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beten, für einige Zeit in die Wüste zu ziehen, um dort, im Lande ihres Gottes, ein Fest zu seiner Ehre zu begehen. Aber diese Erlaubniß wurde verweigert und es mußte eine längere, unheilvolle Zeit vergehen, deren einzelne Plagen und Unglücksfälle von den Hebräern laut als Strafgerichte ihres Gottes erklärt wurden, bis endlich die Aegypter durch diese Zuversicht der Hebräer eingeschüchtert, vor ihrem Gott sich zu fürchten anfingen und die Erlaubniß zur Festfeier in der Wüste nicht länger verweigerten.

In der Erzählung von den Plagen Aegyptens" hat das israelitische Volk einerseits die dunkle Erinnerung an einzelne schreckliche Naturerscheinungen im Nildelta niedergelegt, andrerseits spiegelte sich darin der Religionskampf ab, der zwischen den beiden Völkern entbrannt war. Nach dem Berichte von Augenzeugen wird das Wasser des Nil noch heut zu Tage bisweilen roth und übelriechend; Frösche bedecken nach der Ueberschwemmung häufig in großer Anzahl die Aecker; Mücken und große Stechfliegen erheben sich aus dem zurückgelassenen Schlamme, und Heuschrecken zerstören in zahllosen Schwärmen die Felder. Hagelschlag kommt, wenn auch nur selten, vor und wenn im Frühling der Chamsin weht, so führt er eine solche Masse feinen Wüstensandes durch die Luft, daß oft eine mehrere Tage anhaltende Dunkelheit eintritt. Auf den religiösen Gegensatz be= ziehen sich die Erzählungen über den zwischen Mose und den ägyptischen Priestern entstandenen Wettstreit im Wunderthun und ganz besonders die Erzählung vom Sterben der ägyptischen Erstgeburt; dieselbe beruht auf der hebräischen Vorstellung, daß sowie die ersten Feldfrüchte im Frühling, so auch die Erstgeburt von Thieren und Menschen Gott angehöre uud entweder ihm geopfert oder losgekauft werden müsse; gegenüber der ägyptischen Religion, welche diese Vorstellung wegen der oft damit verbundenen Sitte des Kinderopfers verabscheute, sollte durch jene Erzählung konstatirt werden, daß nicht losgekaufte Erstgeburt dem Tode verfallen sei. Die Geschichtschreibung brachte dann diese Erzählung und den Auszug aus Aegypten in Verbindung mit der spätern Sitte des Passafestes, worüber weiter unten die Rede sein wird.

Unter der Regierung des Königs Menephta, um's Jahr 1320, fand nun der allgemeine Aufbruch statt. Den „Söhnen Jakob's“ schlossen sich viele andere Leute an, Se

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Zug durch das Schilfmeer.

miten, mißhandelte Aegypter und allerlei Mischlingsvolk, was nicht bloß durch ägyptische Geschichtschreiber berichtet, sondern auch durch die hebräische Volksüberlieferung insofern bestätigt wird, als die Stämme Ephraim und Manasse von einer ägyptischen Mutter und die Stämme Dan, Naphtali, Gad und Asser nicht wie die übrigen von Lea und Rahel, den Frauen Jakob's, sondern von dessen Mägden abgeleitet werden; daß es allerlei Volk war, das unter Mose's Leitung Aegypten verließ, darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn man die folgende Gestaltung der Dinge verstehen will (vgl. auch Ex. 12, 38). Nach dem Vorgeben der Abziehenden handelte es sich bloß um eine Opferfeier in der Wüste, in Wahrheit aber gedachten sie dem verhaßten Lande der Knechtschaft auf ewig den Rücken zu kehren. Nach Osten wandernd, näherten sie sich der Nordspiße des Schilfmeers, wo die große Karawanenstraße vorüberführte. Schon hatten aber die Aegypter die wahre Absicht der Ausziehenden durchschaut und eilten, jenen Punkt zu beseßen. Da führte Mose sein Volk eine Strecke südwärts, dem Meeresstrand entlang, und als in der Nacht die Ebbe eintrat, quer hinüber durch die seichten Wasser des Meerbusens an das jenseitige Ufer. Die ägyptische Reiterei hielt unterdessen sorglos die Nordspite des Busens besezt; da schlug nächtlicher Weile vom Meere her ein Geräusch an ihr Ohr, nicht wie Wellenschlag, seltsam wie das Geräusch eines meerdurchwandelnden Volkes. Aus dem Staunen wurde Gewißheit und mit der Wuth eines Sklavenfängers jagte das Reitercorps über den wasserlosen Meeresboden; doch zu spät! Der Sklave war gerettet und über dem Verfolger schlug die rückkehrende Fluth zusammen.

Daß Einer das Wagniß, zur Zeit der Ebbe den Meerbusen von Suez zu durchwandern, glücklich besteht, während ein Andrer dabei seinen Untergang findet, ist nichts Außerordentliches. Daß anderwärts auch ganze Heereszüge ein durch die Ebbe oder durch starken Wind veranlaßtes Sinken des Meeresspiegels sich zu nuge machten, erwähnen römische und griechische Schriftsteller. So benußte Scipio bei der Belagerung Karthago's die durch einen heftigen Wind verstärkte Ebbe, um die Stadt auch von der sonst

Zug durch das Schilfmeer.

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unnahbaren Seeseite anzugreifen; seinen Kriegern reichte das Wasser nur über die Kniee. Jedermann sah darin ein Wunder göttlichen Beistandes. Aehnlich ist der Zug Alexander des Großen über die sogen. pamphylische Leiter; zur Eroberung Pisidiens führte er einen Theil seines Heeres über einen gefahrvollen, vom Meer bedeckten, von wilder Brandung gepeitschten Felsenweg; ein heftiger Nordwind hielt aber das Wasser von der Küste ab, so daß das Wagniß gelang. Auch er und seine Krieger nahmen diesen hülfreichen Wind als ein unmittelbares Geschenk der Götter an. Zum Zuge durch das Schilfmeer ist übrigens zu bemerken, daß sich der Meerbusen von Suez ehemals bis über die Bitterseen hinaus erstreckte; dieselben bilden heutzutage ein größtentheils ausgetrocknetes Becken mit wenigen seichten Salzwasserlachen und fumpfigen Stellen. Ging der Zug hier hin durch, so ist das Ereigniß noch begreiflicher.

Nicht sowohl nach seinem äußern Verlauf ist der Durch zug durch das Schilfmeer etwas Einzigartiges, als vielmehr nach der geistigen Bedeutung, die er für die ausziehenden Israeliten hatte. Jene Morgenstunde, in der sie vom sichern. Ufer aus den Untergang der Aegypter schauten, war für sie die Geburtsstunde einer neuen Religion. Menschlich gerechnet war es für das in Waffen ungeübte Hirtenvolk ein tollkühnes Wagniß, dem gewaltigen Aegypten und seinen sieggewohnten Heeren sich entziehen zu wollen, aber Mose hatte bei den Seinen das Vertrauen auf den Beistand ihres Gottes geweckt. Zwar lag es keineswegs im Wesen dieses Gottes, wie die Hebräer es sich dachten, der Noth des Menschen sich anzunehmen, wie aber die äußerste Hülflosigkeit allzeit die Kräfte des Gemüths zu steigern vermag, so erwachte in den geängsteten Sklaven ein Verständniß für Mose's Verheißungen, an seiner großen glaubensvollen Seele wuchs auch ihnen Hoffnung und Muth, ihr ernster Wille, von dem Gott der Väter nicht zu lassen, erhöhte in ihnen das ahnungsreiche Gefühl, daß dieser Gott auch sie nicht verlassen werde. In fieberhafter Spannung nach ihrem Gott ausschauend, traten sie den Lauf in's Land der Freiheit an. Aber die Gefahren mehrten sich, die Aegypter gewannen den Fliehenden den Vorsprung ab und kein helfen

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der Gott ließ sich sehen; so kam der lezte Tag heran, der alle Hoffnung zu vernichten schien, dann die Nacht mit dem kühnen Marsch durch's Meer, und als am Morgen die róllende Fluth das Meeresbecken wieder bis zum Rande füllte und auf schäumendem Rücken ägyptische Leichname an's Gestade spülte, da wiederhallte Meer und Wüste vom donnernden Jubel der Geretteten. Ringsum war kein Feind und Dränger mehr zu erblicken, die Sklavenketten, die für Jahrtausende geschmiedet schienen, waren zerbrochen, und offen, wie die endlos freie Wüste lag jezt ihre Zukunft vor ihnen. Dieß war eine Gotteshülfe gewesen, über alles Erwarten groß und herrlich. Was Mose in tiefster Seele erfaßt und verheißungsvoll verkündet hatte, daß der strenge, gewaltige Gott der Väter seinem Volke ein gnädiger Schußherr sei, dieß war nun eine geschichtliche Thatsache geworden, die als etwas Riesengroßes vor Aller Augen stund. Noch in den spätesten Folgezeiten galt dieses Ereigniß nicht bloß als eine der vielen gnädigen Führungen, sondern als das Bild alles Heils, als die Eine, große Gottesoffenbarung, auf der die ganze Religion Israels beruhte. Das Lied der Mirjam, der Schwester Mose's, ursprünglich wohl nur aus wenigen Zeilen bestehend, später erweitert, gibt den Eindruck wieder, den jene Rettung auf das Volk und seine Führer machte:

Singet dem Herrn, denn erhaben ist er; Rosse und Wagen warf er in's Meer. Deine Rechte, o Herr, zerschmetterte den Feind. Er sprach: „nachjagen will ich, einholen, Beute theilen; ich will meinen Muth an ihnen fühlen, mein Schwert ziehen, vertilgen soll sie meine Hand." Da wehte dein Hauch, sie deckte das Meer, sie sanken wie Blei im gewaltigen Wasser. Herr, wer ist, wie du, unter den Göttern? Wer, wie du, herrlich an Majestät, furchtbar an Ruhm, Wunder thuend? Der Herr ist König in Ewigkeit. Er. 15.

2. Das Volk Gottes am Sinai. Da, wo in Mose's eigener Seele die neue Gotteserkenntniß aufgegangen war, sollte nun auch das befreite Volk vor seinem Gott erscheinen, um sich ihm zum Eigenthum zu weihen. So war der Sinai

Das Volk Israel am Sinai.

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das nächste Ziel der Wanderung. Es war ein Weg von 60-70 Stunden, den sie durch die öde Halbinsel zu machen. hatten; unter den Entbehrungen der Wüste und beunruhigt durch den feindseligen Stamm der Amalekiter, aber aus allen Gefahren glücklich hinausgeführt, langten sie auf der hochgelegenen, breiten Thalebene Rahah („Handfläche“) an, aus der in senkrechter Erhebung die majestätische Gruppe der Sinaigipfel emporsteigt. An dieser alt- ehrwürdigen Kultusstätte nun gab Mose seinen ungeordneten Volksmassen jene religiös-politische Gesezgebung, deren zukunftsreicher Grundgedanke die Idee eines heiligen Gottesvolkes war und deren großartig einfache Grundzüge uns in den 10 Geboten noch vorliegen.

Was Mose seinem Volke brachte, waren nicht theoretische Lehrfäße über das Wesen Gottes, sondern eine neue Auffassung des Verhältnisses zwischen Gott und seinem Volk, ein neues sittlich - religiöses Leben. Neue Religionen bauen sich ja überhaupt nicht auf irgendwelchen neu entdeckten Vernunftbegriffen auf, sondern nehmen ihren Ursprung in den Tiefen des erregten Gemüths, das in seiner eigenen Innerlichkeit wie in Schicksal und Natur die Gottheit auf eine neue Weise erfahren hat.

So war es auch damals die Noth der Sklaverei und die zur Schau getragene Verhöhnung ihrer Religion gewesen, wodurch Führer und Volk fester an ihren Gott ge= kettet wurden und das bedrängte Gemüth sich dem Glauben aufschloß, daß auch Gott festhalten werde an ihnen. Dieser Glaube hatte sie nicht getäuscht; in der Errettung aus Aegypten hatte sich der Gott geoffenbart, der mit gewaltigem Arm seines Volkes sich annimmt und ihm ein gnädiger Schußherr und Retter ist. Dieß war die Grundlage der neuen Religion. Wenn gleichwohl vielfach gesagt wird, der Mosaismus beruhe auf der Erkenntniß Gottes als des Einen unendlichen Geistes, so wird hier wohl zwischen Mose's Person und Werk unterschieden werden müssen; es ist nämlich leicht möglich, daß Mose, in dessen Geiste semitische

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