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herab in die neueste Zeit den classischen Boden für das Renegatenthum, auch für das im Dienste wissenschaftlicher Unternehmungen sich bewegende. Den durch die Türkenherrschaft seit dem Ende des Mittelalters nach Süden und Osten zu um die christlich-europäische Culturwelt herumgelegten breiten eisernen Gürtel haben regelmäßig nur solche Reisende zu durchbrechen vermocht, welche ihren Glauben an Christum entweder feierlich abschworen oder mit äußerster Vorsicht verdeckten und verheimlichten. Zu den namhafteren Fällen eines solchen aus Wanderlust und wissenschaftlichem Forschungstriebe übernommenen Renegatenthums gehört der des Italieners Nicolo di Conti, welchen Papst Eugen IV. beim Florentinischen Concil 1439 von den kirchlichen Strafen für die während 24jähriger Wanderungen in Indien, Persien, der Türkey 2c. von ihm gespielte Rolle eines Moslem unter der Bedingung absolvirte, daß er seine Reiseerlebnisse dem päpstlichen Secretär Poggio in geordneter Weise zum Niederschreiben erzähle.') Aus unfrem Jahrhundert ist, wenn wir von der bedeutenden Zahl solcher Renegaten, die lediglich um irdischer Vortheile willen, also etwa um einträgliche Aemter in türkischen Diensten bekleiden oder um ihre Handelszwecke fördern zu können, ihr Christenthum mit dem Islam vertauschten, absehen, und nur auf die durch wissenschaftliche Interessen zur Verleugnung ihres Bekenntnisses Getriebenen Rücksicht nehmen eine ziemlich lange Reihe von Reisenden aufzuführen, die ihre zum Theil hochverdienstliche Erforschung solcher Länder wie Arabien, die Bucharei, die Berberstaaten Nordafrika's, lediglich unter der Maske von Derwischen, Mekkapilgern, muhammedanischen Kaufleuten oder Aerzten zu vollführen vermochten. Um nicht das Schicksal so mancher auch neuerdings noch dem Fanatismus des Islam als Opfer gefallener Christen, wie z. B. der Engländer Stoddart und Conolly bei ihrer Reise nach Bochara 1842 (wo Jener troß erfolgter Abschwörung, der Lettere als standhafter Bekenner des Christenthums ent= hauptet wurde) theilen zu müssen, haben die geographischen Erforscher der genannten Länder bald die eine bald die andre jener Verkleidungen ihres christl. Charakters erwählt. Wie schon zu Anfang unsres Jahrh. Ulr. Jasper Seeßen († 1811) und 3. L. Burkhardt († 1817) ansehnliche Theile Syriens und des nördl. Arabiens nur unter dem schüßenden Habit von Muselmanen zu durchwandern vermocht hatten, so gab der Erste unter den neueren Erforschern Südarabiens, Adolph v. Wrede (1843), um dem Fanatismus der Bewohner Hadhramauts nicht zum Opfer zu fallen, sich für einen längere Zeit in Kairo ansässig gewesnen Maghrebiner oder Nordwestafri

1) Vgl. W. Germann in Jahrg. 1874 dieser Ztschr., S. 366 (wo übrigens 1439 statt 1440 3. I.).

kaner Namens Abd el Hud aus und spielte die damit übernommene Rolle eines ,, Pseudo-Islamiten" mit größter Consequenz. Er entgieng aber selbst so nur mit genauer Noth der Gefahr, als „fränkischer Spion" getödtet zu werden, mußte seine Tagebuchsaufzeichnungen einmal lügenhafter Weise für „türkische Schrift“ ausgeben, u. s. f. Es ist interessant, in dem erst 1870 vollständig veröffentlichten Reiseberichte dieses zeitweiligen Pseudo-Moslem u. a. auch eine vom Geiste christlicher Andacht angewehte Schilderung zu lesen. Bei Beschreibung einer besonders prachtvollen, auf der Hochebene des Hadrhamaut von ihm erlebten Nacht heißt es u. a.: „3m Süden stand, wie auf dem hehren Altar der Natur gepflanzt, das Zeichen der Erlösung, das südliche Kreuz, und mahnte chrfurchtgebietend an den großen Architekten des Weltalls, der die Bahnen der Gestirne ordnete, und auch die Massen der Kaur Ssaybân schichtete und thürmte“ 2c. Hier war also die Religion des Kreuzes doch nur scheinbar mit dem Cultus des Halbmondes vertauscht worden. Daß die damit ausgeübte Simulation die unerläßliche Bedingung des Gelingens der betr. Reiseunternehmung gewesen sei, behauptet der jüngst (durch Selbstmord in Pisa, 1874) verstorbene Nacheifrer v. Wrede's und Herausgeber seines Reiseberichts Heinr. von Malzan mit aller Bestimmtheit. Er bezeichnet es als das Grunderforderniß für sein Unternehmen, daß er seine Eigenschaft als Christ und als Europäer aufs Strengste verheimlichen mußte.") Und als ebenso selbstverständlich wie in Wrede's Fall stellt er das entsprechende Verhalten, wie er selbst bei seinem früheren Eindringen ins innere Arabien und Vordringen bis nach Mekka es beobachtet hatte, dar. Daß er bei seiner leßten Anwesenheit in Arabien in den 60er Jahren den christlich-europäischen Charakter nicht abstreifte, sondern sogar gegenüber einigen Bekehrungsversuchen mohammedanischer Fanatiker mit Festigkeit behauptete, erklärte sich einfach daraus, daß er damals kein tieferes Eindringen in die Halbinsel beabsichtigte, sondern lediglich an der Küste, zu Aden unter dem Schuße britischer Kanonen, verweilte und sich auf den Verkehr mit daselbst ab und zugehenden Arabern aus dem Inneren beschränkte. Früher, bei seiner Reise zum Centralheiligthum des Islam in Mekka, hatte er ganz in der Weise wie v. Wrede die Rolle eines Pseudo-Moslem gespielt, hierin den Rath und das Beispiel des Engländers Richard Burton befolgend, der schon etwas früher (1853) unter der Maske eines Pilgers oder Hadschi aus Afghanistan die heiligen Oerter des Islam, Medina, Mekka 2. besucht, und dessen kurz nach seiner Rückkehr von da, in Alexandria stattge

1) Ad. v. Wrede's Reise in Hadhramaut 2c., herausgegeben von H. Freiherr v. Maltzan (Braunschweig 1870), S. 16.

habtes Zusammentreffen mit v. Malkan diesen zur Ausführung des gleichen Wagstückes begeistert hatte.1) Daß das Verfahren dieser beiden, durch ihr glückliches Vordringen bis zur Kaaba zum Range eigentlicher MekkaWallfahrer oder Hadschi's erhobenen Reisenden neuestens nicht öftere Nachahmung erfahren hat, beruht wohl weniger auf sittlichen Bedenken, als auf den sehr erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren, die der Versuch einer derartigen Nachahmung muselmanischer Derwische oder Asceten bekanntermaaßen in sich schließt. Taher denn der Engländer Will. Gifford Palgrave um die Mitte der 60er Jahre lieber in der Eigenschaft eines mohammedanischen Arztes oder Quacksalbers die inneren Gegenden Arabiens bereiste. Derselbe warnt in seinem an wichtigen Beobachtungen und interessanten Erlebnissen ungemein reichen Reisewerke (deutsche Ausg., Leipzig 1867, Bd. I, S. 198) ausdrücklich davor, die Rolle eines Derwisch oder Hadschi spielen zu wollen, da der geringste Fehler beim Recitiren der mohammedanischen Gebete und Koransprüche leicht den Tod des unvorsichtigen Unternehmers eines solchen Wagnisses herbeiführen könne. Freilich gerieth doch auch er bei der weltlichen Berufsthätigkeit, die er sich erwählt hatte, zu mehreren Malen in die größte Lebensgefahr und sah sich zu einer kaum minder ängstlichen Verbergung seiner wahren Abkunft und Religion genöthigt, als wenn er dem Burton-Malzanschen Vorgange gefolgt wäre. Neuestens hat der gelehrte Pariser Sprachforscher Joseph Halévy, ein Jude nach Geburt und Bekenntniß, einen Theil des östlichen Südarabien unter einfacher Beibehaltung dieses seines religiösen Charakters, aber natürlich unter Annahme orientalischer Tracht und Sitte, mit günstigem Erfolge sowohl für seine persönliche Sicherheit wie für das Gelingen seiner wissenschaftlichen Unternehmungen bereist,a) hierin dem von dem getauften Juden und Judenmissionar Joseph Wolff bei seiner berühmten, freilich auch äußerst gefahrvollen Reise durch die Türkei, Bucharei, Afghanistan 2c. (1831-1834) gegebenen Beispiele folgend.

Die Bucharei oder wie sie vor der russischen Occupation auch wohl genannt wurde: die freie Tatarei (auch Turkestan oder Transoxanien) galt bis vor Kurzem als eine der festesten, für christliche Europäer unzugänglichsten Burgen des muselmanischen Fanatismus. Für etwaige auf sie bezügliche Reiseprojecte wurden derartige Regeln, wie jene v. Malzansche: daß strengste Verheimlichung des christlich-europäischen Charakters Haupt

') Vgl. Burton's Reise nach Medina u. Mekka 2c., bearbeitet von R. Andree, Leipzig, 1861. Auch die Lebensskizze H. v. Malyan's im „Daheim,“ Jahrg. 1870, von demselben.

2) Vgl. v. Malyan, Reise n. Südarabien 2. (Braunschweig 1873), Vorw. S. VI.

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bedingung und primäre Grundlagen jedweden Erfolgs sei, von erfahrenen Reisenden mit einer geradezu dogmatischen Bestimmtheit aufgestellt. So von dem verdienstvollsten neueren Erforscher dieser Länder, dem Ungarn Hermann Vámbéry, in einer vor zwei Jahren im Globus" veröffentlichten Skizze seines Lebenslaufes. Hier macht derselbe zugleich anschauliche Mittheilungen über die Studien, die er schon während seines Aufenthalts als Sprachlehrer und Dolmetscher in Constantinopel behufs Erlernung der Sitten und Gebräuche eines ächten Vollbluttürken und Moslem begonnen habe und kraft deren es ihm allmälig gelungen sei, den wünschenswerthen Grad von Sicherheit in Durchführung dieser Rolle, d. h. von allseitiger, auch die ärgsten religiösen Fanatiker des Islam täu schender Accomodation an den Volkscharakter der Türken zu erreichen.') — Daß Aehnliches in der Praxis und Theorie der zu längeren oder kürzeren Aufenthalten in den mohammedanischen Ländern an der Mittelmeerküste oder in der Saharagegend oder am oberen Nil veranlaßten Afrika-Reisenden vorkommt, läßt sich erwarten. Georg Schweinfurth berichtet ganz unbefangen über den freundschaftlichen Verkehr, den er während seiner berühmten Forschungsreisen im Herzen Afrika's" mit den nach Bekenntniß und Sitte mohammedanischen Elfenbein-, d. h. Sklavenhändlern der oberen Nilländer, diesem den äußersten Tiefpunkt aller Verworfenheit darstellenden Abschaum der Menschheit, zu pflegen genöthigt gewesen sei. Zu seiner Rechtfertigung bemerkt er dabei: „Als Cäsar unter den Piraten war, heulte er mit den Wölfen; später ließ er sie alle hängen. Dieß ist auch mein Grundsatz, wie ich glaube der allein zulässige, wenn man die Zwecke der Wissenschaft im Auge behalten und diese nicht dem thörichten Verlangen opfern will, unter Verhältnissen den Sittenrichter spielen zu wollen, die uns nichts angehen!"2) Uebrigens ersparte der Schuß einiger mächtiger ägyptischer Unterthanen, z. B. des koptischen Seriben-Besißers Ghattas sowie des Nubiers Abu Sammat, diesem Reisenden die Nothwendigkeit, diese von einer gewissen Verwandtschaft mit einem Hauptgrundsaße der Jesuitenmoral schwerlich frei zu sprechende Maxime anhaltend und beständig zu befolgen; so daß er während eines großen Theils seines Aufenthalts in jenen Gegenden seinen christlich-sittlichen Standpunkt zu verleugnen nicht nöthig hatte. Ziemlich genau die nemlichen Grundsäße werden noch von mehreren andren berühmten Erforschern Central- und Nordafrika's

1) Globus, Bd. 24, S. 74 ff. und Bd. 25, S. 233 ff. Vgl. auch Vámbéry: Voyage d'un faux derwich dans l'Asie centrale. Paris 1865.

2) Vgl. Globus Bd. 18, T. 366, wo diese Schweinfurthsche Aeußerung beifällig angeführt und als „außerordentlich verständig“ gerühmt wird.

ausgesprochen und gelegentlich auch befolgt. Malzan (Reise in die Regentschaften Tunis und Tripolis, Leipzig 1870, I, S. 252) sagt gelegentlich seines Berichts über einige nächtliche Besuche, die er den Ramadansbuden im maurischen Quartier der Stadt Tunis abgestattet: „Diese Besuche durfte ich allerdings meinen arabischen Bekannten kaum eingestehen, denn die meisten dieser Lokale gelten für wenig ehrbar, ja für berüchtigt, aber der Reisende, der die Volkssitten studiren will, muß natürlich soviel wie möglich Alles sehen und kann sich um keine noch so ehrbaren Vorurtheile kümmern,“ 2. — Als Hauptvirtuos im Bereisen der mohammedanischen Länder Nordafrikas hat neben v. Malgan, und zumal seit dem Tode dieses Rivalen, Gerhard Rohlfs zu gelten. Auch ihm ist der Grundsaß, daß wissenschaftlichen Reisezwecken zu Liebe selbst jeder Schein des christlicheuropäischen Charakters abzustreifen sei, durchaus familiär und er hat mittelst geschickter Befolgung dieses Grundsaßes Bedeutendes in Erforschung, sowohl wenig bekannter Länder als fremder Sitten (in welcher letteren Hinsicht er u. a. sogar kein Bedenken, sich einst einen Haschisch-Rausch anzuessen, getragen hat), geleistet. Bei seiner berühmten Sahara- und NigerReise „Quer durch Afrika“ (1867) fühlte er sich so sicher in Spielung seiner Rolle als Muselman, daß er in der Kunst des Gebetmachens es mit dem frömmsten Fakir aufnahm." Und schon früher, während er ,sous le costume et les dehors d' un musselman" unter den fanatischen Marokkanern verweilte, spielte er unter dem Namen Mustafa seine Rolle als angeblicher Renegat so perfect, daß er sich sogar im Verkehre mit Geistlichen des Islam kühne Aeußerungen erlauben durfte, die jedem Andren in ähnlicher Lage unfehlbar das Leben gekostet haben würden. In Gegenwart des Großscherif's von Uesan, seines Freundes und Beschüßers, sagte er einst zu einem Thaleb (Geistlichen), der ihm die Freuden des mohammedanischen Paradieses mit glühenden Farben schilderte: „Wenn nur ihr Marokkaner da hinein kommt, dann will ich lieber nach dem Orte kommen, der den Christen angewiesen wird," -zu welcher Antwort alle Mitanwesenden, den Großscherif voran, ihm herzlichen Beifall zulachten. Er bemerkte hiezu: „Ich konnte mir damals in Uesan eine solche Aeußerung erlauben, weil ich nach den Worten Mohammeds als übergetretener Christ den Vortritt vor den übrigen Moslemim hatte. Wenn Mohammed von Vortritt spricht, so meint er darunter den in das Paradies 2c.") Auch in seinem neuesten Reisewerke, dem Berichte über die von ihm geführte Expedition in die libysche Wüste 1874, fommt wenig

1) Die Religion der Marokkaner“, Glob. Bd. 20, S. 347. Vgl. „Uesan el Dar Demana“, Ausland, 1871, Nr. 11 u. 12, sowie „Quer durch Afrika“ (1873), Bd. I.

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