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einzelnen Individuums bedingte Darstellung des Glaubenslebens giebt? Hängt nicht die Art des Ausdruckes des religiösen Lebens nach der einen Seite hin mit der jedesmaligen Bildungsstufe zusammen, so daß verschiedene Zeiten verschiedene formelle Anforderungen an ein Erbauungsbuch machen? Wollte man aber auch das unberücksichtigt lassen, da es ja wenigstens einzelne Muster formeller Tüchtigkeit giebt, die für alle Zeiten klassisch bleiben, hat nicht jede Zeit ihre eigenen Gefahren und Verirrungen, Aufschlüsse und Einsichten, Kämpfe und Wehen? So wird es sich denn nicht bezweifeln lassen: neben ältern Erbauungsbüchern gebührt anch neueren eine Stelle und würde nicht ein Thomas a Kempis, ein Tauler, ein Arndt, aus dem neunzehnten Jahrhundert hervorgewachsen, noch mit ganz anderer Gewalt in die Herzen des neunzehnten Jahrhunderts hineingreifen?

Ich nun bin durch folgende Veranlassungen zu einer folchen Schrift angeregt worden. Zuerst fing ich im Jahre 1826 an, als ein anhaltendes, überaus schweres Krankheitsleiden den Geist wie den Körper niederdrückte, zunächst zu meiner eigenen Aufrichtung Betrachtungen über Stellen der heil. Schrift niederzuschreiben. Die Arbeit blieb unvollendet. Auf's Neue erhielt ich bei meinem zweiten Aufenthalte in England eine Anregung, als mir ein Buch bekannt wurde, dessen Einrichtung mir zum Gebrauch bei Familiengottesdiensten überaus passend erschien. Es enthielt ausgewählte, besonders praktische Abschnitte der heiligen Schrift für jeden Tag, jedesmalige kurze Erläuterung der Dunkelheiten, um auch zum Verständniß der heiligen Schrift zu führen, und daran schloß sich eine auf den Tert begründete Betrachtung und endlich ein Gebet an, welches die durch die Betrachtung geweckten Entschließungen als Gelübde Gott vortrug. Noch jezt erscheint mir ein Erbauungsbuch für Familienandachten, nach diesem Plane gearbeitet, als ein wahres und noch nicht befriedigtes Bedürfniß der Kirche unsers Vaterlandes. Ich konnte nicht umhin, wiederholt über die Abfaffung eines ähnlichen Werkes nachzudenken. Aber erst der bedrohliche Zustand, in welchem sich eine Zeit lang mein Augenlicht be

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fand, wurde die entscheidende Veranlassung für mich, das Werk abzufassen, welches ich jezt der christlichen Welt übergebe. In den Wintermorgen nämlich, in denen ich verhindert war, meine gewöhnlichen Arbeiten bei Licht zu verrichten, reifte in stillem Nachdenken der Plan zu diesen „Stunden christlicher Andacht." Es war dieses eine Zeit, wo ich die Gefahr vor mir sah, auf mehrere Jahre, wenn nicht gänzlich, meinem gelehrten Berufe zu entsagen; wenn nun die Zeit der Trübsal überhaupt für die Entstehung eines geistlichen Produkts keine ungünstige ist, so darf ich für dieses, sowohl früher seinem ersten Gedanken als später seiner Ausführung nach, aus ernsten Lebensftunden hervorgegangene Werk keine ungünstige Hoffnung hegen. Dagegen weiß ich wohl, wie vieles nichtsdestoweniger diese Hoffnung zweifelhaft macht. Auch mein Erzeugniß wird von dem Bann der gegenwärtigen Zeit, welcher überhaupt die Entstehung eines tüchtigen christlichen Andachtsbuchs verhindert hat, nicht frei geblieben seyn. Die Kraft der Unmittelbarkeit und damit auch des frischen Glaubens bricht sich an der Uebermacht der Reflerion, welche nicht bloß am Katheder, wo sie ihr gu= tes Recht hat, sondern auch im Gebetskämmerlein ihre Stimme erhebt. Und das ist der gefährlichste Wurm, der an der Glaubensfrische unserer Zeit nagt, der auch die Erbauungsbücher nicht zu Kräften kommen läßt. Nicht, daß ich den subjektiven Zweifel selbst unter dieser Reflerion verstände, wie vielleicht Mancher es mißverstehen möchte, nein, sondern gerade das Reflektiren auf die guten Gründe des Glaubens, welches damit dann aber auch ein Reflektiren auf das objektive Vorhandenseyn des Zweifels voraussetzt. Wenn nun aber nur das der rechte Theologe ist, der, nachdem er auf der Leiter der Wissenschaft auf die Höhe hinangeklommen, von der aus er den unumwölkten Himmel vor sich sieht, nunmehr fröhlich in den Himmel hineinschaut und der Sproffen der Leiter nur gedenkt, wo es sich darum handelt, diejenigen liebreich hinaufzuleiten, die drunten stehn wenn das, sage ich, der rechte Theologe ist, so giebt es auch für den Theologen keine vollen

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dendere Schule als die der Trübsal, welche ihn praktisch' in dem Artikel vom Glauben fest macht und ihm keine Zeit läßt, den Blick anderswohin als über sich zu werfen. Ob es mir gelungen sei, ein vorhandenes Bedürfniß in eirigem Maaße zu befriedigen, darüber muß nun die Zeit entscheiden. Zu meiner Beruhigung dient das Bewußtseyn, daß das Werk wenigstens seinem Entstehen nach kein Erzeugniß der Reflerion ist, daß von außen kommende und ungesuchte Veranlassungen die Entstehung desselben herbeigeführt haben.

Eine Zeit lang war ich mit mir selbst über die Einrichtung nicht einig. Ich schwankte zuerst, ob ich mich für ein Familienhausbuch entscheiden sollte, oder für ein allgemeiner gehaltenes Andachtsbuch; sodann ob die Form der Betrachtung ausschließlich vorwalten und ob diese Betrachtung sich strenger an den Tert anschließen oder freier bewegen sollte; endlich welche Anordnung am zweckmäßigsten sei. Fast alle unsere Andachtsbücher ermangeln einer festen, planmäßigen Anordnung worüber neuerlich auch Dr. Theremin in seinem inhaltsreichen, trefflichen Aufsaße über die Erbauungslitteratur im dritten Theile der Abendstunden Klage führt fie geben zus fällige Andachten, die sich wie die Blumen auf der Wiese zu beliebigem Gebrauche darbieten; auch läßt sich dafür mans ches sagen, denn jedenfalls ist diese Ordnungslosigkeit einem Schematismus vorzuziehen, welchem die Freiheit und das Leben eines solchen Werkes zum Opfer gebracht wird. Dennoch widerstrebt an einer solchen planlosen Sammlung schon das durchaus Unkünstlerische; es kommt dazu, daß es doch auch mehrfache Anordnungen giebt, durch welche bestimmte intelleks tuelle und fittlich-religiöse Zwecke erreicht werden. Ich habe mich dafür entschieden, in diesen Betrachtungen die Entwicke lung des christlichen Lebens nach Innen und nach Außen darzustellen. Hieraus ergab sich denn auch der allgemeinere Charakter des Andachtsbuchs und die Form von Betrachtungen. Für Hausgottesdienste nämlich, an denen die ge= fammte Familie mit Einschluß der Dienstboten Theil nimmt,

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wird diese Form meines Erachtens sich weniger eignen als die oben angegebene. Ich hoffe durch die von mir gewählte Anordnung zugleich dem Bedürfnisse derer entgegen zu kommen, in denen zwar chriftliche Anregungen vorhanden sind, aber ohne Durchbildung der christlichen Erkenntniß. Das Andachtsbuch vom Bischof Mynster hat nach den Lehrstücken der Dogmatik Belehrung über die Dogmen in ihrem ganzen Umfange mit der Erbauung zu verbinden gesucht; ich strebe dasselbe an in Betreff der Lehre vom christlichen. Heilswege. Wie meiner Natnr überhaupt starrer Schematismus widerstrebt und ich dem „, aus dem Grünen schneiden“ eben so hold, als dem „Leimen“ gram bin, so habe ich der Planmåßigkeit doch nicht die freie Bewegung zum Opfer gebracht; innerhalb des geschloffenen Ganges des Ganzen waltet Freiheit und Mannigfaltigkeit. Ein Vorwurf, der die meisten Erbauungsbücher trifft, ist die Eintönigkeit; ich habe gestrebt, sie zu vermeis den, oder ich darf wohl richtiger sagen, meine Eigenthümlichkeit hat mich davor bewahrt, in diesen Fehler zu fallen. Ich habe mich beim Niederschreiben dieser Betrachtungen recht eigentlich in meinem Elemente gefühlt, viel mehr als beim Abfaffen von Predigten, deren hergebrachte Form Fesseln anlegt, in denen der Geist oftmals nach Freiheit seufzt. Ich habe hier auch die Kanzelsprache verlaffen dürfen, ich habe je nachdem der Gegenstand es gab -bald mit Claudius, bald mit Kempis, bald mit Tersteegen, bald, und zwar am öfteften, mit Luther gesprochen. Wie viel ich dem theuren Vater Luther überhaupt bei Abfaffung dieses Werkes verdanke, kann ich nicht fagen: ich habe mich selbst an diesem Manne von Stahl, an dieser Kernnatur, in welchem das christliche Leben nach ́einigen Seiten hin — denn andere Seiten haben allerdings ans ders Begabte vollkommener entfaltet auf ganz vollendete Weise sich darstellt, immer auf's Neue erbaut, erhoben, geftählt. Sein Bild war mir, ich gestehe es, einige Jahre hindurch ge= trübt gewesen, ich richtete zu ausschließlich meinen Blick auf die Ausbrüche der von dem Geiste des Herrn noch nicht bee

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wältigten kräftigen Natur; mit reineren Gefühlen der Ehrfurcht erfüllte mich die Geisteszucht eines Calvin im Denken und Handeln; als aber bei diesem erneuten Studium sich vor meis nem Auge die Weihe des Glaubens und der Kraft dieses grunddeutschen Charakters, die Wahrhaftigkeit seines ganz zen Wesens, die wunderbare Kindlichkeit und Naivität abermals in ihrer Herrlichkeit entfaltete, da mußte ich mich ihm wieder mit ganzer reiner Liebe zuwenden und ausrufen: Seine Schwächen sind nur so groß, weil seine Tugenden so groß find!

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Es redet die Dichtkunst noch in einem andern Dialekt zum Herzen als die Prosa, sie redet den Dialekt der hohen, freien Berge. Es war daher meine Absicht, reichlich Kernsprüche unferer älteren Lieder anzuschließen; allein ich fand nur mit großer Mühe und sehr häufig gar nicht solche, wie ich sie wünschte und bedurfte; so redete ich denn selbst die Sprache der Poesie nur hie und da namentlich in der ersten Hälfte find die eingestreuten Verse von andern Verfassern; ich bin mir wohl bewußt, daß dadurch dem Buche etwas abgeht an Körnigkeit und an kirchlichem Charakter, indeß hat es dadurch wenigstens an Ursprünglichkeit und Eigenthümlichkeit gewonnen; bei einem Erbauungsbuche ist ja auch das nicht gleichgültig. Was Ton und Sprache anlangt, so hätte ich wohl gewünscht, ich hätte mit der Zunge eines Luther oder Claudius für Alle sprechen können, ich habe wenigstens an diesen Meistern zu lernen gesucht.

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Den Titel, welchen ich für das Werk wählte, werden Manche mißbilligen. Einige werden nicht einmal durch den Titel an die bekannten «Stunden der Andacht» erinnert zu wer den wünschen, Andere werden darin von vornherein ein Verdammungsurtheil über jenes weitverbreitete Werk erblicken. Der Grund, warum ich gerade diesen Titel wählte, ist einfach der, daß ich Diejenigen, welchen zwar die Zubereitung der von den Stunden der Andacht dargereichten Speise gefällt, welche aber die Nahrhaftigkeit und Gesundheit derselben bezweifeln,

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