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Hierbei ist aber noch energischer als beim Alten Testament die Warnung vor Verwechslungen von Inhalt und Form auszusprechen. Die Evangelisten und Apostel sind Kinder ihrer Zeit. Sie bieten goldene Äpfel in silbernen Schalen, tragen ihren Schatz in irdenen Gefäßen; aber die Form und Ausschmückung des Gefäßes ändern nichts an dem Werte des Schatzes, sie bieten die Darstellungsform für einen analogielosen Inhalt. Man kann beispielsweise die Frage erörtern: Wie würden die apostolischen Aussagen über Christi Person und Werk lauten, wenn das Christentum innerhalb der kopernikanischen Ära auf die Welt gekommen wäre? Wie auch die Antwort im einzelnen lauten würde, es könnte sich nur die Ausdrucksweise, nicht aber der reale Inhalt der christlichen Glaubenssätze ändern. Und es würde sich herausstellen, daß auch der moderne Mensch in tausend Fällen zu den alten Darstellungsmitteln greifen müßte, wie man ja trotz Kopernikus noch heute sagt: „Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter." Nicht nur unser Wissen, sondern erst recht unsere Ausdrucksmittel bleiben Stückwerk.

Am wenigsten wird vom ,,altorientalischen Hintergrund" in dem Evangelium Jesu zu spüren sein. Jesus ist zwar durchaus nicht, wie neuerdings behauptet worden ist1, im Sinne seiner Zeit und seines Volkes ,,Laie" gewesen. Die Pharisäer würden sich dann gar nicht mit ihm eingelassen haben. Sie haben ihn wohl von Sinnen" gescholten, aber sie haben ihn nie einen „Am haarez" genannt.2 Das Evangelium Matthäi zeigt klar und deutlich, daß Jesus ein Gebildeter im Sinne seiner Zeit war. Aber das schlichte Evangelium Jesu bedurfte nicht der phantastischen Bilder der orientalischen Mystik. Spuren finden sich, abgesehen von den Gerichtsreden, die unleugbar spätere Einflüsse zeigen, beispielsweise in der Ausdrucksweise von Stellen wie: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen";,,Der unsaubere Geist wandert durch dürre Stätten"; ,,Ich sahe Satanas herniederfahren als einen Blitz"; „Ich könnte

ist wohl allgemein anerkannt. Übrigens war der Hellenismus der apostolischen Zeit stark orientalisiert. Fast in allen Fällen, in denen religionsgeschichtliche Untersuchungen über das Neue Testament griechische Motive finden wollten, handelt es sich in Wirklichkeit um orientalische Motive.

1) Vor allem von Wernle, Die Anfänge unserer Religion, der verhängnisvolle Schlüsse daraus zieht.

2) Vgl. A. Wünsches Abhandlungen in Vierteljahrsschr. f. Bibelk., talmud. und patrist. Studien, 1. und 2. Jahrgang.

Einleitung.

5 mehr denn 12 Legionen Engel erbitten";,,Sie werden sitzen auf den 12 Stühlen".1

Häufiger stoßen wir auf orientalische Formen in den apostolischen Schriften, insbesondere bei Paulus, der den Juden ein Jude und den Heiden ein Heide wird und die gesamte Bildung seiner Zeit seiner Verkündigung dienstbar macht, um Formen zu finden für den neuen Inhalt, den kein Ohr gehört, und der in keines Menschen Herz gekommen ist.2 Vor allem aber zeigt die Apokalypse altorientalische Formen. Sie greift mit vollen Händen in das bunte Bilderbuch der alten Welt. Ihre Gedanken bewegen sich auf Gebieten, auf denen auch der Christenheit die religiöse Erfahrung fehlt. Deshalb muß sie insbesonders dort, wo sie über die individuelle Hoffnung hinausgreift und den Kosmos in die Zukunftsbilder hineinzieht, ihre Bilder und Farben der alten mythischen Kosmologie entnehmen.

2. Die reale Welt, in die Gottes Offenbarung in Christo eintrat, war keine gottverlassene Welt. Die auf die Erlösung hingerichtete Leitung Gottes beschränkte sich auch nicht auf

1) Während der Drucklegung werde ich auf die Ausführungen Kählers in seinen Dogmatischen Zeitfragen 89 f. aufmerksam gemacht, denen ich rückhaltlos zustimme: .. Jesus verhandelte mit den Juden seiner Zeit. Sie mußten ihn doch wenigstens äußerlich verstehen können. Auch ist er ja in allem, was Darstellung, Verdeutlichung, Anschaulichkeit angeht, notwendig der Sohn seines geschichtlichen Ortes. (In der Anmerkung heißt es: Auch der Bilderstoff Jesu ist örtlich und zeitlich bedingt.) Aber dafür ist der Inhalt seiner Rede jener Zeit so fremd, wie jeder andern Zeit, sofern eine solche den Inhalt nicht von ihm angenommen hat oder aus der ihn vorbereitenden Offenbarung. Und dieser Inhalt von Tatsachen und Gedanken der Ewigkeit, dieser Ausdruck des allzeit Gleichen und allzeit Geltenden, in dieser unvergleichlichen Sicherheit des überirdisch Tatsächlichen gedacht und gesprochen dieser Inhalt zieht auch die Darstellung in ihre Art hinein. ..... Renan bedauert den armen Rabbi mit seinem ausgesprochenen dégout gegen alle Zeitbildung. Hätte Jesus nun seine Stoffe aus der Bildungsaristokratie von Jerusalem und Cäsarea gewählt, wer wollte es unternehmen, den Batta und Sulu, den Südseeleuten und Papua seine Gleichnisse zu überliefern? . . . . . Die Probe ist ja oft genug gemacht, wie allgemein verständlich seine Worte sind, und wie schwer es dagegen schon ist, die Schriften seiner Jünger ganz verständlich zu machen."

2) Einer besonderen Beurteilung unterliegt die paulinische Engellehre und Eschatologie, vgl. hierzu S. 83 ff. Sie stehen nicht auf gleicher Linie z. B. mit der paulinischen Rechtfertigungslehre. Das erklärt sich genügend daraus, daß sie Gebieten angehören, die außerhalb der christlichen Erfahrung liegen.

die religiöse Entwicklung innerhalb Israels. ,,Gott ließ die Menschen ihre eigenen Wege gehen“, aber er war nicht ferne von einem jeglichen unter ihnen". In dieser Wahrheit liegt die Position, von der aus wir die These der „, religionsgeschichtlichen Schule", nach der das Christentum eine synkretistische Religion sein soll, bekämpfen. Augustinus sagt: „,Was jetzt christliche Religion genannt wird, war schon bei den Alten vorhanden und fehlte nie von Anfang des menschlichen Geschlechts, bis daß Christus ins Fleisch kam; seitdem fing man an, die wahre Religion, die schon vorhanden war, die christliche zu nennen." Dieses kühne umstrittene Wort enthält eine tiefe Wahrheit. Es ist der Gedanke vom λóyos orɛquatinós.,,Weithin ist ausgestreut der göttliche Same." Insbesondere zieht sich durch die gesamte Welt, vor allem durch die Welt des Orients die Hoffnung auf einen Erlöser. Die Väter der Kirche haben das mit Staunen gesehen und einige unter ihnen sind geneigt gewesen, die heidnischen religiösen Institutionen als teuflische Nachäffungen christlicher Wahrheiten anzusehen. Dieser Irrtum beruht auf einer ungerechten Beurteilung des antiken Heidentums, die noch heute tief in der Theologie eingewurzelt ist. Wenn wir das antike Heidentum nach seinen lasterhaften Auswüchsen beurteilen, so ist das ebenso ungerecht, als wenn ein Buddhist das Christentum nach irgendwelchem fratzenhaften Heiligenkultus beurteilen wollte. Der Naturdienst des Heidentums enthält Schattenbilder der Wahrheit. ,,Alle Theologen unter Hellenen und Barbaren haben das Wesen der Dinge verborgen und die Wahrheit in Rätseln und Symbolen, in Allegorien und Metaphern überliefert“, sagt Clemens von Alexandrien. Im Christentum ist zur Realität geworden, was der Kult der „Eingeweihten" erstrebte und nie erreichen konnte 2: 1. Die Erkenntnis Gottes im Angesicht Jesu Christi, und 2. die Gewißßheit des Lebens jenseits des Todes in der Auferstehung Jesu Christi von den Toten.

Endlich sei noch eine Bemerkung gestattet angesichts der Warnungstafeln, die neuerdings für die Vergleichung des Christentums mit anderen Religionen aufgerichtet wurden3: man solle vorsichtig sein 1. im Aufsuchen von Analogien, 2. in der Kon

1) Stromata V, 4, 21.

2) Über den entsprechenden doppelten Sinn der Mysterienkulte vgl. meine Broschüre: Monotheistische Strömungen innerhalb der babylonischen Religion, Leipzig J. C. Hinrichs 1904.

3) Reischle, Theologie und Religionsgeschichte.

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stituierung von Abhängigkeit dort, wo sich Analogien finden, 3. in der Konstituierung von Entwicklungsgängen. Die Warnungen sind an sich berechtigt. Aber sie werden zum Teil hinfällig, sobald man erkannt hat, daß es sich in den wichtigsten Punkten überhaupt nicht um Analogien und literarische Entlehnungen handelt, sondern um Wanderung gewisser Grundideen durch die gesamte Menschheit.

Wer die Einheitlichkeit des altorientalischen Weltsystems, die man einfach das vorkopernikanische nennen kann, durchschaut hat, sieht sich nämlich in bezug auf die neutestamentliche Zeitgeschichte von zwei Irrtümern befreit. Man erkennt erstens, daß der religiöse Synkretismus, der damals die Welt beherrschte, nicht ein gedankenloser Wirrwarr der Religionen ist, sondern daß er unbewußt eine großartige Bewegung darstellt, alle Religionen der bekannten Welt auf einen Gesichtspunkt zurückzuführen. Es ist auch unstatthaft, von jüdischen, persischen, alexandrinischen und sonst welchen Einflüssen auf die neutestamentliche Literatur zu reden, ohne diesen Nachweis im einzelnen Falle auf die Wurzel einer allgemeinen altorientalischen Weltanschauung zurückzuführen. Zum zweiten ergibt sich aus der altorientalischen Weltanschauung die Forderung, daß das vorexilische Judentum und das nachexilische Judentum in bezug auf kulturelle und ,,wissenschaftliche" Anschauungen nicht mehr geschieden werden darf. Der Unterschied liegt nur darin, daß in vorexilischer Zeit unter dem Einfluß der großen religiösen Persönlichkeiten das altorientalische Weltbild unterdrückt wird, während das nachexilische Judentum der altorientalischen Weltanschauung und zwar insbesondere in ihrer neubabylonischen und persischen Ausprägung freie Bahn gibt.2

1) Vgl. hierzu die grundsätzlichen Bemerkungen S. 65, Anm. 2 und S. 67.

2) Der Talmud wird häufig als eine Mauer gegen fremde Kultur angesehen. Das gilt höchstens in gewisser Beziehung von der griechischen Kultur. Wir werden an vielen Beispielen zeigen, daß das talmudische Schrifttum mit seinen Ausläufern von altorientalischer Weisheit durchzogen ist. Man vergleiche z. B. die Analogien, die bei J. Jeremias, Moses und Hammurabi 2 zwischen dem Cod. Hammurabi und dem talmudischen Strafrecht festgestellt sind.

Erstes Kapitel.

Der Kalendermythus vom sterbenden
und siegreichen Jahrgott.

Die Lehre von den Weltzeitaltern, die von Babylonien aus durch die ganze Welt gewandert ist, findet seit den ältesten uns bekannten Zeiten ihren dramatischen Ausdruck im Kalendermythus, im Mythus vom Jahrgott, der in die Unterwelt hinabsteigt und nach dem Sieg über den Wasserdrachen der Welt neues Leben bringt. Dabei spiegelt der Jahreslauf im kleinen das Weltenjahr wieder. Insbesondere entspricht der Sieg des Sommers über den Winter der Welterneuerung, die im Uranfang nach Besiegung des Wasserdrachens aus dem Chaos hervorging. Und was in der Urzeit geschah und jährlich im kleinen sich abspielt, wird das Schlußdrama am Ende des Weltenkreislaufs bilden.1

Den astralen Hintergrund dieses Jahrmythus bilden entweder die Erscheinungen der Sonne oder die des Mondes oder die des Planeten Venus, die sich im Naturleben als lebentötende und lebenerweckende Kräfte widerspiegeln. Der auf Venus angewendete Jahrmythus bildet den Hintergrund des Mythus von der,,Höllenfahrt der Ištar". Ein Mond-Jahrmythus ist der ägyptische Mythus von Osiris.2 In der uns historisch bekannten Zeit spielt die wichtigste Rolle der Sonnen-Jahrmythus. Als Jahrgott gilt dabei jeweilig die Gestirngottheit, als deren Offenbarungsstätte der Frühlingspunkt des Sonnenkreislaufs zu gelten hat. Das ist auf babylonischem Boden während der 21⁄2 Jahrtausende, die uns die Urkunden am deutlichsten erschließen, Marduk, der Stadtgott von Babylon. Die Sonne steht seit der Gründung Babylons ca. 2800 im Bilde des Stiers. Der Stier ist Marduks Symbol.3 Sofern im Kalendermythus der Jahrgott beide Seiten des Naturlebens vertritt, heißt er Tammuz. Der

1) Auch in Voluspâ, dem nordischen Mythus, wird der Jahresmythus zum Weltenmythus. ,,Was Frühling und Sommer war, ist ein Weltalter; der Winter ist Weltuntergang und Götterdämmerung; der junge Frühling ist eine neue Welt und Wiedergeburt der Götter. Das ist die Kunde der Nornen vom Weltbaumbrunnen". S. Hans von Wolzogen, Die Edda S. 139. 2) Er lebt (bez. regiert) in der Sage 28 Jahre Mondzahl. 3) Auch der Jupiter-Charakter Marduks wird bei der auf Marduk zugeschnittenen Kalenderreform eine Rolle gespielt haben. Und dann

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