ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

keiten und Leidenschaften unsrer Natur, berechnet endlich den jedesmaligen Einfluß der Zeitumstände, und es wird euch sehr einleuchtend und sehr begreiflich werden, daß sich in den Hånden der Menschen nichts mehr verschlimmern muß, als die Religion.

Wie traurig ist der Anblick, M. Z., den uns die Geschichte der Religion, und ganz vorzüglich der christlichen darbietet! Kaum hatte sie Jesus im reinsten Glanze vom Himmel gebracht, kaum hatten sie seine Apostel den Vol. fern der Erde in ihrer ursprünglichen Schönheit gezeigt: so erhub sich schon ein Nebel von Vorurtheilen, von leeren Erwartungen, von schwårmerischen Träumen, und umzog sie mit einer Dunkelheit, die ihr Licht bald schwächte und ihren bessernden Einfluß verminderte. Aber je mehr die Anzahl der Chrißten wuchs, je mehr Men schen mit allerley Meinungen das Christenthum annahmen, desto mehr unächte Zusäße erhielt es, desto mehr wurde es entstellt. Denn hat man sich nicht schon in den ersten Jahrhunderten nach Christo in unfruchtbare Streitigkeiten über die Geheimnisse des Glaubens verloren, und es vergeffen, die Religion müsse bessernde Wahrheit fenn? Hat man sich in der Folge nicht immer mehr von der Schrift entfernt, die öffentliche Verehrung Gottes in ein Geprånge von Cârimonien verwandelt, und sich durch willkührliche, zum Theil abentheuerliche Werke den Weg zum Himmel bahnen wollen? Hat sich eine finstere schauervolle Nacht des Aberglaubens nicht unaufhaltsam weiter verbreitet, und mehrere Jahrhun berte lang fast jeden Strahl der Wahrheit auf gefangen, der den Bekennern Jesu noch einiges

[ocr errors]

triefendes

Licht gab? War die Religion in diesen unglück. lichen Zeiten etwas anders, als ein Werkzeug der Tyranney und Unterdrückung; etwas anders, als die Beschüßerin der Unwissenheit und Easterhaf tigkeit; etwas anders, als die Feindin der bür gerlichen Ordnung, die über die Regenten der Völker einen traurigen Sieg nach dem andern davon trug; war sie etwas anders, als die graufame Mörderin aller derer, die besser dachten, aller freymüthigen Zeugen der Wahrheit; schien fie, diese Tochter des Himmels, nicht ein fürch terliches, von Blute espenst gewor den zu seyn, das nur Unheil auf Erden stiftete? Gerettet, meine Brüder, gerettet haben zwar die ehrwürdigen Männer, deren Andenken wir heute feyern und segnen, die Ehre der Religion; Sie haben ihr aus der Schrift die himmlische Schönheit, die göttliche Kraft und die heilige Würde wieder zu geben gesucht, die sie in den Tagen der Apostel hatte; und sie haben viel geleistet, sie haben es der Welt wieder möglich ges macht, das wahre Evangelium Jesu kennen zu lernen. Aber hat man sie überall gehört? Ha ben nicht unzählige Christen fortgefahren, die Religion mit allen Verderbnissen vestzuhalten? Hat man nicht selbst unter uns sehr bald wieder angefangen, zu unfruchtbarem Gezånke zurückzukehren, und die Kraft des Evangelii zur Besserung zu verläugnen? Hat man nicht neue Versuche gemacht, uns dem Joche menschlicher Meinungen wieder zu unterwerfen? Hat endlich in den neue ften Zeiten der Unglaube nicht alle seine Macht aufgeboten, uns das Evangelium, das der Aberglaube ehemals entstellt hatte, ganz zu entreissen, und die Herrschaft desselben zu stürzen? Welch

ein Anblick, meine Brüder! welche Bemů Hungen, der Religion zu schaden; sie bald durch Unwissenheit, bald durch Vorwiß; bald aus übel verstandenem Eifer, bald aus Bosheit, um ihr Ansehen zu bringen, und ihre Kraft zu schwächen; wie wahr ist es nach dem Zeugniß der Geschichte in jeder Hinsicht, daß sich in den Händen der Menschen nichts mehr verschlimmert, als die Religion.

[ocr errors]

Und dieß wird euch sehr begreiflich werden, wenn ihr an die Fähigkeiten und Leiden schaften unsrer Natur denken wollet. Je wichtiger, erhabner und geheimnißvoller die. Lehren sind, die man unserm Geiste mittheilt, je mehr sie seine Aufmerksamkeit reißen, und ihn über alles Sinnliche hinausführen; desto mehr erwachen alle seine Kräfte, desto begieriger wird er, fie ganz zu faffen, und gründlich zu erfor schen, desto leichter vergißt er die Schranken, die ihm geseht sind, und wagt zu viel. Darf man fich wundern, daß ihm dieß insonderheit bey der Religion begegnet, die ein Inbegriff des Wich tigsten, Erhabensten und Geheimnißvollsten ist, das ein endlicher Verstand denken kann; darf man sich wundern, daß er Versuche macht, die Lehren des Cheistenthums weiter auszubilden, fie begreiflicher darzustellen, und in einen strengen Zu fammenhang zu bringen; darf man sich wundern, daß er bey diesem mißlichen Unternehmen auf sehr verschiedene Wege geråth, sich in Spißfindigkei ten verwickelt, und mit sich selbst uneins wird; darf man sich endlich wundern, daß auch Einbildungskraft und Sinnlichkeit sich einmischen, daß sie durch ihr Blendwerk den Grund zum Aberglauben legen, und der Religion die Gestalt geben, welche den Neigungen des Herzens die

[ocr errors]

erwünschteste ist? Denn dieß erwäget noch be sonders. Die wahre Religion ist in ihren Forderungen so heilig und strenge! Sie verlangt Unterwerfung von allen unsern Trieben; sie vers pflichtet uns zur Ausrottung jeder fehlerhaften Neigung; sie hält uns ein Ziel der Vollkommen heit vor, das unerreichbar für uns ist, und dem wir doch mit unablässiger Anstrengung nachstreben sollen. Werden unsre Leidenschaften bey sol chen Ansprüchen gleichgültig bleiben? Werden fie nicht unaufhörlich geschäftig seyn, an der Religion zu fünfteln, ihre Geseke zum Vortheil unsrer Trägheit auszulegen, ihre Forderungen so zu mildern, wie es unsre Bequemlichkeit wünscht, und sie nach und nach zu einer gefälligen Freundin zu machen, die ein gutes Einverständniß mit ihnen unterhält, und sie wohl gar in ihren Schuß nimmt? Sehet ihr nicht aus dem Evangelio, wie künstlich die Pharifaer die Religion mit ih ren Neigungen ausgeföhnt, wie glücklich sie es dahin gebracht hatten, daß sie ihrer Bosheit, ihrem Eigennus, und ihrem Haß gegen die Romer zum Vorwand und zur Stüße dienen mußte? Und geschieht dieß nicht noch täglich? Giebt ihr nicht jeder die Form, in der er sie am liebsten fieht? Ist sie nicht bald streng und finster, bald heiter und freundlich; ist sie nicht bald das Werk der falten grübelnden Vernunft, bald das Kind der warmen feurigen Empfindung; spricht und arbeitet sie nicht bald für diese, bald für eine an dere Leidenschaft, je nachdem der, welcher sie be kennt, so oder anders gesinnt ist, von dieser oder jener Begierde getrieben wird? Ach es kann fast nicht anders seyn, M. 3., nichts muß sich in den Hånden der Menschen mehr verschlimmern,

als die Religion; die Fähigkeiten und Leidenchaften unsrer Natur bringen es so mit sich.

[ocr errors]

Und nun berechnet noch den jedesmali gen Einfluß der Zeitumstände. Mach Eig und unwiderstehlich ist dieser Einfluß; er zeigt sich in allem, was die Menschen sind, denken, vollen und befißen; sie gewinnen und verlieren, sie sind unwissend oder aufgeklärt, sie sind roh oder gebildet, sie sind glücklich oder unglücklich, je nachdem das Zeitalter beschaffen ist, in welchem fie leben; nur die wenigsten haben Kraft genug, sich über dasselbe zu erheben, und sich die Vor theile selbst zu verschaffen, die ihnen durch die Umstände versagt sind. Wird aber diese Allge walt der Umstände, der bey weitem die meisten Menschen unterliegen, nicht auch der Religion nachtheilig seyn; wird sie in einem unwissenden Zeitalter nicht verdunkelt, in einem leichtgläubigen nicht abergläubisch, in einem gelehrten nicht Spitfindig, in einem schwärmerischen nicht aben theuerlich, in einem ungläubigen nicht verdächtig werden? Werden die herrschenden Sitten und die allgemeine Denkungsart nicht noch mehr zu ihrer Verschlimmerung beytragen? Wird sie in einem rohen Zeitalter ihre Milde, in einem weichlichen ihren Ernst, in einem lasterhaften ihre Heiligkeit, in einem selbstsüchtigen ihre Uneigennu Higkeit, in einem kriegerischen und aufrührerischen jene sanfte Gewalt behalten können, mit der sie alles zur Eintracht, zur Liebe, und zum Frieden stimmt? Werden die Menschen sie nicht mit allen den Fehlern belasten, die sie im Gedränge der Umstånde selbst erhalten; wird sie der Macht der Zeit und dem Strome der Veränderung nicht eben so nachgeben müssen, wie alles, was auf Erden ist?

[ocr errors]
« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »