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ich, angenehm seyn, wenn es auch nur bloß diente Sie zu Selbstbetrachtungen aufzumuntern. R. Dieß ist eine doppelte Arbeit für mich. Zuverläs kige Thatsachen machen den Weg zur Wahrheit leicht. Sobald sich aber ein denkender Kopf hin= tergeht, werd ich genöthigt, den Fleck, wo er sich geirrt hat, sorgfältig aufzuspüren und so lange zu fuchen, bis ich das Lager seines Trugschlusses finde. Diese Jagd ist wenigstens mühsam. Weil ich mich aber niemals überreden kann, daß sich ein Mensch ohne irgend einen Scheingrund hinter gehen sollte, fo bin ich noch grausamer gegen mich, und höre nicht auf selbst die Ursache eines Irra thums auszuforschen, welches denn freylich eben so ermüdend als lehrreich ist. Manchmal habe ich das gute Glück auch diese Ursache zu entdecken, und, ich darf wohl sagen, daß ich durch Fleiß und Wes bung in dieser Jagd ziemlich gewißiget bin, und ohne Ruhm zu melden alle (denn es gibt ihrer eben nicht viele) Schlupfwinkel und Löcher der Irrthüs mer kenne.

P. Ich bitte mir doch einige anzuzeigen.

R. Es sind immer entweder die Sitten oder die Bez griffe des Jahrhunderts, in dem der Schriftstel ler gelebt hat, der herrschende Ton der schönen Geis fter seiner Zeit, irgend ein berühmter Uutor, der feine Zeitverwandten übermeistert hat, u. s. w. Der Hauptgrund aber der Vorurtheile und woran alle Menschen mehr oder weniger straucheln, und, vor dem sie am wenigsten auf ihrer Hut sind, ist die Fertigkeit, besondere Ideen allgemein zu mas chen. Man ist sich dieses Betruges desto wes niger bewußt, weil es nur ein halber Fehler ist. Die Idee ist nämlich in einigen Fållen und unter besondern Umständen wahr; der Mißbrauch aber besteht in der übertriebenen Ausdehnung. Monz tesquieu, der große Montesquieu wimmelt von folchen Fehlern. Da er so glücklich gewesen ist, die feinsten Begriffe, die schlauften Verhältnisse zu ertappen, so hat er alles, was er in einem besondern Gegenstande seines Nachdenkens lebhaft fas he, auch eben so richtig gesehen; hat aber fluge davon eine allgemeine Anwendung oder Induction gemacht..

Der M. Mein Herr Ritter! was ist ihre Meynung vom Geist der Geseke? Was halten Sie davon? R. Es scheint mir das beste Buch in seiner Urt zu feyn. M. In feiner Art! was wollen Sie damit sagen: in feiner Urt?

R. Weil Jemand vielleicht seyn könnte, dem eine gu: te Leber - Pastete *) besser schmeckte als das ganze Buch des Montesquieu, ohne eben Unrecht zu ha ben. Dieß wäre nun einmal sein Geschmack, und ein solcher Geschmack würde dem Geist der Gesche gar nicht nachtheilig seyn; weil eine Vergleichung eigentlich nur zwischen Dingen, die von gleicher Art sind, und verglichen werden können,~Etatt finden kann.

M. Das versteht sich freylich; aber Scherz bey Seite, ift es möglich, daß jemand sollte im Ernst den Geist der Geseze verachten können?

R. Ganz gewiß.

M. Das versteh ich nicht.

P. Ich auch nicht.

R. Nichts ist gleichwohl faßlicher. Untersuchen Sie einmal die Gelehrsamkeit des Montesquieu, und

*) Un bon paté de Périgueux. Nach einem bekannten Dicto claffico der Philosophen ist die deutsche Benennung a potiori her genommen; weil zwölf kebern das Haupt- Ingrediens find. Wegen der übri• gen Zugehör einer guten Perigorder - Pa ftete belieben sich alle wißbegierigen Da men, die ihr Mémorial de cuifine et d'office bereichern wollen, mündlich oder schrift. lich an den Ueberseger selbst zu wenden –

Was aber des großen Montesquieu Meisterstück betrifft, so weiß ich Jeman den, der seit einigen zwanzig Jahren an den drey ersten Büchern derselben liest, ohne damit fertig zu werden, weil ihm, auch im Vorbeygehen zu sagen, der Almanac Royal erbaulicher ist. N. N.

derer die zu feiner Claffe gehören, welche sie mie erlauben werden Metaphysiker zu nennen, weil diese ziemlich uneigentliche Benennung derselben bereits eingeführt ist: so ist ihre Composition eine Art von eingelegter Arbeit oder Mosaik, die auf eine Zufammenfegung unendlicher, einzelner Schärflein herz ausläuft, welche weder bearbeitet noch geändert werden, sondern ihr wahres, natürliches, bez stimmtes Daseyn behalten müssen. Aus diesen künst lich zusammen geleimten, unter einander geordne ten, schattirten Theilchen entsteht ein großes Gez mälde, und ein neues Schauspiel, das gleichwohl aus lauter zerstreuten Bestandtheilen hervorgebracht ist. Die Mühe, diese Materialien zu sammeln, ihre natürliche Wahrheit, die Größe des Werks, das Ganze, die Symmetrie, die Ordnung, die WirFung, die Genauigkeit der Fügungen, die Schönheit der Schattirungen und Abstuffungen machen das ganze Verdienst und den ganzen Werth einer solchen Arbeit aus. Unter allen Werken, die wid von dieser Art haben, ist keins unermeßlicher und an Stoff reichhaltiger als dasjenige, so Montesquieu das Herz gehabt hat zu unternehmen. Es ist aber fast unmöglich, daß diese Art von Composition den Beyfall der Poeten erhalten sollte.

M. Wie so?

R. Weil des Poeten Arbeit schnurgerade davon das Widerspiel ist. Der Dichter ist ein Statuengießer; er schafft, erfinder, und hat kein größer Verdienst, als in so fern fein Werk aus einem Guß und gleich fam Ein Stück mit der Mutterform ist; ihm ist es nicht erlaubt Theile anzuflicken, anzuleimen oder anzulöthen eine gewisse Unordnung des Entwurfs, ein wenig. Nachläßigkeit der lezten Hand tragen zur Verschönerung bey, statt nachtheilig zu seyn. Daher kommt es, daß der Poet nichts am Methaphysiker, noch dieser an jenem zu bewundern findet. Der Poet wird immer den Mangel der Einbildung und der Metaphysiker den Mangel der Beweise vermissen.

M. Was würden Sie zu einem Metaphysiker sagen, der zugleich Poet wäre?

R. Von dem würde man gewiß glauben, daß er sich oft selbst widerspräche.

M. Sich selbst widerspräche?

R. Uber ohngeachtet diefes Ladels wird er mir schäße bar bleiben. Solche Scheinwidersprüche sind ihm eben so wenig schimpflich als dem Monde seine Wandlungen. Trok feiner verschiedenen Aspecten bleibt dieser Himmelskörper an sich selbst doch unwandel. bar Ein solcher poetischer Metaphysiker müßte aber einen Kalender der Tage, an denen er ent weder ein Poet oder ein Metaphysiker gewesen, zum Besten aller seiner Leser drucken lassen. DochSpaß bey Seite, ich werde immer denjenigen bewundern, an dem die Natur um uns für die lange Weile den ganzen Umfang ihrer Kräfte sehen zu lassen, durch Vereinigung zweyer höchst seltenen und kostbaren Wesen ein Wundergeschöpf hat liefern wollen. M. O! dafür muß ich Sie umarmen. So sehr Sie mich auch bisher geårgert haben, verdienen Sie, daß ich Sie jest umarme

R. Uch! Sie ersticken mich.

M. Daran ist nicht gelegen. Sie wissen nicht, was Sie mir für Vergnügen gemacht! Ja, wenn Sie nur wüßten, was Sie alles gesagt haben!

R. Was ist denn nun mehr?

M. Uch! Sie wissen selbst nicht, was Sie uns, für schöne Sachen alles gesagt haben. Über genug hievon. Der Präsident ist hier, Sie über Brodsas chen reden zu hören.

R. Mit Ihrem lieben Brod! Der Mensch lebt nicht vom Brod allein. M. Der Präsident ist mein Secundant

R.

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*)

Vielleicht werd ich Ihnen sehr ges meine Sachen sagen. Hätte ich die jüngst ausges kommenen Bücher gelesen, so würde ich wissen, was Undere bereits von dem, was ich für wichtig halte Ihnen zu sagen, gesagt haben, und Sie als fo einer unnügen Wiederholung überheben können. Weil ich das aber nicht weiß, so seyn Sie so gus tig mich zu erinnern, damit ich mich nicht bey dem was Ihnen schon bekannt ist aufhalte.

*) Hier ist eine Lücke von S. 102

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weil der Sinn und die Schönheit der aus. gelassenen Stelle sich auf den Inhalt der vorigen Gespräche bezieht.

Sie können sich darauf Rechnung machen, daß ich Sie mit Vergnügen auch solche Dinge sagen hören werde, die von Undern schon gesagt worden Frankreich ist zwar heutiges Tages mit Manufacturen von jeder Art angefüllt; dennoch, seiner Natur nach, zum Ackerbau aufgelegt. *)

R. Ist das wahr?

P. Folglich ist diese Untersuchung von der größten Wichtigkeit für uns, und ich bitte zu selbiger fort= zuschreiten.

R. Sagen Sie mir, Herr Pråfident, haben Sie jes mals den Begriff eines ackerbauenden oder landwirthschaftlichen Volks nåher untersucht?

P. Das kann ich eben nicht sagen.

R. Nun so will ich es thun. Sie müssen aber nicht erstaunen, wenn ich Ihnen sage, daß es eine Nas tion von Spielern ist.

P. Eine Nation von Spielern! Diese zwey Worte ers wecken ein solches Gedräng von Ideen in meinem Gehirn, daß ich weder Ja noch Nein zu antwors ten weiß. Dazu gehört erst Ueberlegung.

M. Uch! Herr Präsident, nehmen Sie sich ja in Ucht. Das ist des Nitters wahrer Balg; mit lauter ders gleichen nagelneuen, höchst seltsamen, unerhörten Ideeen überrascht und überfällt er immer seinen Mann. Er trägt, so zu sagen, Blendlaternen unter seinem Mantel, die er plöglich hervorzieht, Ihnen ins Gesicht hält, daß Sie vor lauter Schim mer nichts sehen können, und unterdessen Sie sich nur besinnen und zu sich selbst kommen wollen, gewinnt er einen guten Vorsprung, häuft Sag auf Sah, Theorem auf Theorem, und ehe sie es gewahr werden, find Sie in seinem Neg

Ich will ihnen allen Verdacht einer Ues berraschung benehmen, und es soll Ihnen an Zeit nicht fehlen die Richtigkeit meiner Vergleichung zu prüfen. Haben sie in ihrem Leben mit Spielern Umgang gehabt?

*) Ich weiß die Kunstwörter pays agricole. peuple et nation agricole nicht anders als durch ackerbauendes, Land, oder Feld. wirthschaftliches Volk zu verdeutschen.

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