ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

edlen Metallen graben. Das gediegenste Gold liegt am tiefsten. Wer würde aber bis dahin gelangen, wenn man die anfängliche geringe Aus. beute des unternommenen Baues verschmähte?

Dies mag die Ursache sein, warum Männer, wie Shakespear oder Dante, die, mit vorzüglichen Geistesgaben ausgerüstet, in einem Zeit. alter auftreten, wo der Geschmack ihrer Nation noch nicht gebildet ist, und die Regeln der Kritik noch unbekannt sind, größer an Geist erschei nen, als ihre Nachfolger in verfeinerten Zeitaltern; - und warum fie in der That oft diese, an Kraft und Erhabenheit der Gedanken, über. treffen. Jene erstern sind ganz ohne Fesseln. Sie schweifen aus: aber sie erheben sich auch so hoch, als es ihrer natürlichen Schwung. kraft möglich ist. Sie erlauben sich platte Einfälle, Bombast, Wort. spiele, wenn ihr Genius, in den Augenblicken einer minder günstigen Stimmung, ihnen solche eingiebt. Aber dafür treffen sie auch Natur und Wahrheit zuweilen, mit einer, ihnen allein eignen, Genauigkeit und Stärke. Diese lestern sind in die Bande der Regeln eingezwängt, und werden an dem Seile ihrer Muster und Vorgänger geleitet. Da durch werden sie zwar vor den Verirrungen bewahrt, denen jene ältern, roheren Genies ausgefeßt waren: aber sie werden auch in ihrem Fluge zurückgehalten.

Ob es gleich nun niemanden erlaubt ist, in seinen vollendeten Wer. ken die Gefeße der gefunden Vernunft und des Geschmacks zu vernach. lässigen, um die Kraft seines Genies ungeschwächt zu erhalten; oder nach dem Schönen und Erhabenen auf Kosten der Wahrheit und Schick. lichkeit zu streben: so muß doch die erste Grundarbeit der Meditation, ohne Zwang, ohne Rücksicht auf Kritik, ja selbst gewissermaßen auf eine regellose Art geschehen. Zuweilen wenigstens muß sich der Philosoph, so wie der Dichter, seinem Genius, seinen Launen, dem Zufalle, den Eingebungen der Umstände und seiner Lage, in Absicht der von ihm aufzunehmenden Ideen, unumschränkt überlassen. Das Wilde, Aus. schweifende, Unrichtige, worauf er bei einer solchen Gedankenjagd geräth, wird, wenn die Natur ihm wirklich das Talent zu der Gattung, in welcher er arbeitet, verliehen hat, doch den Saamen und die Üranfänge von bessern Meditationen enthalten. In den glücklichern Augenblicken aber, wo die körperlichen Werkzeuge des Denkens mit den geistigen Kräften am einstimmigsten wirken, wird eben dieses regellose Umher. schweifen ihn auf den Weg zum Großen und Vortrefflichen führen. In der That ist die Begeisterung, welche den Mann von Genie über sich selbst erhebt, und ihn Gedanken finden läßt, deren er in seinem gewöhn. lichen Zustande nicht fähig ist, eine Art des Außer sich-seins, in welchem er auch auf manche so paradoxe Meinungen und so ausschweifende

Bilder gerathen kann, als ihm, bei kälterm Blute nie eingekommen wären. Auch bei dieser Unternehmung ist das Große gefahrvoll. Das Erhabene grenzt an das Ungeheure, das Feine an das Spisfindige, jede Vollkommenheit an ihr Entgegengeseßtes: und die höhere Schönheit des Ideals geht durch unmerkliche Abweichungen in die unnatürlichsten Ge. stalten über. Es ist gewiß, daß die, welche sich vor der Verirrung zu fehr fürchten, den rechten Punkt des Ziels am wenigsten treffen.

Doch wenn der Denker sich anfangs, ohne Zwang und Regeln, den Eindrücken der Gegenstände, den von der Erinnerungs- und Einbil. dungskraft ihnen beigefellten Ideen, und der freien Thätigkeit seines Verstandes überlassen hat; so ist nun eine zweite Arbeit nöthig, um die Erzeugnisse der ersten Meditation zu sichten und zu ordnen. Zuerst muß der Stoff herbeigeschafft, oder es müssen im eigentlichen Verstande Ideen und Bilder hervorgebracht werden. Diese Schöpferkraft des Geistes kann nie zu frei und ungebunden wirken. Auf diese Arbeit muß die Prüfung, die methodische Untersuchung des gesammelten Vorraths, die Vergleichung der verschiedenen Materialien unter sich, die Verglei chung aller, mit den schon längst erworbenen Schäßen der menschlichen Erkenntniß folgen. Eine dritte Arbeit ist die Zusammenfügung und Rundung des für brauchbar anerkannten Stoffs. Einer vierten ist die Bekleidung desselben mit den schicklichsten Wörtern und Ausdrücken vorbehalten.

Viele unsrer schönen Geister und Philosophen, die vor dem Publikum als Denker auftreten, machen sich die Arbeit viel zu bequem. Sie wollen Gedanken, Anordnung und Styl mit einer einzigen Meditation umfassen, und schreiben ihre Ideen schon mit aller der Zierlichkeit, mit der sie öffentlich erscheinen sollen, nieder, wenn sie dieselben zum erstenmale auffassen. Aber dies ist nicht die Art, wie die großen Schrift. steller aller Zeiten gearbeitet haben. Einzelne, abgerissene Bruchstücke und Winke von Ideen, nur mit wenigen unvollkommnen Worten aufs Papier geworfen, haben selbst den Lokken, den Addisons, den Lessingen und Göthen zur Grundlage nachfolgender Untersuchungen gedient. Bei diesen zeigten sich viele der anfangs erwarteten Aussichten täuschend. Manche Eingänge in die Materie verschlossen sich hier wieder, die sie, bei jenen ersten Blicken, geöffnet vor sich zu sehen glaubten. Aber dafür wurden andere einzelne, unscheinbare Saamenkörner von Ideen aus der ersten Meditation fruchtbar, und entfalteten sich bei einer sorgfältigern Pflege, zu gewürzreichen und nahrhaften Gewächsen. Auch hiermit endigte sich die Arbeit dieser Männer nicht. Die Eingebungen der ersten Begeisterung, die Resultate der ersten Untersuchungen trugen sie Wochen und Monate mit sich herum; sie wurden durch inneres immer

währendes Bearbeiten derselben, mit ihnen vertraut; sie machten sich noch mehr Meister davon, indem sie sich schriftlich und mündlich mit ihren gelehrten Freunden darüber unterredeten. Was bei dieser ihrer eigenen stillen Betrachtung, bei diesem Durchfechten ihrer Ideen gegen die Einwendungen ihrer Freunde, sich nach und nach von denselben mehr geläutert hatte, schrieben sie nun auch nur noch flüchtig, und mit den ersten besten Worten, die sich ihnen darboten, nur ihnen selbst verständlich nieder. Sie wollten nichts von der Kraft und Reinheit der Ideen, so wie sie sich zuerst in voller Klarheit ihrer Seele dargestellt hatten, verlieren. Aber sie wußten sehr wohl, daß dies noch nicht diejenige Gestalt sei, in welcher diese Ideen vor dem Publikum erscheinen können. Sie fingen nun erst an, im eigentlichen Verstande zu arbeiten, und nach bestimmten Zwecken und Regeln, eine fortgesezte Aufmerksamkeit auf die im Ganzen schon bestimmte und geordnete Reihe von Ideen zu verwenden.

Diejenigen Personen, welche in eben der Zeit, in der sie erst darauf ausgehen, Gedanken aufzuspüren, zugleich sie völlig deutlich, ordentlich, und mit einem gewählten Ausdrucke, oder wohl gar mit rednerischem Schmucke niederschreiben wollen *), gerathen gemeiniglich nur auf Wie

*) Wenn Antonin dem Himmel dankt, daß er Redner- und Dichter- Tas lente nicht in vorzüglichem Maße bekommen habe; weil diese ihn, von den ernsthaften Studien und besonders von der Aufmerksamkeit auf sein Lebch und seine Sitten, würden abgezogen haben: so verkannte er vielleicht den Werth einer schönen und vollkommnen Bezeichnung seiner Gedanken, oder hielt auch die Ausübung jener Talente mit einer gründlichen Untersuchung der Wahrheit, und mit einer sorgfältigen Erfüllung großer Berufspflichten, für allzu unverträglich. Aber jeder denkende Mann, jeder Schriftsteller möchte wünschen, daß in den Zeiten, wo er den wesentlichen Inhalt und den Kern seiner Gedanken und seiner Schrift hervorbringt, oder sammelt, er die Talente des Redners ganz bei Seite sehen und den Ruhm desselben vergessen könne.

Je einfacher, ungeschmückter und selbst trockener ich bei dem Anfangé einer Untersuchung meine Gedanken hinschreibe, desto besser geht meine Arbeit von statten, und desto eher komme ich zu derjenigen lebhaften Uebersicht der Sache, welche zugleich beredt macht.

Kein Wunder, daß sich dies bei philosophischen Meditationen so verhält: da selbst, in den Werken der eigentlich schönen Nede- Künste, der Poesie und Beredsamkeit, das Talent, welches ein Mensch hat, seine Gedanken in schöne Bilder und harmonische Wörterreihen einzukleiden, sich um so viel leichter äußert, je mehr er für die Gedanken, welche er ausdrücken soll, eingenommen und von denselben angefüllt ist. Jenes Talent muß allerdings eine besondere Uebung haben: aber dann, wenn es angewendet werden soll, muß es immer nur Nebensache sein. Bene provisam rem verba non invita sequuntur.

dererinnerungen ehemals gehabter, eigener, oder auf Wiederholungen erlernter fremder Ideen. Bei einer schwächern Denkkraft entstehen dar. aus wohl gar bloße Zusammenseßungen von Formeln und Phrasen, bei welchen sich der Schreibende erst hinterbrein etwas zu denken an. fängt, nachdem er sie gefunden und niedergeschrieben hat. Die Gedan. ken ziehen in diesem Falle nicht die Worte, sondern die Worte ziehen die Gedanken herbei. In Sprachen, worin viele gute Bücher geschrie. ben sind, und bei Nationen, wo viel gelesen wird, kann jemand, ohne wirklich gedacht zu haben, etwas ganz geistreich klingendes, selbst zuweilen etwas brauchbares schreiben. Er darf zu diesem Ende nur die schon vollendeten und abgerundeten Gedankenformen, die, aus den besten Schriftstellern gesammelt, in seinem Gedächtnisse niedergelegt sind, mit einigem Gefühle der Schicklichkeit an einander reihen.

Hieraus ergiebt sich, auf welche Weise man die widersprechend scheinenden Sentenzen, daß die ersten Gedanken oft die besten find, und daß man seinen ersten Einfällen nicht trauen dürfe, zu vereinigen habe. Es ist wahr, daß bei einem lebhaften Geiste, in der Stunde der Begeisterung, der erste Blick des Menschen auf die Sache ihm die schönsten Aussichten eröffnet, und daß der Reiz der Neuheit, die Stärke des ersten Vorsages die Denkkraft zu vermehren scheint. Es ist wahr, daß dem Manne von Genie dann die Ideen am besten zuströmen, wenn er sie am wenigsten sucht und zugleich über ihre Wahl am sorglosesten ist; und daß jeder bestimmte Endzweck, jeder Vorsaß die Sache gut zu machen, das Streben nach Vollkommenheit, die Prüfung und Beurtheilung seiner Gedanken nach den Regeln der Kunst diesen Fluß hemmt, die Mannigfaltigkeit der Einfälle verhindert, und daher oft selbst den besten Ideen den Zugang erschwert. So wie wir gemei. niglich in einer Gesellschaft, wo wir es darauf anlegen, als beredte oder als wißige Leute zu erscheinen, weniger unterhaltend und angenehm sind, als da, wo es uns wenig darum zu thun ist, zu gefallen, und wo wir ganz unbefangen sagen, was uns die Umstände und unser guter Genius eingeben: so ist auch bei den Selbstgesprächen, worin die Meditation besteht, der wißige Kopf doppelt wißig, der verständige im höhern Grade einsichtsvoll, und der dichterische zwiefach bilderreich, wenn er nicht seine eigene Vollkommenheit beschaut, keine in seinem Werke sucht, sondern nur gleichsam spielend sich mit den Schöpfungen seines Geistes unterhält. Aber eben so gewiß ist es, daß, wenn dieses freie Gedankenspiel einen größern Reichthum von Sachen herbeiführt, es auch Sachen von

Der schönste Geist schreibt nie besser, als wenn er gar nicht daran denkt, schön schreiben zu wollen.

[ocr errors]

sehr ungleichem Werthe neben einander stellt. In den Erzeugnissen diefer ersten Meditation ist das Wahre und Schöne, so wie das Gold und Silber in den Erzstufen, in kleinen Quantitäten, unter einer großen Menge unedler Metalle, und mit taubem Gestein und Erdarten ver mischt. Das Mineral muß durchaus, nachdem es zu Tage ist gefördert worden, geschieden werden und durch mehr als eine Läuterung gehn, ehe es wirklich das kostbare Metall wird, welches für die menschliche Gesellschaft einen so großen Werth hat, und daher die Mühe und den Aufwand des Bergbaues belohnt.

In den ersten Gedanken liegen gemeiniglich die besten verborgen: aber man muß sie darin zu finden, und von den vielen mittelmäßigen und schlechten, die sich zugleich eingefunden haben, abzusondern wissen.

Es giebt zwar glücklichere Augenblicke, aber diese sind selten, wo die schaffende Kraft des Genies in ihrer Wirksamkeit ungehindert, und doch mit Regelmäßigkeit und Ordnung verbunden sein kann. Auch ragen, ohne Zweifel, eben hierdurch die Geister erster Größe über die Mittelklasse der Denker hervor, daß sie die Kraft und die Regel zugleich in sich enthalten, und in dem Besize der vollen Freiheit des Denkens bleiben, indeß sie zugleich einem, von der Vernunft angegebenen Leitfaden folgen. Aber bei den gewöhnlichen Menschen, und bei den ge wöhnlichen Denkübungen, sind diese beiden Geschäfte, das Geschäft des Erfindens und das des Anordnens, getheilt. Bei jenem muß der Mensch warm, begeistert, leidenschaftlich sein; und ist deswegen in Gefahr, auch mitunter schwärmerisch überspannt, einseitig und unnatürlich in seinen Ideen zu werden; bei diesem muß er ruhig, kalt und bloß vernünftig sein. Die Natur bringt jeden Stoff mit fremdartigen Theilen vermischt hervor; nur die Kunst kann ihn reinigen, und ihn zu dieser durchgängi. gen Gleichartigkeit bringen, in welcher er zuerst den Namen eines brauch. baren Erzeugnisses verdient."

Seite 281. Knebel, 2. v.:

"

Ueber die Sprache.

(K.'s literarischer Nachlaß und Briefwechsel. Herausgegeben von K. A. Varnhagen v. Ense und Th. Mundt. 2. Ausg. Leipz. 1840. Bd. 3.) Herder: Ueber den Ursprung der Sprache," Von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1770 gekrönte Preisschrift. Und Zugabe dazu Vorrede zu Lord Monboddo's Werk über diesen Gegenstand. (Werke zur Phil. u. Gesch. Th. 2. Stuttg. 1827.)

,,Der Mensch ist zu feinern Sinnen, zur Kunst und zur Sprache

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »