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lichen wieder zu nähern und mich von den Schranken des Geschlechts unabhängig zu machen.“*)

Aussprüche von Romantikern, die an Gedanken oder Entwicklungen in Kleists Briefen und Werken anklingen, werden sich noch in Menge anführen lassen und beweisen eben nur, dass er, wie sie, vom Zeitgeist durchdrungen ist. Aber ich meine, die Verwandtschaft mit Novalis, die ich oben charakterisiert habe, macht doch einen etwas anderen Eindruck, als den der Abstammung von derselben Mutter. Eine so weit, bis ins Einzelne gehende Parallele, wie ich sie zwischen Kleist und Novalis gezogen habe, ist zwischen jenem und einem anderen seiner Zeitgenossen kaum möglich und besonders die eigenartige Todesphilosophie hebt die beiden Dichter aus der Gruppe der übrigen Romantiker heraus, denn die ähnlichen Gedanken bei Fr. Schlegel sind vielleicht gar nicht original, sondern erst von seinem Freunde angenommen (vgl. S. 316), eine Vermutung, die an Stärke gewinnt, wenn wir an die erwähnten Äufserungen Schlegels gerade über diesen Teil der Philosophie des Novalis, an den Nachdruck, mit welchem er gerade dessen „Kunstsinn für den Tod" als seinen eigentümlichen Vorzug betont, uns erinnern. Kleist könnte dann seine Gedanken über den Tod freilich noch immer ebenso gut an Fr. Schlegels, als an Novalis' Schriften ausgebildet haben, allein für den letzteren fallen nun, wenn wir sie mit den geschilderten tatsächlichen Übereinstimmungen in Verbindung bringen, zwei Notizen schwer ins Gewicht. Bülow meldet S. XIV des Vorwortes zu seiner Kleistbiographie als freilich unverbürgtes Gerücht, dafs neben den Leichen Kleists und der Henriette Vogel ein Exemplar von Novalis' „Hymnen an die Nacht“ gefunden worden sei. Gerade in ihnen kommt ja die Todesbegeisterung des Dichters zum extremen Ausdruck, und wenn Kleist in seiner letzten Stunde diese Schrift noch bei sich gehabt hätte, so wäre das ein Fingerzeig, wo er sich seine eigenen Gedanken über den Tod gebildet oder wenigstens genährt hätte, und durch die erwiesene faktische Übereinstimmung dieser Gedanken mit denen des Novalis hinwiederum erhält jenes Gerücht den Charakter der Glaubwürdigkeit. Die zweite Notiz giebt Kleist selbst. Er, der sonst, wie gesagt, sehr sparsam in der Angabe seiner Lekture ist, knüpft bei der Meldung an Ulrike, dafs die Familie Hardenberg ihn beauftragt habe,

*) Auch dies ein bedeutsamer Ausspruch für das emancipierte Wesen der Frauen der romantischen Epoche! vgl. S. 316 Anm.

Novalis' Schriften zu verlegen (Briefe S. 143), an den Namen dieses Dichters die Bemerkung: „von dem Du mir nicht sagen wirst, dass Du ihn nicht kennst". Das lässt sich doch nur auf ein fleifsiges gemeinsames Lesen beider Geschwister in Novalis' Schriften beziehen, und überhaupt deutet der ganze Antrag, die Hinterlassenschaft des Dichters herauszugeben, darauf hin, dass Kleist als ein eifriger Verehrer desselben bekannt war.

Ich meine nach allem Vorangegangenen mit einiger Sicherheit einen direkten Einflufs des Novalis auf Kleist behaupten zu dürfen und glaube, dafs sich derselbe aufser in seiner Todesphilosophie besonders in zwei Erscheinungen innerhalb seiner Dichtungen betätige:

1.) In dem Extrem der Fichteschen Lehre, das ich als Grundlage für die Katastrophe der „Penthesilea“ aufgedeckt habe. Der Fall liegt jetzt anders, als am Schlufs des I. Abschnittes dieses Aufsatzes. Ich will auch jetzt nicht und werde niemals behaupten, dafs Kleist unter bewusster Erinnerung an einzelne Fragmente des Novalis das Ende seiner Tragödie gestaltet habe, wohl aber dafs dieses unter der Einwirkung der philosophischen Gesamtanschauung desselben geschehen sei.

2.) In dem pantheistischen Element, das Brahm S. 155 im ,,Amphitryon“ nachweist und, weil Kleists Sinnesart ursprünglich fremd, auf irgend eine äufsere Einwirkung zurückführt. Er rät dort auf Schelling, aber weder von diesem noch von Fichte wissen wir, dafs Kleist sie studiert hat, von Novalis, der seinerseits unter dem Einfluss beider stand, ist uns dies überliefert.

Natürlich verstehe ich unter einem Einfluss des Novalis auf Kleist nicht bewusste Aneignung fremder Ideen von Seiten des letzteren, sondern die Weiterbildung seiner an und für sich verwandten und an ähnlichen Studien genährten Weltauffassung in der Richtung der Philosophie des Novalis unter der Einwirkung von dessen Schriften. Die Chronologie widerspricht dieser Annahme nicht. Die Werke und Briefstellen Kleists, die ich zum Beweise herangezogen habe, gehören mit Ausnahme des Briefes an seinen Hauslehrer sämtlich dem letzten Jahrzehnt seines Lebens 1801-11 an, die weitaus meisten sogar der zweiten Hälfte desselben, und von Novalis erschienen ein Teil der „Fragmente" und die „Hymnen an die Nacht" schon im Athenäum 1798-1800 und die beiden ersten Bände der Schriften, in denen alle Elemente seiner Philosophie bereits vertreten sind, 1802. Auch die Idee, mit einem anderen in Gemeinschaft zu sterben, taucht bei Kleist erst gegen Ende seines Lebens auf, denn dafs er einen solchen Plan

schon mit einem seiner Mitschüler verabredet habe (vgl. Brahm S. 8), ist doch nur eine Anekdote ohne Gewähr, und Hermann Isaac, der sonst in seiner Leugnung ursprünglicher Krankhaftigkeit der Natur Kleists (Preuss. Jahrb. 1885 S. 433-478) viel zu weit geht, hat Recht, wenn er die erwähnte Anekdote und andere ebenso unverbürgte nicht als Beweismaterial für eine Charakteristik des Dichters gebraucht wissen will.

Es ist, wie schon öfter hervorgeboben, durchaus nicht die Absicht dieser ganzen Untersuchung, alle die erwähnten und besprochenen Ideen Kleists, die er mit Novalis gemeinsam hat, ausschliesslich auf den Einfluss der Schriften des letzteren zurückzuführen. Das wäre eine arge Verkennung des Prozesses, wie sich solche Gedanken in einem originellen Kopfe bilden. Nur ein Element, wollte ich zeigen, hat Novalis zur Lebensauffassung Kleists beigetragen und andere Elemente von grösserer oder geringerer Wichtigkeit werden sich finden lassen. Ich will nur noch einmal auf diejenige Idee unseres Dichters zurückkommen, mit der sich mein Aufsatz wiederholt beschäftigt, auf den Wunsch des Zusammensterbens mit einem geliebten Wesen. Er steht in Zusammenhang mit der ganzen übertriebenen Auffassung von Freundschaft, die Kleists Leben oft verbittert hat, und der Keim zu derselben ist nach meiner Ansicht in ihn durch die Gedichte und Geschichte seines Vorfahren Ewald Christian v. Kleist gelegt, in dessen Zeit der sentimental verstiegene Freundschaftskultus blühte. Man lese nur den Brief an Gleim (Werke*) II S. 26 ff), in welchem er seine Sehnsucht nach demselben schildert wie die nach einer Geliebten, von Küssen im Traum spricht u. S. W. Man nehme dazu desselben Dichters Todesbegeisterung, wie er sie besonders in „Cissides und Paches“ und im „Seneca“ poetisch gestaltet („Der Tod hat Wollust für mich" sagt Seneca Werke I S. 279) und man kann durch eine Verbindung beider Momente zu der Idee des Zusammensterbens mit einem Freunde gelangen. Sauer schreibt in der biogr. Einl. zu den Werken S. XXIII: „Gerne, mit einer gewissen grausamen Wollust ruft man sich den qualvollen Gedanken ins Gedächtnis, den geliebten Freund überleben zu müssen." Ich weifs nicht, ob auch dieser Satz, wie die vorhergehenden, auf einer Briefstelle Kleists beruht, sicher entspricht er seiner Lebensauffassung, und die Idee seines Nachkommen, um die es sich hier handelt, kann die Verwandtschaft nicht verleugnen, ist nur

*) Herausgegeben von Sauer bei Hempel.

die krankhafte Steigerung einer nervöseren, noch mehr hypochondrischen Natur unter der Einwirkung der Zeitstimmung, speziell, wie wir gesehen haben, der Philosophie des Novalis.

Die Hypochondrie ist bisher fast immer als die einzige gemeinsame Eigentümlichkeit der beiden Kleists hervorgehoben worden. Brahm kommt über eine allgemeine Andeutung (S. 57) nicht hinaus, Er. Schmidt giebt in den „Charakteristiken" S. 351-2. 353 357 schon mehr Vergleichungspunkte, aber eine eingehende Untersuchung wird die Zahl derselben noch bedeutend vergrössern. Die Ähnlichkeit beider Dichter erstreckt sich bis in Einzelheiten ihres äufseren und inneren Lebens und ihrer Bildung. Ich erinnere hier für Ewald v. Kleist nur an seine Lieblingsstudienfächer Philosophie und Mathematik, die auch Heinrich von Kleist in Frankfurt zuerst am eifrigsten betrieb, an seine Unzufriedenheit mit dem Potsdamer Garnisonsleben (vgl. Sauer, biogr. Einl. zu den Werken S. XXVII ff.), an seine Abneigung gegen Annahme eines Amtes, die er allerdings besser unterdrückte, als sein Nachkomme (vgl. Werke II S. 24), an seine Schwärmerei für ein rein dem Naturgenuss gewidmetes Landleben, aus der sein „Frühling“ geboren ist*), an seine unglückliche Liebe, deren Gegenstand merkwürdigerweise auch Wilhelmine hiefs und die ihn zwang, sich in ähnlicher Weise und ebenso ohne Erfolg, wie Heinr. v. Kleist, um eine Staatsanstellung zu bewerben (vgl. Sauer, biogr. Einl. S. XVII), an seinen preussischen Patriotismus und endlich an eine Manier, die sonst immer Heinrich v. Kleist als ganz eigentümlich zugeschrieben wird, die bewusste systematische Sammlung poetischer Motive, seine „poetischen Bilderjagden" (vgl. Sauer, biogr. Einl. S. XXXI). Aus solcher Ähnlichkeit der Naturen, der Schicksale, der Studien und Manieren bei beiden Dichtern mussten sich ähnliche Resultate ergeben, aber ich glaube, die Ähnlichkeit ist nicht in allen oben angegebenen Punkten eine zufällige, sondern zum Teil eine bewusste Nachahmung von Seiten des jüngeren Dichters, eine Art Streben, den älteren Geschlechts- und Kunstgenossen in seiner Person modernisiert und vervollkommnet wieder auferstehen zu lassen. Dafs unserem Heinrich v. Kleist schon in Frankfurt das Vorbild des älteren Dichters durch sein Denkmal unmittelbar vor Augen gerückt war, darauf weist schon Brahm hin;

*) Die gleiche Neigung Heinrichs von Kleist Rousseaus allein zurückgeführt, ich glaube, dass er schäftigung mit Ewald v. Kleist veranlafst ist.

wird immer auf das Studium zu diesem erst durch seine Be

dass Ewald ihm aber auch später noch als Ideal vorschwebte und zwar, glaube ich, hauptsächlich als Ideal eines schon bei Lebzeiten allgemein anerkannten Dichters*) und dafs sein Ehrgeiz dahin ging, dieses Ideal zu erreichen, muss man, meine ich, aus der Art folgern, wie er sich nach seinem Besuche bei Gleim gegen seine Braut (Briefe S. 192—4) und Karoline v. Schlieben (Brahm S. 58) ausspricht. Dazu kommen dann noch, zugleich als Resultat und als Beweise jenes nacheifernden Strebens die Momente der Übereinstimmung in den Anschauungen beider Kleists, die ich erwähnt habe und die ich leicht vermehren könnte, wie mich eine flüchtige Durchsicht der Werke und Briefe Ewalds v. Kleist gelehrt hat. Doch das erforderte eine eigene Abhandlung und ich werde vielleicht bald Gelegenheit haben, darauf und überhaupt auf die Stellung Heinrichs v. Kleist im Zusammenhang der Litteraturentwicklung, die noch nicht genügend bestimmt ist, zurückzukommen.

Freiburg i. B.

*) Von hier fällt auch Licht auf das stärkste unter Heinrich v. Kleists Motiven zum Selbstmord: wenn die allgemeine Bewunderung seitens der Mitlebenden, die seinem Vorfahren zu Teil wurde, ihm als Ideal galt, so wird es begreiflich, dass ihn der Mangel jeglicher Anerkennung bis zur Verzweiflung an sich selbst schmerzte.

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