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Wie sehr die Ideen von Einzel- und Gesamteigentum im Anbeginn flüssig waren und wie wenig der einzelne auf eine gesonderte Habe Anspruch machte oder auch nur an einen. solchen Anspruch denken konnte, zeigen uns sehr lehrreich Zustände von Völkern, die sich über die Anfangsstufen schon längst herausgehoben haben. Hierin stimmen die Beobachter alle überein, und ist es gerade eine Hauptklage aller Kolonialvölker, die Handel mit den Eingeborenen betreiben oder dort eine Industrie begründen wollen, dass sie es mit einer unbegreiflichen Bedürfnislosigkeit der Bevölkerung zu tun haben. Dies wird überall als ein Haupthindernis gegen die Einführung höherer Kultur betrachtet. Der Grund ist klar: so lange noch nicht die Vorstellung des Allein eigentums sich energisch von der Idee des Gesamteigentums losgelöst hat (gerade wie der gewaltige Schritt vom Hetärismus zur Einzelehe), ist dieser äusserste Sporn zur fieberhaften Entwickelung aller Kräfte und Anstrengung aller Nerven noch nicht gegeben; und, solange wegen des allgemeinen niedrigen Standes der gemeinsamen Bedürfnisse die Gaben der Natur an Erdfrüchten und Jagdbeute noch für alle ausreichen, braucht der einzelne noch nicht über den Bedarf des Augenblicks hinauszudenken. So ist das Bild, das uns von den Papuas auf Neu-Guinea entworfen wird): ein Unterschied zwischen Reich und Arm existiert nicht; nie hat einer Überfluss, während sein Nachbar darbt. Daher findet sich auch kein Wort für Reich und Arm. Allerdings ist der eine angesehener als der andere, sein Wort wiegt schwerer und durch seine Hand läuft mehr Wert. Aber sich bereichern, allein seinen Besitz geniessen, kann keiner. Wird ein Schwein gekauft, so ist der Anteil dessen, der den Hauptpreis erlegt hat, nicht grösser als dessen, der nur eine Kleinigkeit beisteuerte, ja, wer gar nichts dazu beitrug, kann

genossenschaften kann in ihren ältesten Anfängen auch nicht annähernd mit der eines heutigen Eigentümers verglichen werden.

2) VETTER in Zeitschrift, Bd. 14, S. 369.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts II

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ebensoviel davon essen. Der grösste Ruhm für jenen besteht in dem Zeugnis, dass er alles ausgeteilt habe, sich selbst mit Geringfügigem begnüge.< Und ein anderer Berichterstatter sagt uns1): >Daher die Abneigung sich mehr zu verdienen; man plagt sich ja doch nur für andere. Kommen z. B. die abgelohnten Arbeiter der Neu-Guinea-Compagnie nach Hause, so ist das erste, dass das Mitgebrachte an sämtliche Verwandte ausgeteilt wird.< Und gerade das Nämliche wird uns von den Ephenegern in Togo berichtet2).

Es ist ein seltsames Schauspiel, das unsere Zeit in jenen. Gegenden bietet: auf der einen Seite eine noch im ABC der wirtschaftlichen Begriffe und Vorstellungen rückständige Bevölkerung, auf der anderen Seite eine energisch und fieberhaft rücksichtslos mit den Conquistadoren der Industrie vordringende hochgesteigerte Kultur! Die Entwickelung, aus ihrem ruhigen Gange gebracht, muss notgedrungen in kürzester Zeit das vollbringen, was sonst die Sache von Jahrhunderten war; und, wenn die menschliche Aufnahmefähigkeit auch ihre Grenzen hat und das Vorwärtsschreiten daher nicht so rasch möglich ist, wie es den aufs Äusserste gesteigerten Hoffnungen der ungestümen Dränger entspricht, so werden diese Volksstämme doch wie in einen Wirbelwind hineingerissen, der ihnen nach Temperament und eigener Kraft zu Glück oder Unglück gedeihen mag.

1) BAMLER in Zeitschrift, Bd. 14, S. 375. Ebenso in der Südsee: »Alles, was ein Polynesier erworben oder geschenkt erhalten hat, muss er ganz oder teilweise hergeben. Diesem Brauch ist es wohl auch zuschreiben, dass man unter Polynesiern keinen hervorragenden Besitz findet, da es zwecklos wäre, etwas zu erwerben (B. v. WERNER, Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee, S. 153, 154, 210; ebenda, S. 332 über den völligen Kommunismus auf einer der Marschallsinseln).

2) HENRICI daselbst, Bd. 11, S. 137: vergl. über die Hereros ebenda, Bd. 14, S. 410. Über die sprichwörtliche Trägheit der Südsee-Insulaner W. ELLIS, Polynesian Researches, London 1830, Bd. 1, S. 450 ff.

Es gibt aber auch Völker, bei denen sich bis in sehr vorgeschrittene Zeiten hinein der Begriff des Privateigentums aus dem Kommunismus der Urzeit noch nicht loszulösen vermochte. Eines der in die Augen fallendsten Beispiele war das alte China. Hier gehörte noch in den Zeiten einer hochgradigen Kultur der gesamte Grund und Boden dem Staate und wurde in einzelnen Losen je nach Bedarf der Bevölkerung zugewiesen; ein Teil wurde zurückbehalten und für den Staat bewirtschaftet. Die überwiesenen Grundstücke waren unveräusserlich, und wurde, ebenfalls je nach Bedarf, die Teilung geändert. Dieser Zustand wurde Jahrhunderte lang beibehalten und auffällig ist, dass die Bevölkerung ganz zufrieden war, und, wie die Lieder des SCHIKING zeigen, Frohsinn und Lebensmut bewies'). Für die sittliche Bewertung, die der Ackerbau in jenen Zeiten fand, zeugt die bekannte alte Sitte, dass der Kaiser selbst im ersten Frühlingsmonat ein Stück Feld pflügte). Unter der Tsching-Dynastie (bis 256 v. Chr.) wurde der Mindestkonsum eines jeden festgestellt, und wo das Erträgnis nicht ausreichte, wurde ein Teil der Bevölkerung in andere Gegenden verpflanzt, und in den Gegenden Getreide geholt, wo das Erträgnis günstiger war; auch wurde der Fürst davon benachrichtigt, damit er die Staatsausgaben reduziere«3). Also ein durchgeführter Kommunismus des Grundeigentums und der Arbeitswerkzeuge, welche ebenfalls der Staat lieferte. Wer nicht arbeitete, wurde bestraft; ein grosses Aufseher- und Beamtenpersonal unter oberster Inspektion des Kaisers überwachte die Arbeit). Und dabei verzweifelte das Volk nicht. Man sollte denken, Menschen, denen ihre Individualität durch eine solche Zuchtrute genommen war, wären wie ein Löwe, den man in einen ganz kleinen Käfig gesperrt hat: er magert

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 352 ff.

2) KOHLER ebenda, S. 355 Anm. 14.

3) KOHLER ebenda, S. 355.

4) KOHLER ebenda, S. 356.

ab, oder er rast und, wenn er kann, wird er seinen Wärter zerreissen. Nichts von alledem sie lebten, wie wir sahen, vergnügt und wohlgemut; denn man kann nicht verlieren, was man noch nicht gehabt hat. Und es ist nicht zu verschweigen, dass die Folge eine intensive Kultur und die wunderbare Ausnützung des Landes und seiner Wasserkräfte war, die es heute befähigt, eine ungeheure Menschenzahl zu ernähren 1). Und noch jetzt spricht das chinesische Strafgesetzbuch Prügelstrafe (mit dem Bambusrohr) gegen den Grundeigentümer aus, der sein Ackerland nicht in gutem Zustande hält, und bedroht sogar den Dorfältesten, der solche Lässigkeit duldet. Desgleichen soll jedem, der sich zum Landbau erbietet, in der Nachbarschaft Land zur Bewirtschaftung zugewiesen werden). Also Recht auf Arbeit in China!

Derartige seltsame Nachläufer in verhältnissmässig sehr späte Zeiten hinein hat auch zuweilen der Volksmund erhalten. So finden sich Nachklänge jener Auffassung eines uralten Kommunismus in dem deutschen Rechtssprichwort: >> Drei sind frei«, nach welchem sich der Wanderer drei Trauben oder drei Früchte aneignen durfte 3). Und noch viel weiter gehen die menschlich schönen Bestimmungen im fünften Buch Mosis, wo es Kap. 23, Vers 24 u. 25) heisst: >Wenn 1) PLATH, in den Abhandlungen der Münchener Akademie d. Wissenschaft, phil. phil. Kl., Bd. 10, S. 695, Bd. 12, S. 114 ff. 117, 136.

2) KOHLER a. a. O, S. 359. Als Rest des alten Kommunismus in China darf auch betrachtet werden, dass Pferde, Hornvieh, Kamele, Maultiere, Esel nur nach eingeholter staatlicher Genehmigung getötet werden dürfen.

3) HILLEBRAND, deutsche Rechtssprichwörter 1858, S. 207 ff; GEORG COHN, deutsches Recht im Munde des Volkes (drei rechtswissenschaftliche Vorträge, Heidelberg 1888), S. 5. Ferner GIERKE, Genossenschaftsrecht, Bd. 2, S. 241 unter d. OSENBRÜGGEN, Studien, S. 8, 102 ff. Vgl. auch GRIMM, Rechtsaltertümer S. 401. Ähnlich die für den Wanderer günstigen Bestimmungen im altindischen Recht (Gesetzbuch des MANU, Buch 8, V. 341; JOLLY in Zeitschrift, Bd. 16, S. 154).

4) Die Stelle ist wörtlich im Schwabenspiegel wiederholt (S. 168. WACKERNAGEL).

du in deines Nächsten Weinberg gehest, so magst du der Trauben essen nach deinem Willen, bis du satt habest, aber du sollst nichts in dein Gefäss tun. Wenn du in die Saat deines Nächsten gehest, so magst du mit der Hand Ähren abrupfen, aber mit der Sichel sollst du nicht darinnen hin und her fahren.<< Und weiter Kap. 24, Vers 19 ff.: »Wenn du auf deinem Acker geerntet und eine Garbe vergessen hast auf dem Acker, so sollst du nicht umkehren dieselbe zu holen, sondern sie soll des Fremdlings, des Waisen und der Witwe sein, auf dass dich der Herr, dein Gott, segne in allen Werken deiner Hände. Wenn du deinen Ölbaum hast geschüttelt, so sollst du nicht nachschütteln; es soll des Fremdlings, des Waisen und der Witwe sein. Wenn du deinen Weinberg gelesen hast, so sollst du nicht nachlesen; es soll des Fremdlings, des Waisen und der Witwe sein.< Überall unter allen Zonen dasselbe gewaltige Gewebe menschlicher Vorzeit - wie eine Symphonie Beethovens, die, auf mächtigen breiten Schwingen ruhend, uns von der grossen Seele grosser Menschen erzählt.

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In unserer Zeit harten Ringens um Mein und Dein, wo man oft wegemüde sich zurücksehnen möchte nach einer Zeit, in der noch alles allen gehörte, wirkt diese Erinnerung wie ein Sonnenblick. Und kann man es den Völkern verdenken, wenn sie zurückblickend hier das Paradies und die goldene Zeit suchen? Wo liegt die Wahrheit dort oder hier? Nur der Kampf um Mein und Dein hat die Menschheit zu einer wirklich in allen Fibern angestrengten Arbeit, und nur die Arbeit zur Kultur geführt. Fluch und Segen, Licht und Schatten sind allen Stufen der Menschheit gemeinsam und sicher hat es keine noch so kleine Staffel des Vorwärtsschreitens der Menschheit gegeben, welche nicht von Tränen schlüpfrig war.

So kann man sagen, dass die ältesten Kulturstufen vielfach noch nicht die Weisheit des Hamsters erreicht haben, der im Sommer für den kommenden Winter sorgt, und die wir heutzutage in den Zeiten der Bankguthaben und Kapitals

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