängen mag? Wenn Ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn d'ran? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen fie Schülern und Höflingen überlassen. Die mögen finnen und ausfinnen, wandeln und schleichen, gelangen wohin sie können, erschleichen was sie können!

Fast denkt man bei dieser Stelle, wenn man in der Biographie Göthe's bewandert ist, eher an den Grafen von Görz und Consorten, die über die Etikette= Frevel des hergewanderten Schöngeistes außer sich geriethen, als an den finsteren Granvella, an den Hof Margarethens und die Spione Philipp's II. Und Egmont selbst - in seinem übermüthigen Leichtsinn, mit dem er dem Anstößigen nirgends aus dem Wege geht, in jener Carnevalslaune, mit welcher er die tollsten Embleme auf seiner Bedienten Livréen sticken läßt erscheint er uns nicht fast ganz wie ein echtes Glied vom Orden der Originalgenies, gleich diesen im lustig

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