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Sitten, eine abgehärtete Arbeitsamkeit, eine kriez gerische Wildheit, erhalten die Freyheit ohne Unterschied der Regierungsform. Dieß ist die erste Epoche des Spielers. Der männliche und martialische Character solcher Völker erzeugt Kriege, innerliche oder auswärtige. Krieg ist der Luxus einer Nas tion, und giebt den ersten Anlaß zum Verfall des Staats. Wenn die handfeste Jugend einmal durch den Krieg dünner gemacht wird, so entartet der Feldbau, es entsteht Theurung, und man muß zu feinen Nachbarn Zuflucht nehmen, der Handel nimmt seinen Anfang, aber mit lauter Verlust, das Geld geht aus dem Lande, der Staat_wird erschöpft und es entspringen National - Schulden.

Keine Manufactur (denn die Nation hat sich gar nicht darauf gelegt) kann den Ankauf der Lebensmittel in diesen Jahren der Theurung bezahlen. Man muß also auf Credit kaufen und für diesen Credit Zinse abtragen, wodurch die Ordnung und Har= monie des ganzen Systems beginat gestört zu wers den. Die wesentlichsten Einkünfte der Oberherrs schaft werden verpfändet, veräußert, usurpirt; die ungleichheit der Stände nimmt zu. Dieß ist die zweite Epoche_des_in_Schulden gerathenen Spielers. Noch schimmert ein Stral der Hoffnung. Durch eine Folge guter Ernten scheint sich der Staat wieder zu erholen; aber ein einziger Mißwachs stürzt ihn in neue Schwierigkeiten. Weil bereits durch den Handel unter dieser Epoche dem fleißigen Ausländer die Thore offen stehen, so kommt selbi ger durch neue Gegenstände die dem Menschen natüre liche Lüfternheit zu versuchen. Er macht zu neuen Bez dürfnissen und Begierden Gelegenheit. Die Sitten des Landjunkers werden verdorben, ehe noch selbige geschliffen worden. Der Geschmack an Lustbarkeis ten und Pracht wurzelt nun zum erstenmal im Herzen der Vornehmsten; sie wollen einen Eurus im Lande, ehe sich noch daselbst die Künste ange= segt haben; sich zu befriedigen, unterdrücken sie den Echwächern. Weil sie sich auf den Werth künftlither Arbeiten nicht verstehen, scheint ihnen alles bewunderungswürdig, überaus köstlich, und sie bez zahlen die fremden Manufacturen übermäßig hoch. Der Ausländer gewinnt dabey, betrügt die Großen beym Verkauf und hintergeht die Kleinen durch

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den Bucher seiner Vorschüsse. Das Geld zieht sich zurück und verschwindet; der Landbau leidet, die öffentlichen Abgaben nehmen zu und der Nationals frock ab. Der Staat nähert sich dem Umsturz und das Uebel hat den Gipfel erreicht. Das Volk, ein eben so guter Kenner der Wirkungen als schlechter Kunstrichter der Ursachen; schreibt sein Elend dem Mißbrauch der Großen und ihrer Gewalt zu, und ruft den Despotismus zur Hülfe, dies ist die leste Epoche. Ein landwirthschaftliches Volk, das so weit gebracht ist, erhält noch die Tugenden seines Uhnencharacters. Es ist gutherzig, großmüthig, gaitfrey, brav, offen, empfindlich für die Ehre; aber durch fein Unglück gelähmt, und faul aus Ungewißheit oder Mangel der Mittel Das Geld ist ohne ums lauf und entweder in todten Hånden, (*) oder in den Hånden der großen Herren oder auch in sehr weniger Handelsleute ihren. Diese sind verhaßt und verachtet; sich dafür schadlos zu halten, leihen sie ihr Geld auf desto höhere Zinse aus. Es sind im mer Ausländer, ja oft Leute von einer andern Res ligion, Juden, Griechen, Kezer, 20. Sie machen eine Gesellschaft und Nation für sich aus, ein Ges genstand des Abscheues dem Volk, und der Verfolgung den Großen; Blutigel, denen man das Blut nicht anders abzapfen kann, als daß man fie in Stücke zerhackt. Durch dergleichen Graufamkeiten glaubt die Politik, bey sonst tugendhafs ten und edel gesinnten Völkern den Umlauf des Geldes wieder herzustellen. Manufacturen, künft: licher Fleiß und alle Arten cines måßigen aber ge wißen Gewinnes sind einem feldbauenden Volke unbekannt und in feinen Augen unanständig, Der Landjunker liebt den Krieg, die Jagd, die Galane terie, äußerliche Pracht, häusliche Sparsamkeit, aber keine Regelmäßigkeit, noch Ordnung, noch Einförmigkeit im Ganzen. Aus Geldmangel baut er seine Felder schlecht, übereilt sich im Berkauf und zieht niemals von einer glücklichen Ernte alle höchstmögliche Vortheile. Man sieht bey solchen

(*) Mains mortes find nämlich Gemeinen. Stif ter 2c. die ihre Güter nicht veräußern können.

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Völkern Unternehmungen unermeßlicher Gebäude und dicht neben ihnen Hütten des Elends. Nirgends die legte hand, nichts nach der Schnur, nichts von einem Plan. Kostbare Gebäude werden den nüglichsten vorgezogen. Die Regierung selbst wird endlich nach der Natur des Landes umges stimmt. Fortwährende Verluste, Schulden des Staats haben das Geld, erschöpft. Man hat in Natur bezahlen wollen und das ganze öffentliche Eigenthum ist veräußert. Ich verstehe darunter weder Ländereyen noch Schlösser, sondern das unveräußerliche und unschäßbare Vorrecht Menschen zu regieren, im Kriege zu befehlen, im Frieden zu richten und die Abgaben zu erheben. Hier liegt der Ursprung der Lehngüter, Domainen : Gefälle, der geist und weltlichen Zehenden. Hier ist die Quelle entweder jener Anarchie in der sogenannten Feudal Regierung, oder auch des Despotismus. Der legte schickt sich am besten für ein landwirthschaftliches Volk, dessen Bauch am Erdboden klebt, und das denselben nicht mit sich nehmen kann. Geht ein bloßer Landmann davon, so bleibt ihm kein Mittel sich zu ernähren übrig, weil er kein Handwerk gelernt hat; daher ist er gezwungen in seiner Heimat zu bleiben und zu leiden, Der Fabricant hingegen läßt sich nicht placken, er geht seiner Wes ge und nimmt seine Kunst mit sich, die für ihn Ucker und Pflug ist. Ferner nistelt sich auch der Aberglaube bey einem Volke ein, das immer in der Ungewißheit einer glücklichen Erndte lebt, der alle menschmögliche Bemühungen nicht gewachsen find. Furcht und Hoffnung ist der natürliche Bos den dieser Pflanze, welche verwelkt, so bald sie gegen Ungewißheit und Unglück gedeckt ist. Sie werden nirgends in der Geschichte vom Verfall des Uberglaubens cinen Zeitpunkt finden, der es nicht zugleich vom Wachstum der Künste gewesen wäre. Das einzige romische Volk ausgenommen, welches aber auch eine Ausnahme aller Regeln ist, giebt es kein Beyspiel freyer Staaten, wo die Mas nufacturen nicht geblühet hätten.

P. Dieß konnte aber wohl eine Folge ganz anderer Ursachen seyn.

R. Ursachen und Wirkungen zu verwechseln ist unser

größter Erbfehler. Man kann nirgends als in dem=

jenigen, was immer zusammen ist, ein nothwens diges Band vermuthen, und daß eines zugleich Ursache und Wirkung des andern sey. Mein Ge målde aber zu vollenden, so ist ein bloß landwirthschaftliches Volk das allerunglücklichste. Der Scla: verey, dem Aberglauben, der Dürftigkeit Preis gegeben, bestellt es den Ackerbau desto schlechter, weil selbiger seine einzige Beschäftigung ist, und es erfährt desto mehr die Schreckniße der Hungersnoth, weil Erdproducte seine einzige Habseligkeit find. So geht es der Türkey, Polen und manchen andern Låndern in Europa, welche ich nicht zu nena nen brauche. In diesen Umständen ist Frankreich selbst gewesen und würde es noch seyn, wenn nicht Colberts großer Kopf seine Nation von der faullenzenden Dürftigkeit des ackerbauenden Zuständes und von der wilden Anarchie der Ritterschaft zum Frieden der Unterwürfigkeit, zur heitern Stille eis nes gemächlichen Lebens und zum Lurus des kùnste lichen Fleißes zurückgebracht hätte. Durch ihn haben zwar die Franzosen an ihrem Ruhm, bey Turs nieren Pferde zu tummeln und Lanzen zu brechen, etwas eingebüßt, sind aber dafür größere Schiffscapiz taine auf dem Welt: Meere und bessere Meister in den Werken der Kunst und Wissenschaft geworden. P. Ich kann nicht leugnen, daß Thatsachen und Beyspiele auf Ihrer Seite find; unterdessen kann ich mich noch nicht entschließen, die ganze Summe dies fer traurigen Erfolge der bloßen Hintansehung der Künste und Manufacturen bey einem landwirths schaftlichen Volke zuzuschreiben. Freylich ist selbie ges dem Wechsel der Jahrszeiten ausgefegt und dies fer wesentliche Unterschied macht allerdings den Ers trag der Manufacturen gewißer und regelmäßiger, Aber eben diese Besorgniß schlechter Ernten müßs te dazu dienen dem Uebel dadurch vorzubeugen, daß man sich an dem sichern Ertrage gemeiner Jahs re hielte und folglich einen Hauptstock zum Ersat beylegte, um gegen den Eigenfinn des Zufalls ges! deckt zu seyn.

R. Scheint dieß Ihnen so leicht und thunlich ?
P. Wie ich nicht anders weiß.

R. Das ist aber eben nicht der Fall; denn was ist wohl
leichter, als jemanden zu sagen, daß er vernünftig,
vorsichtig, durch seine eigene und anderer Erfah
rung kluger werden soll; gleichwohl ist im Grunde

nichts so schwer und von größerer Seltenheit in der Ausübung. Dergleichen weise Spieler giebt es ungemein wenig, wie der Marquis, als ein Kenner, bereits gestanden hat; und wenn es dergleichen giebt, so können sie sich allerdings auf ein ansehn liches Vermögen Rechnung machen. Aber eben dies ser Umstand ist ein Beweis ihrer Seltenheit; weil, wenn ihrer viel waren, die Rechnung auf ein ans sehnliches Vermögen von selbst wegfällt.

Eingang des achten und leßten Gespräches über den Getreide - Handel.

P. Der Marquis ist heute in der Stadt zu Mittag gebeten worden, und noch nicht zu Haus fe gekommen, seine Leute haben mir aber gesagt, daß er nicht mehr lange ausbleiben kann. Sie has ben ihm eine Erklärung über die neue Gefeßgebung, welche ihm so sehr am Herzen liegt, versprochens wir müssen iha also wohl abwarten.

R. Nichts ist billiger und kostet mir weniger. Ich rede gern, bin aber niemals ungeduldig zum Wort zu kommen. Das liebe Reden ist von so wenig Erfolg, daß außer der Wohlthätigkeit einer leichtern Verdauung ich gar nichts weiß, ob man sich sonst etwas davon versprechen könne.

P. Ich glaube allerdings mehr, wenn nur weise Leute das Wort führten.

R. Ums Himmels willen! Wie ungerecht, wenn diese allein verdauen sollten und Jedermann Vollmacht zu essen hat!

Sie machen sich nach ihrer Gewohnheit luftig; diese Lustigkeit aber ist der wahre Gipfel der Philos sophie; sie breitet eine stille Heiterkeit über den Tiefsinn aus, und unterdrückt Schwärmerey, die größte Feindin der Vernunft. Sie zeigt alle Gegenstände in ihrem natürlichen Licht und Maaße ; die Tauscheren des Augenscheins verschwindet. Wes nigstens habe ich diese Wirkung an mir selbst wahrgenommen, seitdem ich das Vergnügen gehabt Sie zu hören. Ich habe erfahren, daß nicht sowohl der Inhalt Ihrer Gespräche als vielmehr Ihre Art die Dinge anzusehen, mich zum Philosophen ge= bildet, und seitdem ich diese Manier Ihnen abges lernt habe, überführe ich mich alle Tage weiter, daß

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