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Die Brüder des Herrn.

Im Advent.

Brief an die Hebräer Cap. 2. V. 10 — 13.

„Es ziemte dem, um deßwillen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, der da viele Kinder hat zur Herrlichkeit geführet, daß er den Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte. Sintemal sie alle von Einem kommen; beide, der da heiliget und die da geheiliget werden. Darum schämet er sich auch nicht, sie seine Brüder zu beißen; und spricht: Ich will verkündigen deinen Namen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen. Und abermal: Ich will mein Vertrauen auf ihn sezen. Und abermal: siehe da, ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat.“

Die Worte versetzen uns in das innerste Wesen des Neuen

Bundes. Die Berechtigung zu diesem Urtheil liegt in dem Ausdrucke vor, welcher sich unmittelbar als die zusammensassende Summa, als Kern und Nerv des ganzen Abschnitts kenntlich macht. Von der Bruderschaft ist die Rede. Das ist in der That ein Begriff, der seinen Inhalt nicht minder wie seine Verwirklichung erst durch das Evangelium von Christo gefunden hat. Im Reiche Gottes nehmen die Brüder jenen großen und weiten Raum ein, auf welchem sich sonst nur die Nächsten be funden hatten; und mit dem neuen Namen ist zugleich die neue Sache ans Licht getreten. Das Schwert des Herrn hat manche Bruderbande gelöset, die nur das Geblüt geschaffen hatte; aber heiligere und dauerhaftere hat an ihrer Statt sein Geist geknüpft. Das Wort des Herrn verlangt, daß wir um seinetSteinmeyer, Beiträge I. 2te Auf.

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willen auch die Brüder verlassen sollen, es hat bewirkt, daß ein Bruder sich in Streit und Kampf wider den andern erhob; aber was im Fleisch genommen ward, das ist verklärt zurückerstattet und hat zur Rechtfertigung der ausdrücklich gegebenen Verheißung einen hundertfältigen Erfaß gefunden. Unabschbar ist die Schaar, die der Herr in den Bruderbund der Seinen aufgenommen; unvergleichlich die Zunigkeit, mit der nach seinem Willen die Glieder zusammenhangen sollen durch alle Gelenke; unermeßlich die Fülle der Forderungen, die in dem bloßen Brudernamen beschlossen sind. Wenn die Worte des Textes ven der einen Seite den tiefsten Grund dieser neuen Schöpfung enthüllen, so können wir es uns andrerseits nicht verhehlen, daß ihre eigenthümliche Begründung eben dem christlichen Ge müthe einen wesentlichen Anstoß bereitet. Es wird uns gesagt, daß der, welcher das Haupt ist, Jesus Christus, sich nicht schäme, uns seine Brüder zu heißen, gleich wie das prophetische Wort ihn sprechen lasse: Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen. Freilich wenn sein Herz von solcher Scham nichts weiß, o wie schlecht wird sie Denen anstehen, die anbetend zu ihm emporschauen; aber daß num jene Bezeichnung in vollem Ernste gemeint set, das getrauen wir uns deßhalb kaum zu glauben, weil keine bloße Herablaffung die Kluft genügend auszufüllen scheint, welche die schwache sündige Creatur von ihrem hohen heiligen Haupte scheidet. Das Befremden, mit welchem das fromme Gefühl seinen Einspruch erhebt, ist viel zu tief begründet, als daß es leicht und einfach beschwichtigt werden könnte. Zwar der Text ist die einzige Schriftstelle nicht, welche ausdrücklich und unzweideutig in diesem Tone redet. Der Heiland selbst spricht das Wort der Bestätigung. Da reckt er über seine Jünger die Hände aus, und ehrt sie mit dem schönen Zeugniß, daß sie, die den Willen thäten seines Vaters im Himmel, ihm Brüder sehen und Schwestern, ja selbst der Mutter Statt verträten; und als er bereits im Begriff stand, auf den Stuhl

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seiner Majestät emporzusteigen, selbst da schämte er sich nicht, Maria Magdalena mit dem Auftrag zu entfenden: gehe hin zu meinen Brüdern und verkündige ihnen, daß ich auffahre zu meinem Gott und zu eurem Gott, zu meinem Vater und zu eurem Vater. Aber wenn wir nun auch auf den Umstand kein großes Gewicht legen, daß wir uns in der ganzen heiligen Schrift nach ferneren ähnlichen Aeußerungen vergebens umthun würden, so wird uns doch tausendfach ein also erhabenes Bild von dem Herrn gezeichnet, daß es an sich selbst alle Gedanken an eine Bruderschaft auszuschließen scheint. „Der von oben her kommt, ist über Alle,“ so lautet das Zeugniß des Adventpredigers, welcher es gern bekannte, er sey nicht werth, ihm die Schuhriemen aufzulösen; und das Wort des Erlösers selbst: Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid alle Brüder," rügt das Vergessen der gesezten Schranken mit allem Ernst. Und diese Zeit vollends, da Zion ihm Palmen streut und sein Hosianna erschallen läßt, wo die Christenheit sich unter einander ermahnt: machet die Thore weit, und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren, der Herr stark und mächtig seinen Einzug halte, wo die majestätische Würde des Sohnes Gottes uns unmittelbar vor das Auge gerückt wird, - sie scheint es zwiefach zu erschweren, das Verhältniß Jesu zu uns als ein brüderliches zu denken. Daß der Apostel weit davon entfernt ist, uns die Krone des Herrn verdecken zu wollen, daß er uns über den Bruder des königlichen Herrn nicht will vergessen lassen, dafür bürgt nicht nur das kurz zuvor ausgesprochene Bekenntniß, Jesus sey gekrönt worden mit Preis und Ehre und Alles sey seinen Füßen unterthan gemacht, sondern überhaupt die Thatsache, daß kaum ein anderer Apostel mit glänzenderen Zügen die Herrlichkeit dessen gezeichnet hat, von welchem gerade er (Cap. 1, 3.) gerühmt: sintemal er ist der Abglanz göttlicher Herrlichkeit und das Ebenbild göttlichen Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Worte, hat er sich gesezt zu der Rechten der Majestät in der Höhe. Wenn

aber dieser Anstoß hinweggeräumt ist, wenn die Bruderschaft uns nicht hindert, vielmehr aufs Neue anregt, uns tiefer vor seinem Throne zu beugen, dann werden wir dankbar die Kraft, welche der Adventsfreude von hier aus zufließt, dahinnehmen, auf daß aus vollerem Herzen unser Hosianna dem nahenden König entgegenschalle. So möge uns denn

die brüderliche Stellung des Herrn zu seinen Gläubigen

beschäftigen. Wir fragen zuerst, wie wir dieselbe zu vereinigen haben mit seiner über alles erhabenen Würde; und zweitens, welch' einen Ausdruck sie im christlichen Leben finden solle.

Wie ernstlich der Schein eintrete, als würde durch das Wort des Apostels die Würde unsers Heilands beeinträchtigt, das leuchtet Allen denen von selbst ein, welche den vielfach mißbrauchten Begriff der Bruderschaft in das volle Licht der Wahrheit stellen. Läge in demselben nichts weiteres, als was uns aufs Erste in Gedanken kommt, so wäre die Verständigung eine überaus einfache. Die Bruderschaft deutet allerdings zunächst eine Verwandtschaft, und zwar eine eben so nahe wie unauflösliche. Sie beruht nicht auf gegenseitigem Wohlgefallen und wechselweiser Anziehungskraft; nicht auf willkürlicher Wahl oder freiwilliger Uebereinkunft, wie solches etwa von dem Verhältniß der Freundschaft, ja auch von dem Bunde der Ehe gilt; sondern sie ist auf eine von uns selbst völlig unabhängige Weise gesetzt worden. So kann sie denn auch nimmer ein Gegenstand willkürlicher Lossagung seyn; dem Freunde darf ich die Freundschaft auffagen, auch von der Ehe giebt es eine Scheidung, die Bruderschaft bleibt allezeit in voller Kraft bestehen; und wie entschieden ich auch Jemanden die brüderliche Liebe aufkündige, eine wie feindselige Stellung ich gegen ihn einnehme, nie habe ich die Macht und das Recht, zu ihm zu sagen: du bist mein Bruder nicht mehr. Daß der Herr Jesus Christus zu uns Allen in das Verhältniß einer so nahen Verwandtschaft

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