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Bußlieb von Jbn Gabirol.

Lautlos und in Bestürzung seh' ich solches;
dem Manne gleich, der schläft bedeckt mit Schande,
so fahr' ich nadt und bloß in mein Verderben.

Mich drückt als Last, was irrend ich verschuldet.
Es schallt der Eine Ruf aus meinem Herzen:
ich hab' mit Sündenschuld mich ganz beladen.

Nicht hielt ich mich zum Rechten, das mir kund war,
an meinem Troß hab' ich verstockt gehangen.
Was rufst du mich? Was fordert deine Stimme ?
Sieh deine Sünde vor dir, meine Seele,
und trage deiner Schuld gehäufte Menge,
ja trage deiner Missethaten Fülle!

Es bleibt nur eins, das ich vermag zu denken,
wenn Kummer mich bedrückt um mein Vergehen;
Allein in Gottes Hände will ich fallen!

Fleh' ich, so blick' herab von deinem Throne,
erschließe mir, dem Armen, deine Pforte,
ich habe keinen ja, als dich alleine.

Zum Felsen werde mir, der rings mich schirmet,
zum Retter, der mich löst von meinen Sünden,
lehr mich dein Wort, das Zeugnis deines Willens.

Komm, Herr, und höre gnädig, was ich rede,

wenn ich vor dir mit meinem Flehen stehe,
verstoße nicht mich, deinen Knecht, im Zorne!

Nuf ich so höre du des Armen Stimme!
In deine Hand, o Herr, will ich mich geben,
Erbarmen, Herr! o hab' mit mir Erbarmen!"

Schau freundlich auf dein Volk in deiner Gnade,
wenn es nun vor dich tritt mit seinem Flehen,
und auch auf mich, der deiner Knechte einer.

Teil' uns Vergebung zu für unsre Schulden,
nicht suche heim die Sünden, die verborgnen;
denn ach! wie Schatten schwinden unsre Tage.

Fliegendes Neujahrs-Blatt von Ab. Saphir.

„Mir ist Barmherzigkeit widerfahren.“
1 Tim. 1, 12-17.

Eine Neujahrs-Losung von Adolph Saphir.
Überseßt von Gr. M.

Die Laufbahn des Apostel Paulus nahte ihrem Ende. In seinen Briefen an Timotheus blickt er oft zurück auf seinen langen Lebensgang. Bei diesem Rückblick ist es vor allem Eine Erfahrung, die, alle anderen überstrahlend, ihm vor die Seele tritt. Es ist ihm teine andere gleich feierlich, bedeutsam und beseligend. Es war eine Krisis und eine Geburt, das Ende seines bisherigen und der Anfang eines neuen und ewigen Lebens. Er braucht sie sich nicht erst mühjam ins Gedächtnis zurückzurufen - sie ist ihm stets gegenwärtig, sie lebt in ihm, sie durchglüht ihn. Was ist das für eine Erfahrung? Es ist dies: „Mir ist Barmherzigkeit widerfahren."

Von dem Augenblick an, da ihm Barmherzigkeit zu Teil geworden, concentrirt sich all sein Denken und Sprechen in dem Heil, das ihm widerfahren. Sein Herz ist dadurch in Brand geseßt und aus dem brennenden entströmen ihm Worte des Lebens, durch welche der heilige Geist ebendasselbe Feuer entzündet in tausend Herzen. Alle Briefe des Apostels, bis auf eine bemerkenswerte Ausnahme, beginnen mit „Gnade,“ und enden auch damit. Denn Gnade ist der Anfang und Gnade das Ende, Gnade ist die Quelle und die Summe aller Segnungen; sie ist der erste Strahl des Lichtes und das letzte Thema des Lobpreises.

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In den Briefen an Timotheus und Titus sett er zwischen Gnade“ und „Frieden" das Wort „Barmherzigkeit.“ Indem

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Gottes Erbarmung, unser Leben und unsre Hoffnung.

er an einzelne Freunde schreibt und nahe dem Ende seines Lebens wird er sich um so schärfer bewußt, daß er der Barmherzigkeit bedarf, um so dankbarer erinnert er sich der erfahrenen Barmherzigkeit. Ein Schuldner der Gnade allein“ das ist des Apostels tiefstes und innigstes Empfinden.

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Er gedenkt alter Sünden. Gott hat sie vergessen, er selbst kann sie nicht vergessen, es sind große und schwere. Nicht am Anfang unserer christlichen Laufbahn fühlen wir unsere Sünden am tiefsten, erst nach längerer Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott gewinnen wir den rechten Einblick in die Tiefen unserer Sünde. Jm Licht der Liebe Christi blicken wir hinab in den Abgrund unserer Undankbarkeit, Selbstsucht und Widerspenstigkeit, und überzeugen uns von dem so gar widergöttlichen Charakter unseres Fleisches. Wir vergleichen uns nicht mit anderen, thun wir es aber, so erblicken wir nichts was unserer eigenen Unwürdigkeit und Schuld zu vergleichen wäre. Paulus sagt von sich am Ende seines christlichen Lebens, daß er der vornehmste sei unter den Sündern, und dadurch ist er selig und hat Frieden: Barmherzigkeit ist ihm widerfahren! Barmherzigkeit allein, absolute purlautere Barmherzigkeit hat ihn errettet. So bringt Barmherzigkeit alles andere mit sich: volles Vertrauen und freudige Zuversicht; „denn das ist je gewißlich wahr und ein teuerwertes Wort, daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt die Sünder selig zu machen, unter denen ich der vornehmste bin." Die Barmherzigkeit gewährte ihm reichlich was zum Leben und göttlichen Wandel dient, besonders auch wundersamen Trost und Energie in seinem Amte: „Ich danke unserem Herrn Christo Jesu, der mich stark gemacht und treu geachtet hat und gesetzet in das Amt, der ich zuvor war ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher, aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren!" Mit der Barmherzigkeit überkam er Anschauen und Vorschmack der himmlischen Freuden. Der Barmherzigkeit gedenkend, ruft er aus: „Gott dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, dem allein Weisen, sei Ehre und Preis in Ewigkeit. Amen."

Eine alte Predigt in Tiberias.

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Leben auch wir in stetem Gedenken an die Barmherzigkeit, die wir erfahren haben, der ungesuchten, unverdienten, vielleicht oft zurückgestoßenen? Der Barmherzigkeit, die dennoch in mitgefühlvoller tiefer Herablassung uns Vergebung und Trost gewährte und uns heilte mit göttlichem Lichte und göttlicher Liebe? Wenn wir ohne Empfindung der Liebe Gottes sind, kraftlos und untüchtig, ist es nicht deshalb, weil wir nicht daran gedenken, daß uns Barmherzigkeit widerfahren? O laßt uns doch keinen andern Mittel- und Quellpunkt des Lichtes und der Liebe, der Freudigleit und der Kraft suchen als allein Christus, den Heiland der Sünder. Wir haben keinen anderen im Himmel und auf Erden. Aber auch die Liebe Gottes in Christo wird uns nicht erwecken und erwärmen und beleben, wenn unser Herz sich nicht immer und immer wieder sagt: Mir ist Barmherzigkeit widerfahren, mir der Sünder größtem! Wir suchen auf mancherlei Wegen nach Rat und Hülfe, wie wir bessere, freudigere und ernstere Christen werden können. laßt es uns mit diesem Mittel versuchen: sagen wir uns täglich, sagen wir es uns ohne Unterlaß: „Mir ist Barmherzigkeit widerfahren."

Die Bußtagspredigt Rab Kahana's.

Von Gustav Marx.

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Es war vor etwa 1600 Jahren am Sabbat Teschuba (dem Sabbat, welcher dem Versöhnungstag vorangeht). In der alten Synagoge des galiläischen Tiberias war die Gemeinde versammelt. Der gewöhnliche Abschnitt aus dem Gesetz war verlesen. Da erhob sich in der Mitte der Gemeinde ein Rabbi – es war der aus Babylonien der Akademie von Tiberias zugewanderte Rab Kahanatrat auf die Stufen vor dem heiligen Schrein, nahm die Rolle des Zwölfprophetenbuchs zur Hand und las aus dem 14. Kapitel des Propheten Hosea: „Bekehre dich, Israel, zu dem HErrn,

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Bußfertige und Begnadigte.

deinem Gott; denn du bist gefallen um deiner Missethat willen. Nehmet diese Worte mit euch und befehret euch zum HErrn und sprecht zu Ihm: Vergib uns alle Sünde und thue uns wohl. So will ich ihr Abtreten wieder heilen. Ich will Israel wie ein Thau sein, daß es soll blühen wie eine Rose und seine Wurzeln ausschlagen wie der Libanon." Damit legte Rab Kahana die Rolle zur Seite und begann folgendermaßen:

„Einst traten die Kinder Israels vor den Heiligen, gelobt sei Er, und sprachen: „Herr der Welten: Wie ist's? Wenn wir Buße thun, wirst du dann auch unsere Buße annehmen ?“

Da antwortete Er: „Die Buße Kains habe ich angenommen, und sollte eure Buße nicht annehmen? Über Jenen war ein schweres Drohwort ergangen. Unstät und flüchtig sollte er sein auf Erden (1 Mose 4, 12). Aber siehe da! er that Buße, da ward die Hälfte der Strafe von ihm genommen.“ *)

Auch die Buße Ahabs habe ich angenommen, und sollte eure Buße nicht annehmen? Elia hatte zu ihm gesprochen: da, wo die Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen die Hunde auch dein Blut lecken (1. Kön. 21, 19)! Aber er legte einen Sack an und zerriß seine Kleider. Da sprach der HErr zu Elia: Siehst du, wie Ahab sich vor mir bücket? Weil er sich vor mir bücket, will ich das Unglück nicht kommen lassen bei seinem Leben.

Die Buße der Männer von Anathot habe ich angenommen, und sollte eure Buße nicht annehmen? Von ihnen sagte Jeremia: So spricht der HErr Zebaoth: Siehe, ich will sie heimsuchen; ihre junge Mannschaft soll mit dem Schwert getötet werden, und ihre Söhne und Töchter Hungers sterben, daß nichts von ihnen überbleibe (Jerem. 11, 22). Aber sie thaten Buße. Und 128 Männer von Anathot sind aus dem Exil zurückgekehrt (Esra 2, 23).

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Ja, die Buße der Leute von Ninive nahm ich an, und sollte

*) Nach 1 Mose 4, 16 wohnte Kain im Lande Nod, war also nicht immerfort unftät und flüchtig auf Erden.

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