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den wandelnden Bewegungen des Gedankens zu bestimmen und zu wechseln vermag. Die Metra der Poesie haben ihre Geschichte, und können daher veralten und aussterben; das metrische Wesen der Prosa ist etwas Geistiges, das den innern Gesezen der Darstellung folgt, und auf den eigenthümlichen Grundcharakter der Sprachen sich mit Freiheit gründet.

Die modernen Sprachen sind für die Prosa günstiger organisstrt, als für die metrische Poesie. Daher die vorwaltende Neigung der neuern Literatur, die Poesie in die Prosa übergehen zu lassen, oder vielmehr der völlige Mangel einer ausgebildeten Verschiedenheit zwischen poetischem und prosaischem Sprachgebrauch, der sich in den alten Sprachen, sowohl grammatisch als literarisch, so scharf und fest sonderte. Eine Grundursache scheint mir darin zu liegen, daß die modernen Sprachen vorwaltend accentuirte sind, während die Sprachen des Alterthums die Quantität und damit den eigensten Grund und Boden besaßen, auf dem eine entschieden. ausgeformte und gußfeste Metrik, die zugleich an diese starke Form einen besondern Sprachgebrauch fesselte, entstehen konnte. Dagegegen gewährt die Accentuation der neuern Sprachen, die in der deutschen vornehmlich auf der Wurzel ruht, der metris

schen Form keine tiefgreifende Stätte, dem Gedanken aber den allerweitesten und willkürlichsten Spielraum, ja jedes Nebergewicht über die leicht verwischbare Form. Die Betonung der Sylbe, deren Messung gleichgültig wird, steht sofort unter dem Einfluß des Gedankens, der Accent ist der lautwerdende Verstand des Wortes. Graf Schlabrendorf, dessen genialer Betrachtungssinn überall hinreichte, hat in seinen Bemerkungen über die Sprache) die innerliche Bedeutsamkeit der accentuirten Sprachen sehr treffend mit folgenden Worten hervorgehoben: Der Accent, die unendliche Abwechselung der Töne, spricht das Tiefste des Gemüths an; das Sylbengewicht wird dabei nicht überhört, aber zur Nebensache. Ist es somit nicht ein Vorzug der neuern Sprachen, daß in ihnen die Betonung Hauptsache geworden ist? Die alten schmückten hauptsächlich die Vorhalle der Gemüthswelt; die neuern dringen in das Allerheiligste. Hat nicht also auch die Sprache der Menschen jezt höhere Bedeutung und höhern Charakter augenommen, indem sie sich aus der Sinnenwelt in das Gebiet des Geistigern erhob? Ich möchte fast

*) S. Zschokke's Prometheus. Bd. I. Graf Gustav von Schlabrendorf in Paris über Personen und Ereignisse seiner Seit. S. 168.

sagen, das Christenthum wirkte auf das Innere des Sprachwesens ein, und schied auch hier Altes und Neues. - Der durch das Sylbengewicht gewonnene Rhythmus kann der ertensive, der durch Betonung entspringende der intensive genannt werden. Jener bezeichnet die Dauer; dieser die Kraft. Alle neuern Völker haben vorzugsweise für den leztern Empfänglichkeit; selbst die Neugriechen haben aus ihrer alten quantitirenden Sprache eine neue accentuirende gemacht."

Daß jedoch auch die deutsche Sprache ursprünglich das Gesetz der Quantität besessen und erst später eingebüßt habe, ist durch Jacob Grimm wahrscheinlich geworden. Das Streben der Sprachen zur Vergeistigung, das sich nach Verlöschung des finnlichen Naturlebens der Wörter durch die Accentuation von neuem ein festes Gepräge schafft, muß die Metra der Quantität immer zu Grunde richten; es ist aber auch möglich, daß es einmal in eine Periode ausläuft, in der die Poesie auch das lezte Eigenthum ihrer Formen, worin fie der Prosa noch getrennt gegenübersteht, aufgeben muß, z. B. den Reim. Grimm bemerkt einmal, daß es Zeiten gebe, wo die Kunst des Reimes aussterbe, weil sich die sinnliche Zartheit der wurzelärmeren Sprache ver

härte, und neugebildete Zusammenseßungen eine von Natur steifere Bewegung hätten; aber bisjezt ist noch keine moderne Sprache auf dieser Stufe völliger Verschmelzung von Poeste und Prosa angelangt, obwohl einige, vornehmlich die deutsche, ihr nahe stehen. Auf der einen Seite zeigt sich jezt eine große Verarmung und Nacktheit der deutschen Metrik, eine Erschlaffung und Monotonie in Formen, die kaum noch für metrisch gelten können, sondern, wie gerade bei den Tonangebern der neuesten Lyrik, dem Numerus der Prosa angenähert werden, während die pointirten, geistreichen und speculativen Stichwörter der Zeitbildung, an denen sich die Sprache vorherrschend weiter entwickelt, immer weniger für den Reim taugen, welcher auch, in diesen Gedichten, fast immer nur auf die unbedeutendsten Endsylben sich wirft. Die antiken Metra, dann die südlichen Maaße, und zulegt auch orientalische Weisen, sind durch unsere Dichtersprache nacheinander erklungen, alle haben ihr genügt und sogar den Sprachschaß bereichert, obwohl viel thörichtes und vergebliches Bemühn damit verbunden gewesen; aber jezt weiß man nicht, ob unsere Metrik, nachdem ihr diese schönen fremden Kleider zerrissen und schlotterig geworden, mit einem völligen Bankerott endigen oder irgendwie neue Quel

len, sich zu bewässern und zu befruchten, entdecken wird. Auf der andern Seite entfaltet sich dagegen eine höchste und ausgebildetste Form der Profa, die sich keine Poeste des Inhalts mehr versagt, in ihrem gedankenfreien Lauf den kecksten Wendungen der Rede sich hingiebt, und an rhythmischer Schönheit und Melodie der Verskunst fast nicht mehr nachsteht, sie vielmehr, auf ihrer gegenwärtigen Verfallsstufe, bald an tonvoller Gediegenheit des Numerus übertreffen wird. Die Schranke zwischen Poesie und Prosa ist im Gedanken durchbrochen, sie bezeichnen nicht mehr verschiedene Ideenkreise, und wenn man auch dem Verse seinen poetischen Heiligenschein und die Berechtigung für einen gewissen Inhalt nie wird abläugnen können, so büßt dagegen die Prosa durch dessen Entbehrung keine innerlichen poetischen Vortheile der Darstellung mehr ein. Indeß wird der Vers gewissermaßen an ursprünglichem Adel der Geburt immer der Prosa überlegen bleiben, und eine höhere und freiere Region als diese darstellen, die, wieviel poetische Gerechtsame sie auch erhalten haben mag, doch mehr oder weniger einen künstlich vermittelten Zustand, den Zustand des gebildeten und reflectirten Bewußtseins überhaupt, auszuprägen hat. Der Vers hat das Volksthümliche, aus dem er er

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