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schön gebundene Exemplar, als wollte sie das Werk des Ges liebten feien, daß ihn auf seinem Laufe durch die Welt nur Gutes und Liebes begegnen möge. Charlotte stand an der andern Seite des Tisches; ihre sanften Augen ruhten mit inniger Zärtlichkeit auf den Beiden. Sie bat Walter, nun auch das oft gegebene Versprechen zu erfüllen und sein Werk vorzulesen.

Walter erröthete; es fiel ihm plöglich ein, daß er noch einen großen Packen lateinischer Exercitien zu corrigiren habe, und ob es nicht besser sei, einen Abend zu wählen, an welchem Silvia, die heute bei Emma von Sonnenstein zum Besuche war, ebenfalls zuhören könne. Dann mußte er über seine Heuchelei lachen und gutmüthig gestehen, daß er im Stillen gehofft, ja halb und halb gewußt habe, Silvia werde nicht zugegen sein.

Ich weiß, sagte er, daß Silvia gewisse Stellen, auf die ich mir nebenbei gerade besonders viel einbilde, nicht billigen würde, und ich möchte heute Abend nur gelobt sein.

Und sind Sie deffen von unserer Seite so sicher? fragte Amélie mit schalkhaftem Lächeln.

Kommt, kommt, Kinder, und verschwaßt die schöne Zeit nicht, sagte Charlotte, Walter an der Hand nehmend und ihn auf einen Stuhl dicht neben der Lampe weisend, während sie selbst in seiner Nähe Plaz nahm und Amélie sich ein wenig weiter fort in den Schatten sette.

Walter begann zu lesen anfangs etwas unsicher, denn seine Gedanken waren nicht bei dem Buche, sondern bei seinen Zuhörerinnen; aber bald kam der Künstlergeist, der nur in seinem Werke wahrhaft lebt, über ihn; und wenn er auch der lieben Beiden nicht vergaß, so schwebten sie doch nur wie selige Geister an dem Rande seiner erträumten Welt. Jetzt erst, wo er mühlos auf den breiten. Schwingen der nachschaffenden Phantasie diese Welt durchmessen durfte, schien sie ihm ganz zu gehören, während er doch das Einzelne, weil er es nun im Zusammenhange fah, faum wieder erkannte. Jezt auch erst konnte er sich des

Gelungenen wahrhaft freuen, und das minder Gelungene, ja selbst das Mißlungene entlockte ihm nur ein ironisches Lächeln, denn er wußte nun, warum es nicht gelungen war, warum es mißlingen mußte.

So las er ohne Unterbrechung mehrere Stunden.

In gleich tiefem Schweigen, mit gleich tiefer Theilnahme und doch mit sehr verschiedenen Empfindungen lauschten die Frauen. Charlotte saß in ihren Stuhl zurückgelehnt, die Hände in dem Schoß gefaltet, die Augen unverwandt auf den Vorleser gerichtet. Ihrem fein gebildeten Kunstsinn entging es nicht, einen wie großen Fortschritt ihr junger Freund in diesem Werk gemacht, mit wie viel größerer Sicherheit er diesmal seinen Stoff beherrschte, wie viel plastischer diesmal seine Gestalten hervortraten, wie sehr seine Sprache an Fülle und Klarheit gewonnen. Sie überzeugte sich, daß er mit diesem Werke die Gleichgiltigkeit und den Widerstand der Welt besiegen, daß sein Name von jezt an unter den Dichtern der Nation gezählt werden würde. Dennoch konnte sie fich nicht wahrhaft freuen, und ihr Auge wurde trüber und trüber, je weiter Walter in seiner Geschichte kam. Es war ja Walter's Schicksal, das sich da vor ihrem inneren Blicke entrollte; es war ja Walter selbst, mit dem sie da nach Freiheit rang, mit dessen lieber Seele sie diese Leiden erduldete diese Leiden, von denen sie nur zu gut wußte, daß sie nicht erdichtet waren, daß sie sich jeden Augenblick in leidvolle Wirklichkeit verwandeln konnten. Und würde Walter so mächtig wie sein Held den Stürmen trogen? Und wenn er es that war der liebliche Garten ihrer Träume nicht doch zerstört? der kräftige schöne Baum für immer seiner Blüthen beraubt? die holde Blume, die sie so sorgsam gepflegt, für immer geknickt?

Sie wendete ihr trübes Auge nach Amélie, und ein schmerzliches Zucken flog über ihre feinen Züge, als sie in das verklärte, jugendliche Antlig schaute.

Was wußte Amélie von den schweren Sorgen, den bangen Ahnungen, die den Busen ihrer Tante erfüllten?

Für sie war, des Geliebten beredten Worten zu lauschen, ungemischte Seligkeit. Sie erfüllte nur der Eine Triumphgedanke: das hat er schreiben, das hat er dichten und denken können! Und er, der so erhaben ist über Dich, er liebt Dich! Dein, Dein sind alle Schäße dieses edlen Geistes, Dein, Dein alle Paradiese dieses großen Herzens! Du bist die Seele, die in dieser Stimme zittert! Du bist das Licht, das aus diesen Augen leuchtet! Du bist die Muse, die diese Stirn geküßt hat in den stillen, arbeitsamen Nächten, während er dies schrieb und Alles bist Du durch seine Liebe!

Sie regte sich nicht, sie wagte kaum zu athmen, als wäre es ein holder Zauber, der sie gefangen halte, als könne der leiseste Laut, ein Blick nach rechts oder links diesen Zauber zerstören.

Sie hatte nicht bemerkt und Keiner von den Dreien hatte bemerkt, daß schon vor einer halben Stunde Jemand über den weichen Teppich des Nebengemaches an die offene Thür herangeschritten war und seitdem mit verschränkten Armen an dem Pfosten der Thür dagestanden und aufmerksam zugehört hatte. Jeßt, als Walter den ersten Band, an dessen Schluß sich der Knoten scheinbar unentwirrbar verknüpfte, beendet hatte und leise das Buch zumachte, trat die Gestalt aus dem Schatten hervor und auf den Tisch zu. Es war der Freiherr.

Bei seinem unerwarteten plöglichen Erscheinen erhoben sich Walter und Amélie in einiger Bestürzung; Charlotte fonnte sich nicht erheben; ein Blick in ihres Bruders Antlig belehrte sie, daß der Augenblick, den sie so lange gefürchtet, gekommen sei.

Ich bitte um Entschuldigung, sagte der Freiherr, nachdem er die Drei mit einem leichten Kopfnicken begrüßt hatte, aber es war mir unmöglich, als ich vorhin durch das Nebenzimmer ging und Walter lesen hörte, nicht ein wenig zu horchen, denn ich dachte mir gleich, daß es sich um das neueste Buch unseres jungen Freundes handeln werde. So

weit ich mir ein Urtheil habe bilden können, lieber Walter, haben Sie ein im poetischen Sinne tüchtiges Werk geschaffen, voll Feuer, Kraft und Leben; und wenn die Welt Ihnen das danken wird, so haben wir, denen Sie in jeder Beziehung so viel näher stehen, gewiß noch viel mehr Ursache, uns zu Ihrem Erfolge Glück zu wünschen.

Der Freiherr hatte diese Worte nicht in seinem gewöhnlichen gesellschaftlich-heiteren Ton gesprochen, sondern mit einer gewissen vorbedachten Abgemessenheit, wie Jemand, der sich bewußt ist, etwas Entscheidendes auszusprechen, und deshalb sorgsam Acht giebt, daß er nicht zu viel und nicht zu wenig sage.

Ich für meinen Theil, fuhr er fort, freue mich dieses Erfolges recht sehr, und meine Freude würde ganz unges mischt sein, wenn ich nicht ein Bedenken hätte, lieber Walter, das Sie mir auszusprechen verstatten wollen. Sie sind ein ernsthafter Mensch, Walter, wie Ihr Vater auch, und wie ich glaube, Ihr Gutmanns alle. Sie nehmen es ernst mit dem Leben und nehmen es ernst mit der Kunst. Sie tragen Ihren Idealismus in's Leben hinein, und Sie erfüllen gleichsam die Gestalten Ihrer Phantasie mit dem Blute der Wirklichkeit. Das verbürgt Ihnen Ihren Erfolg als Dichter, aber eben deswegen sind Sie meiner Meinung nach einer Gefahr ausgeseßt, die für leichtlebige Naturen nicht existirt; der Gefahr nämlich, Leben und Kunst mit einander zu vermischen, ja mit einander zu verwechseln. Aus einer solchen Vermischung, einer solchen Verwechslung kann aber nichts als Unheil und verzeihen Sie mir das häßliche Wort Unsinn kommen. Nun zweifle ich keinen Augenblick, lieber Walter, daß Sie weise genug sind, der Sie bedrohenden Gefahr zu entgehen; ja der Roman hier ist, wenn ich nicht irre, der Beweis dafür. Wenn ich nach dem, was ich gehört habe, urtheilen darf, versuchen Sie eben die Schicksale eines Menschen zu schildern, der fortwährend die Grenzen der poetischen und der realen Welt vermischt. Ihr Held von niederer Abstammung, in einer ehrenhaften, aber

dunklen Lebensstellung, liebt eine Dame, die sich in den höchsten Sphären der Gesellschaft, für die sie geboren ist, bewegt. Es fällt ihm gar nicht ein, sich zu fragen, ob hier Hindernisse zu überwinden, Schranken aus dem Wege zu räumen sind, ja vielleicht die ganze Basis, auf der unser gesellschaftlicher Zustand nun einmal ruht, zu verändern ist. Durch seine naive Etourderie bringt er sich in die schlimmste Lage, die Dame, die er zu lieben behauptet, in eine unleidliche Situation, Alles in Verwirrung. So schließt Ihr erster Band. Ich hoffe und wünsche, lieber Walter, daß Sie in dem zweiten Ihren Helden zur Besinnung kommen laffen, daß Sie ihn zur Einsicht bringen, wie sehr der Mensch vom rechten Wege abirrt, der sein individuelles Wünschen und Wähnen für das Gesetz der Gesellschaft nimmt; ich wünsche und hoffe es um Ihretwillen, lieber Walter, und nicht minder um meinet, ja um unsertwillen. Ihr Held hat eine gewisse Aehnlichkeit mit Ihnen, lieber Walter; es wäre mir sehr schmerzlich, wenn Sie mir diese Aehnlichkeit verleideten, wenn Sie Ihren Held eigensinnig einen Standpunkt behaupten ließen, auf dem ich Sie in Wirklichkeit um Alles in der Welt nicht erblicken möchte.

Der Freiherr hatte die Gemessenheit seiner Redeweise bis zu Ende bewahrt, aber ein gewisses Schwingen und Zittern seiner Stimme bewies, welche Anstrengung es ihn kostete. Auch schien er nicht im Stande, die Fassung länger zu behaupten, denn er wendete sich nach den letzten Worten plöglich ab und verließ ohne Gruß das Zimmer; Charlotte erhob sich, wollte etwas sagen, aber sie konnte die Worte, fie konnte die Stimme nicht finden; sie machte eine stumme bittende Geberde gegen Walter und eilte dem Freiherrn nach, den man eben die Außenthür des Nebengemachs schlieBen hörte.

Amélie war sehr Sie wußte eigentlich auch die Worte des

Walter und Amélie waren allein. bleich und zitterte an allen Gliedern. nicht, was geschehen war, sie hatte Baters kaum gehört; aber der Ton, in welchem er ges

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