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ich jetzt so auf die Ausführung dieses Projectes dringe, so habe ich natürlich meine sehr egoistischen Absichten dabei. Henri auf ein drittes Gymnasium zu bringen, ist verlorene Zeit und Mühe; er würde es dort gerade so treiben, wie bisher. Ich muß ihn wieder nehmen, natürlich nicht in mein Haus. Doctor Urban trägt sich schon lange mit dem Gedanken, so eine Art von ländlicher Akademie zu errichten, und er ist, wir mögen sonst sagen was wir wollen, ganz der Mann dazu: gelehrt, energisch und klug genug. Mag er mit unseren beiden Buben den Anfang machen. Henri's dumme Streiche verpuffen hier in der freien Landluft unschädlich, und Dein Junge kommt in den Wissenschaften weiter, ohne den Duft der Schulstube, der ihm so verhaßt ist. Was sagst Du, Friß?

Der Freiherr legte dem Förster beide Hände auf die Schultern und blickte ihn mit den immer noch schönen braunen Augen so gütig und so froh an, daß Friß Gutmann mit Freuden sein Leben zum dritten Mal für den geliebten Herrn in die Schanze geschlagen hätte; aber dann dachte er an die bleiche, bekümmerte Gestalt, die gestern Abend neben ihm auf der Bank vor seiner Hausthür geseffen hatte, und an den düstern Knaben mit den großen, scheuen Augen, und er sagte:

Ich weiß Ihre Güte zu schäßen, gnädiger Herr, gewiß und wahrhaftig, und wenn aus meinem Walter etwas Besseres würde, als seine Väter gewesen sind, so wären damit ja nur meine heißesten Wünsche erfüllt. Aber

Was: aber! sagte der Freiherr mit einiger Ungeduld. Ich weiß Jemand, der noch ein gut Theil geeigneter wäre, unseres Junkerleins Kamerad zu sein, sagte der Förster entschlossen.

Und der wäre? fragte der Freiherr.

Der Förster faßte sich ein Herz und erzählte von Leo, und wie Jeder, der den Knaben gesehen, behaupte, daß, wenn er nur die Mittel hätte, weiter zu kommen, etwas ganz Außerordentliches aus ihm werden müsse. Und weil er nun doch einmal im Zuge war, erzählte er auch weiter, um

was ihn sein Bruder gebeten habe, und wie der Anton hoffe, der Freiherr werde zu seiner Bitte nicht Nein sagen.

Der Freiherr hatte, nicht ohne lebhafte Zeichen von Ungeduld, dem Förster zugehört. Jest sagte er:

Aber Friß, das geht doch nicht, und Du weißt doch eben so gut wie ich, daß es nicht geht. Warum also quälst Du Dich und mich mit dergleichen!

Bruder bleibt Bruder, murmelte der Förster, man thut und spricht für den Bruder, was man um Alles in der Welt nicht für sich selbst thun und sprechen möchte!

Armer, guter Kerl, sagte der Freiherr. Was hast Du dieses Bruders halber nicht schon Alles gelitten, und das geht nun immer so fort! Wir waren so froh, daß wir den Schwärmgeist in Feldheim endlich zur Ruhe gebracht hatten, nachdem er auf tausenderlei Weise bewiesen, daß er mit der Welt nicht fertig werden konnte. In seinem kleinen Hause mit Frau und Kind war es schließlich doch besser als in dem Schuldthurm. So sagte er selbst; die Freude hat nicht lange gedauert. Die Frau starb. Er hatte bis dahin den Trost gehabt, sich einzubilden, er bliebe nur der Frau halber, die ja auch wirklich nicht weg wollte, in dem Dorfe. Jest sah er, daß er mittlerweile zu alt und zu kränklich und in jeder Beziehung zu hilflos geworden war. Das hat er uns nie vergeben können. Aber ihn jezt hierher nach Tuchheim nehmen, den krausen, unklaren Menschen, mit dem ich mich schon, als wir noch Jungen waren, nicht habe vertragen können — wie Du Dich nicht mit dem General vertragen konntest, weißt Du noch? nein, das kann er von mir nicht verlangen. Ich will ihm herzlich gerne seine kleine Pension verdoppeln,

wenn er

Der Freiherr schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn: Aber mein Gott, rief er, was quälen wir uns denn über eine so einfache Sache. Es ist ja klar, daß Anton die Stelle hier nur haben will, um besser für den Leo sorgen zu können, und daß er von dem Wunsche, der mich in eine solche Vers legenheit setzt, sofort zurücktreten würde, wenn er des Knaben

Zukunft gesichert sähe. Nun, und wenn der Junge wirklich etwas so Außergewöhnliches zu werden verspricht- und gescheidt sieht er aus, das muß man ihm lassen - so ist es ja geradezu Pflicht, dafür zu sorgen, daß so ein volles Korn in den rechten Boden kommt. So nehme ich die beiden Jungen, da ich schon sehe, daß ich den Walter nicht ohne den Leo haben kann. Und übrigens lernen und erziehen sich drei Jungen so viel besser als zwei, daß der Profit immer noch auf meiner Seite ist. So mußt Du das auch dem Anton darstellen; man muß ja immer scheinen, sich selbst einen Gefallen zu thun, wenn man ihn am Zopfe aus dem Wasser zieht. Und nun, Friß, ist die Sache abgemacht. Wir haben uns noch über Alles im Leben geeinigt, und so werden wir in diesem wichtigen Falle nicht auseinander gehen. Was bringt denn der da?

Mit einem expressen Boten, sagte der herantretende Bediente, welcher dem Freiherrn einen Brief überreichte.

Es scheint, daß heute der Tag der Ueberraschungen ist, murmelte der Freiherr, den Brief, dessen Aufschrift von der Hand seines Bruders, des Generals, war, erbrechend.

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Nun, das ist nicht übel, murmelte er, während er das Blatt mit den Augen überflog. Das große Manöver, das in vierzehn Tagen seinen Anfang nimmt, wird sich bis in unsere Gegend hinaufziehen - coupirtes Terrain günstig für combinirte Gefechtsformen der König und der Kronprinz kommen der König hofft, bei seinem alten Freunde auf zwei oder drei Tage vorsprechen zu können. Das heißt, ich soll schleunigst um die Gnade nachkommen, ihn bewirthen zu dürfen, rief der Freiherr, halb ärgerlich und halb lachend. Wie findest Du das, Friş? Da müssen wir doch gleich zu Charlotte. Komm' mit herein, Frit. Du darfst in dem Kriegsrath nicht fehlen.

Und die beiden Männer verließen die Terrasse, sich nach dem Schlosse zu begeben. Die neue, unerwartete und dem Freiherrn keineswegs sehr erwünschte Nachricht hatte vorläufig alle anderen Interessen in den Hintergrund gedrängt.

Viertes Capitel.

Es war in der ersten Morgenfrühe desselben Tages, als Anton Gutmann in der Giebelstube seines Häuschens an Leo's Bett trat. Er legte ein Bündelchen, das er in ein baumwollenes Taschentuch geschlagen hatte, und Müze und Stock auf den Tisch und weckte sanft den Schläfer, der die dunklen, schlafumflorten Augen aufschlug und mit einem leeren Blic auf den Vater starrte.

Ich wollte Dir Lebewohl sagen, Leo.

Er hatte ihm gestern, als sie von der Försterei durch den Wald kamen, mitgetheilt, daß er am nächsten Morgen in die Stadt müsse zum Herrn Landrath; er werde einen, vielleicht zwei, drei Tage ausbleiben, Leo solle indessen zum Onkel gehen; es sei schon mit dem Onkel verabredet. Auf das Alles hatte der Knabe, der mit seinen Gedanken vollauf beschäftigt gewesen war, wenig geachtet, und jezt war er noch so müde.

Leb' wohl, murmelte er, während sich die Augen schon wieder schlossen und der Kopf sich auf die Seite neigte.

Anton Gutmann seufzte. Er strich mit leiser Hand dem Schlummernden das Haar aus der heißen Stirn, beugte sich über ihn und füßte ihn auf die Stirn. Dann nahm er sein Päckchen, griff nach Stock und Müße, schlich auf den Zehen nach der Thür, warf von dort noch einen langen, traurigen Blick nach dem Schläfer und drückte sich hinaus.

Die Purpurstreifen, welche die Morgenröthe an die weiße Wand gemalt hatte, erblaßten allmälig; heller und heller wurde es in der Kammer; die Sonne, die über den Waldrand heraufstieg, sendete ihre ersten horizontalen Strahlen durch das weinlaubumrankte Fensterchen und weckte den Schläfer. Er richtete sich empor. Hatte es ihm nur geträumt? War der Vater nicht hier gewesen und hatte ihm Lebewohl gesagt? Lebewohl auf einen Tag, auf zwei, drei Tage? Er sollte

allein sein, frei sein, zum erstenmal in seinem Leben, frei zu schlafen oder zu wachen, zu kommen oder zu gehen das war ein Fest, das gefeiert werden mußte!

Mit einem Sprunge war der Knabe aus dem Bette und begann sich mit vor freudiger Aufregung zitternden Händen anzukleiden, ja er fing an zu fingen; aber gleich nach den ersten Tönen schwieg er; er hatte nie gesungen, und seine eigene Stimme klang ihm unheimlich fremd.

Wenn der Vater doch nicht fort wäre wenn er plöglich den Kopf zur Thür hereinsteckte, verwundert, ärgerlich über den ungewohnten frühen Lärm!

Behutsam öffnete er die Kammerthür und lauschte hins aus. Die alte Kaze schlüpfte durch die Spalte und strich miauend um seine Beine, sonst war Alles still.

Er ging auf den Zehen über den niedrigen Boden, in welchem noch die schwüle, dumpfe Luft des vergangenen Tages lag, und stieg vorsichtig die knarrenden Stufen der morschen Treppe hinab. Die Thüren unten in dem kleinen Hausflur, rechts in die trostlos leere Küche, links in des Vaters dürftig ausgestattetes Zimmer standen auf. Der Vater war wirklich fort. Der Knabe athmete tief, kehrte mit etwas erleichtertem Herzen in sein Kämmerchen zurück und sezte sich an den Tisch am Fenster, an welchem er viele Stunden des Tages über seiner Arbeit saß, manchmal den ganzen Tag lang. Was sollte er anders thun, als arbeiten?

So lange er zurückdenken konnte, hatte er nichts gethan, als gearbeitet. Wenn die Dorfkinder auf der Gaffe spielten oder singend aus dem Walde kamen, hatte er gesessen und Vocabeln gelernt, Exercitien gemacht oder doch wenigstens in seinen Geschichtsbüchern gelesen. Er konnte so wenig spielen, als fingen. Der Vater hatte es ihm so früh verleidet. Dumme Jungen spielen, hatte der Vater gesagt; fluge arbeiten, damit sie reich und mächtig werden und das Gefindel dabei hatte er verächtlich auf die sich balgenden Dorffinder gewiesen -beherrschen, es wie eine Schafheerde vor sich her treiben können.

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