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haben Sie mich geopfert, haben Sie Ferdinand geopfert, der jest um Ihrethalben schimpflich aus dem Dienst gejagt ist. Welches Recht hatten Sie dazu? Ich sage Ihnen: Ferdinand, so tief er gesunken sein mag, er ist, verglichen mit Ihnen, der beffere Mann!"

„Aber ich! Freilich ich habe kein glücklicheres Loos verdient! Ein Mädchen, das für die Verzweiflung seines Herzens kein anderes Mittel weiß, als Maitresse eines Fürsten zu werden! . . . Mann der Politik, was wissen Sie, der Sie kein Herz haben, von der Bein verschmähter Liebe! Und wenn ich die Kokette wäre, für die Sie mich halten, würde ich jezt hier in einer elenden chambre garnie, Wand an Wand mit einer Dirne wohnen, die sich ihre Liebhaber beim Schein der Straßenlaterne sucht? Glauben Sie, es sei so schwer, einen Sultan bei guter Laune zu erhalten? oder daß eine Buhlerin sich so leichten Kaufs hätte abfinden lassen, wenn man ihrer wirklich überdrüssig war? — D, dann überschäßen Sie das ganze sogenannte starke Geschlecht ebenso hochmüthig, wie Sie sich selbst überschätzen."

"Doch der Tag der Abrechnung zwischen mir und Ihnen wird kommen; nicht morgen oder übermorgen, denn Sie haben Ihre Bahn noch nicht vollendet; aber er wird kommen. Bis dahin - aber auch nur bis dahin, lachen Sie über das Geständniß, daß ich Sie hasse, wie ich noch keinen Menschen auf Erden gehaßt habe."

Leo ließ den Brief, der, wie man der haftigen, manchmal fast unleserlichen Handschrift deutlich ansah, in größter Leidenschaft geschrieben war, aus der Hand gleiten. Er blickte düster vor sich nieder. Des Anklägers Heftigkeit hatte ihn erschüttert; es schien kaum möglich, daß die Klage so ganz unbegründet, daß der Angeklagte so ganz schuldlos sei.

Ganz schuldlos? Wer ist das? Ja, welcher tüchtige Mensch verlangt das? Doch der nur, der das Wort des Philosophen, daß es die Ehre großer Charaktere ist, schuldig zu sein, nie begriffen hat. Was soll mir der Unkenruf aus dem unreinen Munde? Wenn ich nach einer anderen Stimme

verlange, als die mir im eigenen Busen vernehmlich spricht, so sei es wenigstens eines reinen, großherzigen Weibes Stimme.

Er trat an den Schreibtisch und nahm aus einem der Kasten einen Brief, den er, über das Pult gebeugt, langs sam las, als ob er ihn auswendig lernen wollte.

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Sie schelten Dich einen Egoisten, weil sie die Leidenschaft der Idee nicht kennen; einen kalten Rechner, weil sie nicht begreifen, daß Du, um des Gemeinwohls willen, von dem Einzelnen Opfer fordern mußt! Laß Dich nicht irre machen, Leo! Dir ziemt das Zagen und Zaudern kleiner Seelen nicht. Groß und still und ruhig mußt Du Deinen Weg wandeln; es darf Dich nicht kümmern, was sie auf den Seiten neben Dir schreien. Unverrückt mußt Du Dein Ziel im Auge behalten. Daß sie nicht mit den Augen winken, daran erkennt der Inder seine Götter und daran erkennt man die Menschen, die von dem Schicksal begnadigt find, Träger einer großen Idee zu sein. Wenn mich nicht Alles trügt, steht jezt für Dich und Deine Sache Großes auf dem Spiel. Sei stark und groß! Ich habe nur den Einen heißen Wunsch, wie ich nur Ein Furchtbares kenne: Du könntest Dich je schwach und klein zeigen, Wnntest je vergessen, daß Du nicht Dir gehörst. Könige schulden sich ihrem Volk, große Menschen ihren Zwecken.“

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Leo athmete tief auf und richtete sich empor. Seele war erquickt; er fühlte sich wieder stark genug, um das verhängnißvolle Wort einzulösen, mit dem er sich und seien Zukunft den Männern von Tuchheim verpflichtet hatte.

Zweinndlechzigstes Capitel.

Ich kann Ihnen mit Bestimmtheit nichts versprechen, sagte Herr von Hey und machte eine Bewegung in seinem Seffel, als ob er die Unterredung, die bereits eine Stunde gedauert hatte, nun abgebrochen zu sehen wünsche.

Leo erhob sich.

Ich fürchte, Excellenz, sagte er, die Zeit ist nicht fern, wo Sie es sehr bereuen werden, eine so günstige Gelegen= heit nicht eifriger ergriffen zu haben.

Der Minister schob sich die goldene Brille fester gegen die kleinen Augen und starrte vor sich nieder. Leo entging dieser Ausdruck der Unentschlossenheit nicht.

Denn die Gelegenheit ist günstig, fuhr er in demselben Tone ruhiger Ueberzeugung, in welchem er während der ganzen Zeit gesprochen hatte, fort; das müssen mir Excellenz selbst zugeben. Die Kammer hat sich durch ihren gestrigen Beschluß um den Rest der Achtung und des Vertrauens gebracht, dessen sie in den radicalen Arbeiterkreisen etwa noch genoß. Die Stimmen der paar wirklich liberalen Männer find ohne Wirkung geblieben, man wird diese Männer einfach mit zu den Todten werfen. Die Tafel ist, so zu sagen, rein; in Ihrer Hand liegt es, eine neue Ordnung der Dinge darauf zu schreiben.

Ich sage Ihnen, es geht nicht, es geht nicht! rief der Minister, sich jest ebenfalls erhebend.

So lassen Excellenz die Entscheidung wenigstens von Sr. Majestät ausgehen, sagte Leo dringender, bedenken Excellenz die ungeheure Verantwortung, die Sie auf sich nehmen, wenn Sie die Deputation nach Hause schicken, ohne sie auch nur vorgelassen, ohne die Beschwerden der Männer auch nur angehört zu haben. Excellenz kennen aus eigener Erfahrung den revolutionären Geist jener Gegend. Sie wissen, welcher Zündstoff dort bereits vor acht Jahren auf

gehäuft war, und wie es nur eines Funkens bedurfte, um die Flamme hoch emporlodern zu machen. Damals hatten Sie es mit einem verdummten ländlichen Proletariat zu thun, heute mit dem um Vieles gewißigteren, fanatischeren Proletariat der Fabriken. Die Menge, die damals nach Hunderten zählte, zählt jezt nach Tausenden. Damals reichte eine Compagnie hin, die Empörer zu Paaren zu treiben; heute würde schwerlich ein Regiment ausreichen.

Wir haben mehr als ein Regiment disponibel, sagte der Minister.

Und wen wird das Odium des blutig unterdrückten Aufstandes treffen? Die Regierung Sr. Majestät, ja den König selbst, denn das Volk hat noch keineswegs gelernt, den König von seinen Ministern zu trennen. Mir däucht, der Dank des Königs für diesen Dienst kann nicht groß sein.

Durch Herrn von Hey's Gesicht flog ein Zucken; er be= zwang sich indessen und sagte mit einer Miene, die lächelnde Ueberlegenheit bezeichnen sollte:

Ich habe Sie ruhig aussprechen lassen, da Sie ein junger Mann sind, dessen Fähigkeiten mir von einer Seite, auf die ich Gewicht lege, als bedeutend gerühmt wurden. Indessen, so willig ich Ihnen auch eine das gewöhnliche Niveau übersteigende Geistesbildung einräume, so fehlt es Ihnen doch an aller Erfahrung in so wichtigen Dingen. Als ich so jung war, wie Sie, dachte ich etwa wie Sie; Sie würden so denken wie ich, wenn Sie wie ich im Staatsdienst ergraut wären.

Herr von Hey deutete nach seiner blonden Perrücke, in welcher, seitdem er Ministerpräsident geworden, sich einige filbergraue Härchen hatten blicken lassen, und verbeugte sich, zum Zeichen, daß die Audienz beendigt sei. Auf Leo's Lippen schwebte ein bitteres Wort, aber er sprach es nicht aus, sondern erwiederte die Verbeugung und entfernte sich schweigend.

Der Minister sah ihm mit bösem Blick nach.

Ein frecher Mensch, murmelte er, ganz das Ebenbild seines Vaters, der mich vor neun oder zehn Jahren einmal um die Gemeindeschreiberstelle in Tuchheim bat; der Kerl drohte mir damals förmlich, so daß ich auf dem Punkte stand, ihn verhaften zu lassen. O, ich habe ein gutes Gedächtniß.

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Der Minister reckte seine kleine unterseßte Gestalt behaglich in dem bequemen Fauteuil. Wie lange war es denn her, daß er ein kleiner Landrath war und jezt war er in großer Minister! Damals mußte er vor dem Freiherrn von Tuchheim sich neigen, mußte sich eifrig um die Gunst des vornehmsten Mannes im Kreise bemühen; heute war der Mann allem Anscheine nach ein Bankerotteur, eine gefallene Größe und er, der Minister, hatte das Heft in Händen.

Herr von Hey hatte den Freiherrn immer gehaßt, ja eigentlich die ganze Familie. Der Freiherr war jetzt unschädlich, aber stand ihm der General nicht noch immer im Wege? Scheinbar freilich hatte er ihm den Rang vollstän dig abgelaufen; der General, der die ersten Schritte des jungen constitutionellen Königs geleitet hatte, war gefallen, als die Fluthen der Revolution sich verlaufen hatten und die Solidarität der dynastischen Interessen zu einer energischen Reaction drängte. Aber der General war doch immer noch in der Nähe des Königs und erfreute sich unfraglich einer besseren Behandlung von Seiten des heftigen jungen Monarchen, als irgend einer der actuellen Minister. Wer wußte, ob nicht wieder einmal eine Zeit kam, wo der alte Schleicher der öffentliche Beirath des Königs wurde, wie er jegt der geheime Rathgeber war! Wenn es eine Möglichkeit gab, dem General zu schaden, so durfte man die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen.

Und die Gelegenheit war offenbar günstig. Der Freis herr hatte durch seine Erklärung der Tuchheimer Arbeiters bewegung unzweifelhaft bedeutenden Vorschub geleistet; der junge Mensch vorhin hatte eingeräumt, daß die Leute gerade

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