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V.

Glaube und Vergeltung.

Es ist mir nicht genug zu vermuthen, baß Gott

in einem Leben überhaupt das Gute belohnen, und das Böse ahnden werde. Er wird wohl den Guten, d. h. den der mehr Gutes als Böses ges than hat, die Folgen seiner bösen Handlungen gleichs wohl auch fühlen lassen, so wie dem Bösen, aus den Folgen seiner guten Handlungen Tropfen der Linderung in den bittern Kelch sich mischen werden. Also keine absolute Seligkeit und keine ganz trost= lose Hölle, so wie auf der Erde keine absolute Tugend und kein absolutes Laster.

Aber wenn ich fragen foll: was wird feyn? fo muß ich die Frage, was seyn werde? und nicht was mir das liebste wäre? beantworten, fonst bin ich

dem Thoren gleich, der sich einbildet, er müsse diefesmal im Lotto gewinnen, weil er des Gewinstes so gar bedürftig ist, und könnte leicht dem noch größern Thoren gleich werden, der auf den zukünftigen Gewinn hin schon rechnet und zehret.

Der Glaube an einen büßenden Erlöser, er sey gegründet oder nicht, ist allemal tröstlich im Leben und am Rande des Grabes, für den, der glauben kann

Der nicht an ihn glauben mag oder kann, muß dieses Trostes entbehren; über den Rand aber des Grabs hinaus kann es wohl wenig schaden, nicht geglaubt zu haben, was man nicht glauben konnte. Denn wäre dieser Glaube eitel, so wåre

glauben an das, und

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es offenbar beffer nicht zu nicht zu hoffen auf das, was nicht ist. Wäre aber wirklich ein büßender Erlöser da, nun dann ich traue Gott schon ohne Erlöser zu, und es ist mir begreiflich, daß er mich um meiner menschlichen Fehler willen aus Liebe nicht ganz und nicht ewig unglücklich machen werde. Hat er aber wirklich seinen eingeborenen Sohn auch noch zum Sühnopfer dahin gegeben, so muß er mich noch mehr lieben, als ich ihm zutraue, mehr als alle Vernunft be= greifen kann, so kann er vermöge feiner größern unbegreiflichen Liebe nicht thun, was er schon nach feiner geringeren begreiflichen Liebe nicht hätte thun können, so kann er keinem kapriciósen Wohlthäter

gleichen, der alle seine Wohlthaten an wunderliche Bedingungen knüpft. Und das thåte er doch, wenn er den, welcher das, was die protestantische oder katholische Kirche sagt, (weil er nicht prüfen kann oder mag), geradezu glaubt, felig machte, und den der gern glauben möchte, und gewiß glauben würde, wenn er könnte, verdammen wollte. Was ist auch Glaube an sich? Wer nicht glaubt, um zu handeln, der erfüllt, um die wichtigste Wöhlthat zu erlangen, die einfältigste Bedingung. Wer glaubt und darum gut handelt, weil er Glücklichen macht sein Glaube selig.

glaubt, den

Wer aber

ohne den Glauben gut handelt, auch dessen wird fich Gott erbarmen, oder es komme keiner und überrede mich, Gott habe die Menschen so lieb, daß er auch seinen Sohn für sie dahin gegeben habe.

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VI

Ein Vermuthungsgrund für die Immaterialität der Seele.

Die Physiker haben erwiesen, daß der Körper des

Menschen sich unaufhörlich wandele und in wenig Jahren allen Theilen nach ein ganz veränderter und neuer Körper sey. Also nach zehn Jahren auch andere Nerven, den Bestandtheilen nach und anderer Nervensaft, natürlich, und doch noch immer die alte Seele; die Seele muß also nicht aus Materie bestehen.

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Mein Körper hat sich nämlich nun schon we nigstens zum drittenmal ganz geändert, und ich habe nichts davon gemerkt, habe immer das nåmliche Bewußtseyn gehabt; fühle, daß ich noch immer das nämliche Individuum bin. Was ists für ein

Theil meines Wesens in mir, der dieses fühlt und erkennt? Was ist für ein firer Punkt meines unveränderlichen Daseyns in mir, vermöge deffen ich trog alles Abreibens und Wegdünstens der Materie doch immer der Nämliche bin? Muß es nicht selbst etwas Unwandelbares und somit etwas Immateriels les seyn ?

Daß die vernarbte Wunde an dem Arm, den ich jest habe, noch sticht, wie sie an dem stach, an welchem sie geschlagen und geheilet ward, ist noch begreiflich. Die Narbe selbst belehrt mich, daß hier die Theile auf eine fehlerhafte unnatürliche Art zusammengesett sind, und daß hier die organische Wirkung der Natur so lange nicht zurücktreten könne, so lange sich die Narbe nicht verliert. Also auch die neuen Theile sehen sich allemal wieder feh. lerhaft an, und so lang muß ich immer neuen Schmerz empfinden. Nicht die Wunde, die ich vor zwanzig Jahren empfangen habe, auch nicht die Narbe, die sich damals überzog, sticht mich jezt mehr, sons dern die, welche ich jest habe, aus dem nämlichen Grund, warum mich jene schmerzte. Das wäre also begreiflich.

Daß ich aber eine Rede, ein Gedicht, eine Musik, die ich mit meinem jezigen Ohr höre, wieder als die nåmliche erkennen kann, die ich vor fünfzehn Jahren schon auswendig gelernt, oder auch nur mit befonderem Antheil und Wohlgefallen gehört hatte;

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