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2. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AD. V, 2 fänden wir zum Teil Zeichenformen, die den uns bekannten wohl ähnlich, aber nicht gleich wären. Dürfen wir sie einander gleich sezen? Das kann uns im wesentlichen nur die Probe beweisen, wenn nämlich dabei verständliche Worte herauskommen. Um das zu entscheiden, ist aber wieder genaue Kenntnis der Sprache nötig. Und ferner: welche Form müssen wir überhaupt, um die Zeichenwerte zu gewinnen, beim Einseßen der Eigennamen der dreisprachigen Inschriften geben? Beispielsweise sagen die Griechen Artaxerxes, die Hebräer Artachschasta und die Perser Artachschatra für den= selben Namen. Alle drei Namensformen hätten uns aber beim Einsehen in die babylonischen Inschriften irregeführt, denn die Babylonier sagten, wie wir jezt wissen, Artakschatsu. Welche Vorstellung endlich sollen wir uns von dem Wert der einzelnen Zeichen machen bei einer Schrift, die mehr als 500 verschiedene Zeichen aufweist? Ein eigentliches Alphabet kann das doch nicht sein. Auch scheint es von vornherein unabweisbar anzunehmen, daß mehrere Zeichen den gleichen Wert haben müssen, wir müßten denn vermuten, wie es Münter 1802 und vor ihm schon Zoëga tat, daß hier jedes Zeichen ein ganzes Wort bedeutet. Wie kann man aber mit solcher Schrift Eigennamen schreiben? Wir wissen, daß der Name Xerxes durch fünf Zeichen wiedergegeben ist. Die können doch kaum je ein ganzes Wort bezeichnen? Diese Fragen, die noch nicht alle Schwierigkeiten berühren, zeigen, welche Summe geistiger Arbeit erforderlich war, um die Aufgabe zu lösen.

Der Weg, welchen man dabei einschlug, war der oben an einer Inschrift dargelegte, natürlich nicht ohne manche Irrwege. Münter machte 1802 die Beobachtung, daß eine Anzahl der Zeichen der dritten Keilschriftgattung auf beschriebenen, einsprachigen Backsteinen wiederkehrten, die in den Ruinen Babylons gefunden waren. Dies war wichtig. Nach dem Fundort der Backsteine war er nämlich überzeugt, daß sie in Ostaramäischer, also einer semitischen Sprache abgefaßt seien. Wenn es daher zuverlässig nachgewiesen werden konnte, daß die Schriftformen der Backsteine ganz dieselben waren wie die der dritten Gattung der Achämeniden-Inschriften, so war damit zugleich als sehr wahrscheinlich erwiesen, daß die Sprache der lezteren ebenfalls semitisch war. Jener Beweis war aber deshalb nicht leicht zu erbringen, weil die Keilschrift ihre Formen während des mehrtausendjährigen Gebrauchs erheblich gewandelt hat, und weil auf den genannten Backsteinen die älteren, in der dritten Reihe der dreisprachigen Inschriften

AD. V, 2

Münter. Löwenstern.

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aber die jüngeren, neubabylonischen Formen zur Verwendung gekommen sind. Dem Scharfblick des Dr. Hincks glückte es 1846 zu entdecken, daß zwei längere Inschriften, die eine in alt-, die andere in neubabylonischen Zeichenformen geschrieben, in großen Teilen gleichlautend waren. Durch ihre Vergleichung konnte er die verschiedenen Formen der Zeichen einander gleichseßen und so den Beweis erbringen, daß Schrift und Sprache der Achämenidenund der babylonisschen Backsteininschriften zusammengehörten. Grotefend entdeckte in den vierziger Jahren, daß eine Zeichengruppe auf den Backsteinen den Namen Nebukadnezar bezeichnen müsse, und bestimmte in den dreisprachigen Inschriften die Gruppen, die nach der Überseßung den Namen Cyrus, Hystaspes, Darius und Xerxes entsprechen mußten. Aber noch glückte es nicht die Zeichen zu lesen. Als 1843 Botta seine erfolgreichen Ausgrabungen in Khorsabad, auf assyrischem Boden, begann, und zahlreiche Inschriften zutage famen, erkannte er, daß auch hier dasselbe Schriftsystem vorlag, wie bei der dritten Gattung der dreisprachigen Terte. Man durfte also hoffen durch Anwendung der von den letzteren zu gewinnenden Zeichenwerte auf die Khorsabad-Inschriften den Namen des Königs zu bestimmen, der jenen alten Palast erbaut hatte.

Der erste, der diesen Versuch machte, im Jahre 1845, war der Schwede Isidor Löwenstern. Er stellte fest, daß die Schrift von links nach rechts zu lesen sei, und sprach die Vermutung aus, daß die Sprache der Inschriften semitisch sei. Er erkannte richtig die Zeichen für „König“, für „groß“, und das Pluralzeichen. Das leştere, ein Determinativ, deutet an, daß das voranstehende Wort im Plural steht. Es ist das vorletzte Zeichen der zweiten Zeile in der oben S. 19 wiedergegebenen Inschrift. Aber seine Versuche den Königsnamen zu deuten mußten mißglücken, da der Name in der von Botta eingesandten Abschrift fehlerhaft geschrieben war. In einer zweiten, 1847 erschienenen Schrift gelang es ihm etwas weiter zu kommen. Er konnte bereits einige philologische Beweise für den semitischen Charakter der assyrisch-babylonischen Sprache erbringen. Gleichzeitig aber stellte er eine irrtümliche Hypothese auf, welche die weiteren Forschungen erschwerte. Als er nämlich die 19 in den ihm damals bekannten dreisprachigen Inschriften. sich findenden Eigennamen sorgfältig mit einander verglich, fand er, daß ein und derselbe Eigenname (nach Ausweis der persischen Übersetzung), wenn er sich öfter wiederholte, in der babylonischen Schrift mehrmals mit zum Teil anderen Zeichen geschrieben war.

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L. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift. AD. V, 2 Da er nun den Zeichen nach Analogie der semitischen Schrift, die im allgemeinen nur die Konsonanten der Worte schreibt, die Werte von bloßen Konsonanten gab, konnte er sich den vorliegenden Tatbestand nur durch die Annahme erklären, daß in der babylonischen Keilschrift für jeden Konsonanten mehrere Zeichen vorhanden waren, die unterschiedslos, je nach Belieben des Schreibers, für einander eintreten fonnten. Er nannte solche Zeichen Homophone, Gleichlauter. So fand man z. B. für den Konsonanten r nicht weniger als sieben ganz verschiedene Zeichen, von denen in den Eigennamen mit r bald das eine, bald das andere verwendet war. Das Faktum war richtig beobachtet, aber falsch gedeutet, und es dauerte noch mehrere Jahre, bis die richtige Erklärung gefunden wurde.

Von demselben Jahre an erschienen nun fast gleichzeitig eine große Anzahl von Abhandlungen über die Inschriften, von verschiedenen europäischen Gelehrten geschrieben, sodaß es oft schwer ist zu entscheiden, wieviel der einzelne bei der Abfassung seiner Schrift von den Ergebnissen der Mitarbeiter schon gekannt hat. Doch sind viele Beobachtungen, da sie in Vorträgen wissenschaftlicher Gesellschaften mitgeteilt wurden und in deren Berichten erst später an die Öffentlichkeit kamen, mehrfach und von einander unabhängig gemacht worden. Ganz besonders verdient genannt zu werden der englische Geistliche Dr. Edward Hincks, der mit bewundernswertem Scharfsinn bei wenig umfangreichem Material fast alle Eigentümlichkeiten der babylonischen Schrift richtig gedeutet hatte ehe Rawlinson 1850 seine Ergebnisse veröffentlichte, deren Gewinnung ihm die große Behistan-Inschrift so wesentlich erleichterte. Bereits im August 1846 (wahrscheinlich 1847 im Druck erschienen), konnte Hincks aussprechen: Die dritte Schriftgattung stimmt in Zeichen und - wenigstens größtenteils in der Sprache überein mit den in Babylonien gefundenen Inschriften. Die Zeichen bedeuten teilweise einfache Laute, teilweise Kombinationen. Für denselben Laut existieren oft zwei oder mehr Zeichen. Die assyrische und die babylonische Sprache scheinen vieles mit den semitischen Sprachen gemeinsam zu haben. Die Zeichen der zweiten und dritten Keilschriftgattung sind vielfach gemeinsam und haben dann, mit einigen Ausnahmen, denselben, oder fast denselben Lautwert. Sehr wichtig ist nun das Beispiel, das er hier anführt: das Zeichen pa der zweiten Gattung ist pa im Assyrischen und ba im Babylonischen. Man sieht daraus, daß er schon damals richtig die babylonischen Zeichen, teilweise wenigstens,

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Edward Hincks. De Saulcy.

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als Silbenzeichen und nicht als einfache Konsonantenzeichen zu lesen versuchte. Er gab dem hier besprochenen nicht, wie später Löwenstern, den Wert p, sondern pa, also Konsonant + Vokal. Wenige Monate später, November und Dezember 1846 (wohl erst 1848 erschienen), konnte er schon weitere Fortschritte melden: „Der dritten Gattung der Persepolis-Schrift kann der Name der babylonischen mit vollkommener Zuversicht gegeben werden." Zugleich führt er seine Auffassung der Schrifteigentümlichkeiten hier näher aus. Man ersieht daraus, daß er bei den Silbenwerten, die er den Zeichen gibt, fast nur an die Folge: Konsonant + Vokal, nicht aber an die ebenso häufige: Vokal + Konsonant denkt. Die Schrift bietet oft Zeichenfolgen wie as-sa oder is-sa oder an-ni. Diese liest Hincks: s(a)-sa, n(a)-ni, indem er annimmt, daß in solchem Falle, wenn nämlich der Konsonant beider Zeichen derselbe ist, der erste Konsonant seinen ihm folgenden Vokal verliere. Die Schreibung s-sa, welche dasselbe bedeute, wie das einfache sa, sei nur eine umständlichere, nach dem Belieben des Schreibers gewählte. Hat er auch hierin geirrt, so hat er doch schon mehrere Determinative ganz richtig ihrem Wesen nach erkannt. Die baby= lonische Schrift bezeichnet viele Worte nur durch ein einziges Zeichen. Man nennt diese: Begriffszeichen oder Ideogramme. Ein solches ist z. B. in der oben S. 19 mitgeteilten Inschrift das Zeichen für König“, ebenso das für „Sohn". Wenn aber eines dieser Zeichen, etwa das für „Gott“, im fortlaufenden Terte verwendet wird, nicht um ausgesprochen zu werden, sondern nur um anzudeuten, daß die darauf folgende Zeichengruppe einen Namen, hier also einen Gottesnamen bezeichnet, so bezeichnet man es als Determinativ (S. 23). Diese Eigentümlichkeit nun wies Hincks für die Ideogramme „Gott“ und „Land“ richtig nach. Am Schluß fügte er ein Verzeichnis von 76 Zeichen an, bei denen er die alt= babylonischen Formen fast durchweg richtig mit den neubabylonischen identifizierte, und für 26 derselben die Silbenwerte vollkommen richtig bestimmte, darunter auch schon einige mit der Lautfolge Vokal Konsonant, wie usch und asch. Mit dieser Abhandlung war daher schon eine genauere Erkenntnis des Wesens der Schrift erreicht, als mit der erst später erschienenen Löwensterns. Ein im Januar 1847 gehaltener Vortrag des englischen Gelehrten brachte weitere Fortschritte in derselben Richtung.

Die Arbeiten, welche der französische Gelehrte de Saulcy in diesem Jahre veröffentlichte, verwarf er selbst später als mißglückt.

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2. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AO. V, 2 Mehr erreichte dagegen der Archäologe de Longpérier 1847. Er stellte nach den dreisprachigen Inschriften die Zeichen und Zeichengruppen fest, welche „König, groß, mächtig, Land“ usw. bedeuten mußten und konnte infolgedessen eine der von Botta ge= fundenen Inschriften richtig übersehen, ohne jedoch ein Wort aussprechen zu können: „Palast des . . ., des großen Königs, des mächtigen Königs, des Königs der Heerscharen, des Königs vom Lande Affur." Im September desselben Jahres gelang es ihm auch den Namen des Königs zu lesen. Mehrere Gelehrte hatten schon nach äußeren Anzeichen vermutet, daß der Palast von König Sargon (Jesaia 20,1) herrühre. Longpérier wies darauf hin, daß das erste Zeichen der Keilschriftgruppe dieses Namens dasjenige sei, welches sonst „König“ bedeute. Das sei nur dann zu erklären, wenn das babylonische Wort für „König“ ebenso laute, wie der Anfang des Namens Sargon, der sehr wahrscheinlich hier gemeint sei. Nehme man nun „sar“ als Aussprache dieses Zeichens, so brauche man nur an das Hebräische „sar“ (Fürst) zu denken, um zu sehen, daß die Bedingung erfüllt sei. Dieselbe Entdeckung machte genau zur selben Zeit auch Botta. Gleichzeitig lieferte dieser Gelehrte ein kostbares Material für alle weiteren Untersuchungen. Als er die zahlreichen Inschriften, die er in dem Sargons-Palast auffand, abschrieb, entdeckte er, daß eine ganze Anzahl derselben den gleichen Inhalt hatten. Bei näherer Vergleichung zeigte sich aber, daß im einzelnen viele Verschiedenheiten auftraten. Da, wo in dem einen Text ein Ideogramm, ein einzelnes Zeichen, stand, fand sich im anderen eine Gruppe von mehreren Zeichen. Oft waren aber auch nur einzelne Zeichen an den entsprechenden Stellen von einander abweichend. Da an der Übereinstimmung des Inhalts kein Zweifel war, konnte er alle diese Abweichungen lautlich einander gleichsehen und erhielt so eine große Liste wertvoller Gleichungen von einzelnen Zeichengruppen und Zeichen. Er konstatierte auch, daß niemals ein Wort sich über das Ende einer Zeile hinaus auf die folgende erstreckt. Durch alle diese Mittel fonnte er den Text in seine Worte zerlegen, ohne ein einziges lesen zu können, oder zu wollen, da er nicht als Entzifferer auftreten wollte. Ein weiteres, wichtiges Ergebnis, das ihm gelang, war die Feststellung, daß auch die Ausläufer der Worte, die grammatischen Endungen, genau dieselben waren, wie bei der dritten Schriftgattung in den Achämeniden-Inschriften, daß demnach ebenso sicher, wie die Schriftzeichen, auch die Sprache der drei- und der

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