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AO. VII, 4

und des Bannes.

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Ob er durch die Gestalt von Vater und Mutter gebannt, durch die Gestalt von älterem Bruder oder älterer Schwester gebannt war, ob er Zerstörung angerichtet, Frevel an seiner Stadt begangen, ein Gerede über seine Stadt ausgesprengt, den Ruf seiner Stadt schlecht gemacht, ob er einem Ge= bannten entgegen gegangen, ein Gebannter ihm entgegen gegangen, ob er in eines Gebannten Bette geschlafen, auf eines Gebannten Stuhl gesessen, aus eines Gebannten Schüssel gegessen, aus eines Gebannten Becher getrunken.

Man sieht, es gab der Möglichkeiten die Fülle, die einem Ahnungslosen den Zorn der Götter zuziehen konnten. Es war gar nicht nötig, ein besonders schweres Verbrechen auf sich zu laden, das geringste Versehen, der kleinste Verstoß gegen geschriebene und ungeschriebene göttliche und menschliche Geseze konnte hinreichen, die überaus empfindliche Gottheit zu kränken. In der Aufzählung fällt vor allem auf die Ausführlichkeit, mit der Vergehen an den Gliedern der eigenen Familie namhaft gemacht werden. Das entspricht dem stark ausgeprägten, patriarchalischen Bewußtsein, das den ehemals nomadischen Völkern durchaus erhalten geblieben ist. Die tiefere religiöse Bedeutung liegt darin, daß jede Verlegung der Familienbande eine Impietät gegen den Schuhgott der Familie, den „Hausgott", in sich schloß. Dieselbe religiöse Anschauung tritt auch zutage, wenn unter den Verfehlungen die genannt werden, die gegen Ordnung, Frieden und Ehre der Stadt sich wenden und diese der Gefahr aussehen, daß ihr göttlicher Schußherr aus ihren Mauern weicht, bis der Frevel gesühnt ist. Von besonderem Interesse ist ferner die Erwähnung, daß jede auch noch so zufällige Berührung mit einem Gebannten" oder mit den gleichfalls dem Bann verfallenen Gebrauchsgegenständen eines Gebannten dieselbe Wirkung hatte, wie eine persönliche sittliche Verfehlung, daß sie genügte, den Betreffenden selber zu bannen. Die ganze dritte Tafel der gleichen Beschwörungsserie Schurpu ist der Aufzählung von verschiedenen Arten des Bannes gewidmet, die der Beschwörungspriester zu lösen berufen ist. Auch diese Liste ist als ein Katalog von Vergehungen aufzufassen, deren Sühnung nur durch Beschwörung erfolgen kann. Der Bann" ist der Zustand des Menschen, der der Gottheit verfallen ist. Der Gebannte ist Tabu, d. h. er ist ausschließliches Eigentum der Gottheit, vollkommen losgelöst aus allem irdischen Zusammenhang. Wo ein solcher Zusammenhang hergestellt wird, äußert sich unmittelbar die furchtbare Wirkung, so daß alles, was mit einem Gebannten, sei es Mensch, Tier oder Sache in Berührung kommt, selber dem Banne verfällt. Die Lösung des Bannes war eine der Hauptaufgaben des Beschwörungspriesters.

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Die Zahl der Dämonen, deren Wirkungen den Menschen bedrohen, ist überaus groß. Sie werden wohl meist als göttliche Wesen bezeichnet, und ihre Macht ist groß, wenn sie sich austoben dürfen, ohne Widerstand zu finden, aber doch wieder beschränkt durch die Mittel, die die großen Götter den Priestern zu ihrer Bekämpfung an die Hand gegeben haben. Gelegentlich aber schrecken sie nicht einmal vor den Göttern selber zurück, wie die Sieben", die den Mond bedrängen, bis ihm die Sonne zu Hilfe kommt. wisse Grundzüge des Wesens sind allen mehr oder weniger gemeinsam. Als Bringer alles Unheils entstammen sie der Unterweltsregion, dem Totenreich, sind Herolde des Pestgottes Ura, Beauftragte Namtars, des Boten der Unterwelt, und der Ereschkigal, der großen Unterweltsgöttin. Wenn sie gegen die Menschen anrücken, vermag nichts sie aufzuhalten. Keine Mauer, kein Zaun ist ihnen zu hoch. Wenn die Türen verschlossen sind, schlüpfen sie wie Schlangen durch Rizen und Spalten. Vor allem haben sie es auf die Zerstörung des Familienlebens abgesehen. Wenn den Himmlischen Eintracht und Friede unter den Menschen ein wohlgefälliger Anblick ist, so gibt es für sie kein widerlicheres Schauspiel, und sie ruhen nicht, bis Mann und Frau, Vater und Sohn, Freund und Genosse widereinander in Streit liegen.

Hier sollen nun die wichtigsten Gestalten dieses Götterreiches vorgeführt und ihrem Wesen nach an der Hand der Texte geschildert werden.

Da ist zuerst der Utukku, der im Gefolge einer ganzen Reihe von Genossen erscheint und vielfach als Verkörperung der dämonischen Kraft überhaupt aufgefaßt worden ist. Er ist zunächst ein Totengeist1, ebenso wie im ganz speziellen Sinn sein Genosse Etimmu, dessen Name direkt der Weggenommene" bedeutet. Hier kommt eine tiefliegende religiöse Vorstellung zum Ausdruck: jede Seele, der aus irgend einem Grunde der Eintritt ins Totenreich verwehrt worden ist, muß über die Erde wandern, bis der Hinderungsgrund aufgehoben ist. Solche Fälle treten ein, wenn es die

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1) Diese Beschwörung von Totengeistern hat gar nichts mit der Totenbeschwörung zu tun. Die spezielle Totenbefragung ist Zitierung bestimmter abgeschiedener Seelen aus der Unterwelt, in der Hoffnung, von ihnen Aufschlüsse irgendwelcher Art zu erlangen. Vgl. z. B. die Beschwörung des Totengeistes (ebenfalls als Utukku bezeichnet) Eabanis für Gilgamesch mit Hilfe Ea's am Schluß des Epos und das biblische Beispiel der Beschwörung des Totengeistes Samuels durch die Beschwörerin von Endor auf Veranlassung Sauls (1. Sam. 28).

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Die Dämonen.

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Angehörigen versäumen, den Toten zu bestatten; wenn sie ihm die schuldigen Totenopfer nicht dargebracht haben, waren die Geister durch Hunger und Durst gezwungen, auf der Erde sich Nahrung zu suchen, wo immer sie sie finden. Die babylonische Spekulation hat eine ganze Reihe von Spezialfällen unterschieden, die die Ruhelosigkeit des Toten bedingen. So war ein Toter, der im Graben liegt, ein Königssohn, der in der Wüste tot liegen bleibt, solange vom Zugang zum Ort der Toten ausgeschlossen, als dieser illegale Zustand, der Mangel einer rite vollzogenen Bestattung andauerte. Oft waren es aber auch Fälle, in denen die Nachkommen, die gesezlich verbunden waren, die Pflichten an den Verstorbenen zu erfüllen, unschuldig waren, so wenn jemand eines gewaltsamen Todes gestorben, z. B. durch Hunger oder Durst in der Gefangenschaft, oder durchs Schwert gefallen war. Oder wenn jemand starb, ohne übernommenen Pflichten vollständig gerecht geworden zu sein1, Frauen, die während der Geburt oder während der Zeit des Stillens starben, geweihte Tempelfrauen, die an einer Krankheit, heiratsfähige Jünglinge, die vor der Hochzeit starben, sie alle waren ausgeschlossen vom Zugang zum Totenreich, von der Totenruhe. So lange dieser Zustand aber dauerte, mußten sie über die weite Erde schweifen, solange waren sie die gefürchteten Widersacher vor allem derer, mit denen sie auf Erden irgend welche Beziehungen unterhalten hatten, insonderheit aber derer, die ihre verwandtschaftlichen Beziehungen verpflichtet hätten, alles zu beobachten, was dem Toten im Grabe seine Ruhe sichern konnte.

Eine strenge Scheide zwischen dem bösen Uttuku und dem bösen Ekimmu ist nicht möglich, wie überhaupt die Eigenschaften und Wirfungen der einzelnen Dämonen vielfach ineinander greifen. Zusammen mit dem „bösen Alu“ sind sie ihrer natürlichen Wirkung nach als Sturmdämonen aufgefaßt und in der Gestalt_von_wutschnaubenden Stieren gedacht. Während der Lieblingshinterhalt der beiden ersteren ihrer Natur entsprechend Friedhöfe, Grüfte und die Wüste sind, verbirgt sich der Alu in der Dunkelheit von Höhlen und Klüften, in Ruinen und verlassenen Gebäuden, er schlendert des Nachts durch die Straßen wie ein Hund“. Des Nachts schleicht er sich gern in die Kammern, den Müden den Schlaf zu rauben. Von der Gestalt, in der er den Menschen erscheint, wird_ein_ab

1) Hier war es wohl möglich, daß die Nachkommen für ihn eintraten und dadurch seine Lösung bewirkten.

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AO. VII, 4 schreckendes Bild entworfen, er hat weder Mund, Lippen noch Ohren; er gilt als das Erzeugnis der Dämonin Lilith_oder ArdatLili (s. unten) mit einem Menschen, daher sein halb menschliches, halb teuflisches Aussehen.

Der böse Gallu“ schlendert wie der Alu des Nachts durch die Straßen; er ist geschlechtslos, weder Mann noch Weib. Sein Name ist offenbar sprichwörtlich geworden für alle Menschen, die wir etwa als „böse Teufel" bezeichnen. Wenigstens gebraucht König Senacherib dieses Epitheton den von ihm so sehr gehaßten Babyloniern gegenüber.

An vierter Stelle steht in diesen eine strenge Reihenfolge bei Aufzählung der Dämonen einhaltenden Texten der „böse Gott", d. i. natürlich der feindliche Widerpart des jedem Menschen zur Seite stehenden wohlwollenden Schußgottes. Jeder Mensch hat also auch ein ihm feindliches Prinzip unter den göttlichen Mächten zu fürchten. Nähere Angaben über sein Wesen und die Art seiner Betätigung fehlen in den Terten.

Weitere Gestalten der Dämonenwelt sind der Rabisu, der „Kauerer“ und „Aufpasser“, der stiergestaltete Schedu, der ebenfalls ein den Menschen günstig gesinntes Gegenstück hat, und dann die Fieberdämonin Labartu, die in dem ständigen Gefolge des Utukku erscheint, der aber auch eine eigene Reihe von Beschwörungstexten gewidmet ist. Sie ist eine Tochter Anus, und gilt als Ausländerin, als Elamiterin, Sutaerin, wohnt in Berggegenden, im Schilfdickicht, ihr Aussehen ist grausenerregend, wohin sie kommt, richtet sie Verwüstung an. Zielscheiben ihrer Angriffe sind aber vor allem die kleinen Kinder und ihre Mütter. Gegen sie sind namentlich die Amulette und Talismane gerichtet, die mit einer Formel beschrieben sind und von den Kindern am Hals getragen wurden.

Labaju und Achchazu, die mit der Labartu eine Trias bilden, sind gleichfalls Fieberdämonen. Eine weitere Trias bilden die stets zusammengehenden Lilu, Lilitu und Ardat Lili, d. i. der männliche Lilu, die weibliche Lilitu und das Mädchen, Buhle oder Gehilfin des Lilu (=Windsbraut). Es sind Sturmdämonen, wie die meisten ihrer Genossen. Möglicherweise aber hat sich später hier infolge einer falschen Volksethymologie mit diesen Gestalten die Vorstellung von Nachtgespenstern verknüpft.

Die bisher genannten Dämonen werden in den großen Serien von Beschwörungstexten, namentlich in der den Utukki gewidmeten, fast stets zusammen und in ganz stereotyper Reihenfolge genannt, offen

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Heren und Zauberer..

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bar wegen ihrer vielfach gemeinsamen Züge. Ihre Namen sind sämtlich sumerisch, nur für einige, für die eine völlig entsprechende semitische Übersetzung möglich war, wird diese gebraucht. Das haben sie wohl mit den allermeisten der babylonischen Dämonen gemeinsam.

Von den übrigen mögen noch Erwähnung finden der Pest= dämon Namtaru, der Bote der Unterwelt, Aschakku, das schleichende Fieber, Demetum, der böse Fluch, Sadiru, der Bedränger, Scharrabdu, der Verleumder, Redu der Verfolger, ohne daß dadurch die Liste dieser unheilwirkenden Kräfte erschöpft wäre. So erscheinen 14 Dämonen im Gefolge Nergals, auch die Helfer der Tihamat und analoge Scharen von Ungeheuern treten in den Texten entgegen.

Besondere Erwähnung verdienen aber noch die „bösen Sieben“. Diese erscheinen als Zusammenfassung aller dämonischen Gewalten. Sie verkörpern im Naturleben die Stürme, die das Frühjahrsäquinoktium einleiten und ihre Gestalten sind die reißender Tiere. Sie sind die Boten Anus, des Himmelsgottes, und treten auf im Gefolge Adads, des Wettergottes. In der Mythologie sind es die Mächte, die die Bedrängung des Mondgottes und seine zeitweilige Verfinsterung (Neumondszeit) (Neumondszeit) verursachen (vgl. den betr. Text AO III S. 59).

Eine eigenartige Stellung nehmen die Heren und Zauberer ein, gegen die sich in der Hauptsache die ganze Serie von Beschwörungsformeln „Maqlu“ richtet. Es sind Menschen, die ihre Begabung mit magischen Zauberkräften zu gefährlichen Feinden der Menschen macht. Ihre Bekämpfung erfordert dieselben Mittel und Maßnahmen wie die der Dämonen selbst, da ihre Wirkung mindestens von gleicher Nachhaltigkeit und Furchtbarkeit ist. Ja es scheint, daß die Zauberer und Heren imstande waren, über die Dämonen zu verfügen, sie in ihre Dienste zu zwingen. Sogar über die Götter vermochten sie gelegentlich sich zu erheben.

Kaum zu erschöpfen ist die Fülle der Bezeichnungen, mit denen Heren -die Here scheint oft auch die ganze Familie oder Zunft zu vertreten und Zauberer in den Beschwörungsformeln bedacht werden, sie ist die herumstreifende, die Hure, die der Göttin Istar geweihte usw. In ihrem Innern wird das unheilvolle Wort ersonnen, auf ihrer Zunge ist Zauber, auf ihren Lippen ist Hererei, auf ihrer Fußspur tritt der Tod einher. Augen, Füße und Hände sind schneller und beweglicher als bei andern Menschen. Wie die Dämonen liebt sie es, sich in verlassenen Häusern aufzu

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