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Auf den folgenden Blättern ist der Versuch gemacht, das Wesentlichste, was sich für die Topographie des alten Babylon aus den Keilinschriften und den Ausgrabungen im Stadtgebiete als sicher, wahrscheinlich oder möglich gewinnen läßt, kurz zusammenzufassen.

I. Vorgeschichte1.

Im Abendlande ist die Kunde von der Stadt Babylon literarisch niemals erloschen; dafür sorgte schon das Studium der Bibel und der klassischen Schriftsteller, die in der Schilderung der Größe Babylons sich nicht genug tun konnten. Die Stelle freilich, wo die alte Weltstadt einst gestanden hatte, kannte man nicht mehr genau, und die ersten europäischen Reisenden, die das Land besuchten, machten über die Lage der Stadt irrtümliche Angaben. So glaubte z. B. der Augsburger Arzt Leonhart Rauwolf, der am 24. Oftober 1574 von Feludscha am Euphrat gen Bagdad zog, in der Nähe der erstgenannten Stadt die Ruinen von Babylon gesehen zu haben. John Eldred, ein englischer Kaufmann, der im Juli 1583 die gleiche Reise machte, scheint die Ruine Akerkuf, etwa 4 Stunden von Bagdad, für den Turm von Babylon gehalten zu haben. Dagegen hat Pietro della Valle, der im November 1616 von Musejib aus am Euphrat hinabzog, wohl als erster Europäer die wirklichen Ruinen von Babylon erkannt, nämlich unweit des Dorfes Giumgiuma“ (Dschimdschime), eine gute Stunde oberhalb der Stadt Hille. Allerdings hielt er die Ruine Babil für das von den griechischen Schriftstellern erwähnte Grab des Belos oder den Turm Nimrods. Carsten Niebuhr dagegen, der Anfang 1766 in Hille war und von dort aus wohl als der erste Europäer die große Ruine Birs (3 Stunden südwestlich von Hille) besuchte, hielt diese für den Turm des Tempels des Belos, während er die sogenannten hängenden Gärten in einem Schutthügel / Meile nordnordwestlich von Hille

1) Ein Abriß der Stadtgeschichte von Babylon wird das nächste Heft AO. VI, 1 aus der Feder von H. Winckler bringen.

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Ältere Besucher Babylons.

AD. V, 4 zu erkennen glaubte. Der apostolische Vikar Beauchamp besuchte die Ruinen von Babylon i. I. 1784. Er sah in dem Ruinenhügel, welchen die dortigen Einwohner Makloube (d. i. „umgewendet") nannten, Araber beschäftigt, die Ziegel aus den Mauern herauszubrechen, und der Meister erzählte ihm, daß er öfter irdene Gefäße, gravierte Steine und Gözenbilder aus Ton fände. Auch hätte er einige Jahre vorher eine Statue in Lebensgröße ausgegraben, aber mit dem Schutt weggeworfen. In einem Zimmer habe er eine Kuh, sowie Sonne und Mond, alles aus emaillierten Ziegeln, entdeckt. Beauchamp selbst sah einen großen Stein, der Spuren der Bearbeitung mit dem Meißel trug und mehrere tiefe Löcher hatte; auch fand er eine Platte aus rot und weiß geadertem Granit, 2 Fuß lang und breit und 6 Zoll dick. Die Inschriften auf den Ziegeln, welche schon um 1700 ein Dominikaner, Emmanuel vom heiligen Albert, beobachtet hatte, veranlaßten Beauchamp, einige Muster da= von nach Paris zu senden.

Eine genauere Kenntnis des Ruinenfeldes von Babylon beginnt erst mit den Forschungen des Engländers Claudius James Rich. Dieser hatte in seiner Stellung als Vertreter der Britisch-Ostindischen Gesellschaft in Bagdad bequem Gelegenheit, die Ruinen von Babylon wiederholt (1811-1817) zu besuchen. Ihm verdankt man nicht nur die erste eingehende und ziemlich genaue Beschreibung der= selben, sondern auch einen guten Übersichtsplan. Im Nov. 1818 besuchte noch ein anderer Engländer, Sir Robert Ker Porter, die Umgegend von Hille, beschrieb die Ruinen gleichfalls und veröffentlichte 2 Pläne; der erste war ähnlich wie Rich's Plan, aber um= fassender und genauer; der zweite enthielt die weitere Umgegend bis zum Khan Mohawil im Norden, dem Ruinenhügel Oheimir im Osten und dem Birs Nimrud im Südwesten. Die großartigen Funde, welche in den Jahren 1843 und 1844 von dem Franzosen Botta und später dem Engländer Layard in Assyrien gemacht worden. waren und die die Entzifferung der babylonisch-assyrischen Keilschrift erst wirklich ermöglichten, bestimmten Layard Ende 1850 auch auf dem Boden Babylons Ausgrabungen zu veranstalten. Da ihn die Ergebnisse aber nicht befriedigten, stellte er sie nach wenigen Wochen ein. Größere Erwartungen in bezug auf die Topographie Babylons begleitete die am 1. Juli 1851 von Paris ausgesandte Expe= dition Fulgence Fresnel, Jules Oppert und Felix Thomas. In der Tat hat diese Expedition in den 3 bis 4 Jahren ihrer Tätigkeit zum ersten Mal in größerem Umfang den Versuch gemacht, die aus

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Französische und deutsche Expedition.

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den alten Schriftstellern und aus den Keilinschriften, zu deren ersten Entzifferern Oppert gehört, zu entnehmenden topographischen Einzelheiten an den Ruinen nachzuweisen. Die Oppert'sche Rekonstruktion des alten Stadtbildes zeigt zunächst die beiden großen Umfassungsmauern Babylons in der Gestalt zweier gleich orientierter Quadrate, von denen das kleinere innerhalb des großen steht. Die Seiten sind 17 bez. 22,6 Kilometer lang, der Flächeninhalt des Ganzen beträgt also 510,76 Quadratkilometer. Außerdem sind eine Menge topographische Details, Stadttore, Paläste, Burgen, Tempel, Straßen und Kanäle in diesen Plan eingetragen. Oppert's Rekonstruktion hat, obwohl Bedenken gegen ihre Richtigkeit zuweilen laut wurden, fast 40 Jahre lang die Wissenschaft beherrscht. Wie hätte auch ein Zweifel ohne neue Untersuchungen an Ort und Stelle ausreichend begründet werden können! An solchen fehlte es aber, da die flüchtigen Ausgrabungen, die Hormuzd Rassam im Jahre 1880 hier anstellen ließ, zwar eine Anzahl neue Keilinschriften zu Tage förderten, aber die Topographie gar nicht berücksichtigten. Wüßten wir genau den Fundort aller dieser Texte, so hätten sich zweifellos einige wichtige topographische Fragen schon damals mit Sicherheit beantworten lassen.

So blieb es der Deutschen Expedition, die im Winter 1898/9 von der Deutschen Orient-Gesellschaft ausgesandt wurde, vorbehalten, die Lösung jener Zweifel zu versuchen, und man kann jezt, nachdem die Arbeiten fast 5 Jahre lang ununterbrochen betrieben worden sind, behaupten, daß wenigstens eine kleine Anzahl der topographischen Probleme bereits ihre Erledigung gefunden hat; andere sind der Lösung näher gebracht; die meisten Fragen harren allerdings noch der Beantwortung. Ehe wir daran gehen, unsere eigenen Anschauungen von der Topographie des alten Babylon auseinanderzusetzen, wird es sich empfehlen eine kurze Beschreibung der Ruinen in ihrem jezigen Zustand vorauszuschicken.

II. Beschreibung der Ruinen.

Außer den Plänen von Rich, Porter und Oppert bleibt die Kiepert'sche Karte im 18. Bande der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin" (1883), die sich auf die Aufnahmen dreier englischer Offiziere (Selby, Bewsher und Collingwood, in den Jahren 1861-65) stüßt, so lange maßgebend, als sie nicht durch eine neue Vermessung, die von der deutschen Expedition erwartet

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Ruinen der Stadtmauern.

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wird, ersezt ist. Einzelne Nachträge und Berichtigungen, auf Grund persönlicher Erkundigungen bei den Arabern, lassen sich schon jetzt geben. Diese Erkundigungen sind aber oft nicht so einfach als man denken sollte. So ist es mir troß aller Bemühungen nicht gelungen, den wahren Namen eines Dorses, das auf Porters Plan Tajeca heißt, mit Sicherheit zu ermitteln.

Die Ruinen von Babylon werden jezt am einfachsten von Bagdad aus zu Wagen erreicht. Es besteht eine Omnibusverbindung zwischen Bagdad und Hille. Die etwa 80–90 Kilometer lange Strecke wird bei gutem Wetter in 10-11 Stunden zurückgelegt. Hat man den lezten der drei Khans (Mahmudije, Haswe und Mohawil), wo die Maultiere gewechselt werden, passiert, so taucht in der Ferne der hohe und breite Rücken von Babil, dem nördlichsten Trümmerhügel Babylons, auf. Es dauert aber noch eine geraume Zeit, bis man, eine gute Wegstunde von Hille entfernt, das Stadtgebiet selbst erreicht. Dieses ist kenntlich an den Stadtmauern, die sich noch jezt ziemlich genau verfolgen lassen: Ein mehrere Meter hoher, beiderseits sanft abfallender Damm erhebt sich nördlich von dem Trümmerhügel Babil, verläuft erst 600 Meter1 weit genau östlich, biegt dann füdwärts und erhält nach 850 Metern seine Hauptrichtung (südöstlich). Nach 3300 Metern ist der östlichste Punkt erreicht. Der Damm hat hier eine breite Lücke. Jenseits derselben sezt er sich in südwestlicher Richtung fort und verliert sich gegenwärtig nach ungefähr 2 Kilometern im freien Felde. Daß dieser Damm wirklich die alte Stadtmauer ist, lehrt die flüchtigste Betrachtung. Selbst die Araber der Gegend haben dies erkannt und nennen den Damm Sur („Stadtmauer“). Im Norden ist jeden= falls die Mauer noch in ihrer alten Ausdehnung erhalten. Die flache Ebene, aus der sie sich dort erhebt, ist nichts anderes als das alte Euphratbett, das im Laufe der Jahrhunderte vom Wüstensand ausgefüllt worden ist. Der Strom floß oberhalb Babylons im Altertum viel weiter östlich als jezt. Die Ruinenstätte Abu Habba (nördlich von Babylon) liegt meilenweit vom heutigen Euphrat entfernt, während die Stadt Sippar, deren Stelle sie bezeichnet, einst direkt am Euphrat gelegen war, ja in der Keilschrift als „Euphratstadt" schlechthin gilt. Etwa 600 Meter südlich von Babil erreicht der Euphrat sein altes Bett wieder. Weiter abwärts macht

1) Die Maßangaben hier und im folgenden sind natürlich nur als ungefähre aufzufassen.

AO. V, 4 Ruinen auf dem Westufer. Moderne Dörfer.

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der Strom noch zwei Ausbiegungen nach Westen, die gleichfalls späteren Ursprungs sind, dann tritt er aus dem Stadtgebiet aus. Die betreffenden Teile des alten Bettes lassen sich auch hier, östlich von der jeßigen Wasserrinne, noch deutlich erkennen. Die Stelle, wo der südliche Schenkel der Stadtmauer sich jezt im freien Felde verliert, ist vom alten Ostufer des Euphrats ungefähr 1200 Meter entfernt. Für diese Strecke läßt sich also die Stadtmauer nicht mehr nachweisen. Vom nördlichen Ausgangspunkt derselben bis zu ihrem wahrscheinlichen Endpunkt im Süden beträgt die Entfernung etwa 5 Kilometer.

Bedeutend geringer sind die Reste der Stadtmauer auf der anderen Seite des Stromes. Erhalten sind nur die beiden Außenecken mit den unmittelbar daran stoßenden Teilen. Diese Mauer begann ungefähr an der Stelle, wo der Euphrat schon die Mitte des östlichen Stadtteils erreicht hatte, verläuft vom jezigen Westufer etwa 500 Meter weit westsüdwestlich, biegt in fast rechtem Winkel um und verfolgt eine südsüdöstliche Richtung. Nach einer Lücke wird sie wieder sichtbar, biegt wieder nach dem Euphrat um und verliert sich bald darauf in der Ebene. Die Entfernung der beiden Außenecken von einander beträgt ungefähr 1800 Meter, ihr Abstand vom alten Westufer ist auf höchstens 1 Kilometer zu veranschlagen Der westliche Stadtteil bildete nahezu ein Rechteck von ungefähr 1,8 Quadratkilometer Oberfläche. Der östliche Stadtteil stellt sich dagegen, abgesehen von der Ausbiegung im Norden, fast als ein rechtwinkliges Dreieck dar, dessen Hypotenuse der Strom bildet. Sein Flächeninhalt dürfte 10 Quadratkilometer nicht überschritten haben, sodaß also das ganze Ruinenfeld einen Flächenraum von höchstens 12 Quadratkilometer einnehmen würde.

Babylon ist gegenwärtig wieder bewohnt. Nicht weniger als 3 Dörfer liegen im Stadtgebiet: Am Ostufer des Euphrat Kuärisch und Dschimdschime, ersteres in der Mitte, lezteres, das größere, am Südende der Stadt. Übrigens liegen beide Dörfer zum Teil westlich vom alten Strombett, zum Teil direkt in demselben. Beide sind von rohen Lehmmauern umgeben. Kuärisch lag früher etwa 1 Kilometer weiter nördlich. Das alte Dorf, von dem jezt noch einige dürftige Reste inmitten eines Fruchtgartens sichtbar sind, wurde vor ungefähr 50 Jahren infolge einer Seuche verlassen. Auf der anderen Seite des Stromes und zwar in der Nähe der südwestlichen Mauerecke, liegt das unbedeutende Sindschar (auf den bisherigen Plänen fälschlich Anane genannt), nördlich davon eine kleine Gruppe

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