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collisionen; hier finden wir uns fast an die ethischen Gegensäge der Sophokleischen Tragödie gemahnt. Aber auch nur in der äußern Form, in der präcisen Aufstellung des Falls; die Frage selbst ist, wie ich schon bemerkte, für ein antikes Gewissen von viel zu zarter Natur.

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Der Gemüthskampf, der Orestens Gemüth nur heftiger durchschütterte, klingt in gedämpfteren Tönen jezt auch durch Iphigeniens Seele. Ueber sie kommt nun ebenfalls die düstere Schicksalsstimmung des alten Erbfluchs dumpf und bang zieht durch ihre Erinnerung das Lied der Parzen, das sie einst von der Amme gehört. Aber nur, so lange sich ihr in der List der einzige Rettungsweg zeigte, hat sie für einen Augenblick das innere Gleichgewicht verloren; mit dem Sieg der Wahrheit ist auch das Bild der Götter in ihrer Seele wieder gerettet. Der ganze Conflict war wie eine vorüberziehende Wolke an der Lichtscheibe des Mondes — nur eine flüchtige Trübung des Gemüths, weiter nichts als dies.

Eigentlich war es auch blos ein Scheinconflict, wenn wir ihn näher prüfen. Iphigenia mußte wissen, wie weit sich auf den Edelsinn des Thoas in solchem Falle rechnen lasse, und konnte auch nach einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt bei den Tauriern darüber im Klaren sein; sonst wäre es sogar unverantwortlich gewesen, blos um des Sieges der Wahrheit willen das Leben des Bruders so ganz auf's Spiel zu sehen. Dann müßte man dem Gefühl des Pylades ganz recht geben, wenn er sagt:

Man sieht, du bist nicht an Verlust gewöhnt,
Da du, dem großen Uebel zu entgehen,

Ein falsches Wort nicht einmal opfern willft.

Und fast scheint es so. Die abstracte Reinheit einer hohen Seele vereint sich nicht stets mit der vollen Wärme des Gefühls; man könnte leicht glauben, daß in Jphigeniens Herzen, in dem sich so gar keine Spur des Hasses regt, auch die Pulse der Liebe nur mäßiger schlagen.

In jener veredelten Gefühlsanschauung, die man mit Recht vornehmlich an diesem Drama Göthe's be wundert, finde ich freilich auch die poetische Fiction des Stücks, welche uns den festen Boden beinahe unter den Füßen raubt. Ein so zart empfindendes Weib, wie diese Heldin, die Orestes selbst eine Heis lige nennt, die der Dichter nichts sagen ließ, was nicht auch eine christliche Heilige hätte aussprechen können sie ist nicht denkbar innerhalb dieser Religionsideen, nicht denkbar zwischen so starren und gefühlsharten Göttermächten, die wenn auch nur versuchsweise, noch Menschenopfer verlangen und einen alten Fluch durch ganze Geschlechter fortwirken lassen. Ebenso wenig, als die Innerlichkeit Iphigeniens, die der Opferflamme gleich zum Olymp emporsteigt, stimmt auch die Gemüthstiefe des Orest, die durch die Schatten des

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dringt, zu dem ganzen,

Orkus hinab zu den Ahnen mythisch-sagenhaften Apparat des Stücks. So lange noch die Erinnyen, die alten Götter, die räthselhaften Drakelstimmen für den Glauben eine objective Realität hatten, konnte das Gemüth nicht so schnell mit jenen

ehernen Gewalten fertig werden es wurde vielmehr ebenso starr und gehärtet wie sie, es waffnete sich mit unbeugsamer Entschlossenheit, mit wagendem Muth und mit List, um den andringenden Gewalten des Schicksals zu stehen. Bei Göthe ruht die Blutschuld und der Fluch, der auf Orestes lastet, die Vorgeschichte des Atreïdenhauses, die Opferung der Heldin selbst in Aulis, überhaupt Alles, was der Handlung des Stückes vorangeht, wohl ganz auf antiker Grundlage: aber die Lösung, welche die Conflicte innerhalb der Handlung selbst finden, ist wieder ebenso eine durchaus moderne. Dies sind zwei incongruente Größen, die sich nie decken können; auf den wilden Felsen, die aus dem nächtlichen Grunde der Vorzeit steil emporsteigen, können so zarte Blüthen, wie Iphigenien's und Orest's Gemüth nicht gedeihen; das Sturmgetöse an der unwirthlichen Barbarenküste von Tauris überbrauste noch die Stimmen reiner Menschlichkeit.

Vergessen wir aber nicht zum Schluß noch die sinnvolle Art hervorzuheben, wie Göthe die Sühne des Orest und die Heimführung der Schwester in Eines zu flechten und durch eine höhere Deutung Beides zu verbinden weiß. Bei Euripides fallen, wie Otto Jahn*) mit geistreicher Schärfe hervorhebt, diese beiden Momente unvermittelt auseinander: „nicht Iphigenia ist es da, welche den Bruder befreit, nicht die Wiedervereinigung der Geschwister löst den Knoten, sondern die Entführung des Götterbildes nach Hellas, die Vollen

*) A. a. D. S. 21.

dung dieser von Apollo gebotenen Unternehmung ist es,

woran lediglich die

Erlösung des Orestes von dem Fluch geknüpft ist." Freilich ist jene Entführung nicht mit Hegel als ein ganz gewöhnlicher Diebstahl aufzufassen, der gar keine weitere ideelle Bedeutung in sich trägt.*) Es sollte, wie Jahn mit tiefem Blick in den religiösen Sinn der alten Sage bemerkt, dadurch der Uebergang von einem barbarischen zu einem civilifirten Göttercult bezeichnet sein, wie es auch Göthe in den Worten des Pylades andeutet:

Diana sehnet sich

Von diesem rauhen Ufer der Barbaren
Und ihren blut'gen Menschenopfern weg.

„Ein Muttermörder, mit dem schwersten Fluch belastet, von den Erinnyen verfolgt, hatte sein verfallenes Leben daran gesezt, die Göttin dem verhaßten Aufenthalt entführen, und sie, die von nun an jedes Menschenopfer verschmähte, hatte nun auch den Mörder dem Leben wieder geschenkt und den alten Fluch versöhnt." Damit gewann der Schluß der Iphigenia des Euripides für das religiöse Bewußtsein des Alterthums einen ernsteren, bedeutsameren Sinn. Aber auch nur für jenes des Alterthums; die Lösung, die Göthe dem Stücke giebt, hat ein ungleich tieferes, menschliches Interesse. Hier ist die heilende Götterkraft gleichsam menschgeworden — sie geht nur von Iphigeniens reinem Gemüthe aus, die heilige Prießterjungfrau selbst erscheint als jenes Götterbild, als das lebendige Palladium

* Aesthetik I. Bd. S. 287.

des Hauses, das dem Orest das Orakel heimwärts zu führen befahl. Nun sehen wir über dem düsteren Grauen des Atreïdenhauses das neue Licht des frohen Tages aufsteigen, den wilden Streit der Männer und die Last des Erbfluchs, der auf das ganze Geschlecht gewälzt war, hinweggehoben durch den Segen, den eine edle Natur, den maßvolle Weiblichkeit rings um sich breitet.

Wenn das „ewig - Weibliche" in der „Iphigenia“ gleichsam die Tempelweihe empfing, so finden wir es im „Tasso,“ der „natürlichen Tochter" auf die Höhen des Lebens, der Gesellschaft, als das waltende Princip gestellt. In dem Göthe'schen Kunstdrama ist der Einfluß edler Frauen entscheidend, sie bestimmen Ton und Haltung des Ganzen, auch die äußere Form wendet sich mit Rücksicht und Bedacht an das ästhetische Forum des Weibes. In jenen Dichtungen, die ganz oder doch zum Theil der Jugendperiode des Dichters angehören, unterordnet sich das Weib (sei es nun in naiver Hingebung oder in sentimentalem Gefühlsübermaß) überall dem Manne, blickt wie zu einem Halbgott in seliger Hingebung zu ihm hinan, findet in ihm ihre Vollendung, ihre höhere Welt. So schaut Clärchen zu Egmont, Gretchen zu Faust, Marie zu Clavigo emporStella's Empfindung ist vollends nur ein schwärmerischer Cultus des Herzens. Jegt ist es umgekehrt: die Einflüsse des Hofkreises, die Göthe im

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