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Studien zu Lessings Nathan.

Die nachfolgenden Studien zu Lessings Nathan sind, in einzelnen Theilen verkürzt, im Anfang des Jahres 1864 als Vortrag in dem Evangelischen Verein zu Brandenburg zuerst mitgetheilt worden. Die Rücksicht auf ein grösseres Publikum bestimmte ihre Form; ich habe an derselben nichts ändern wollen. In ihrem Inhalt lehnen sie sich an meine Arbeit vom Jahre 1856, welche in der Berliner Zeitschrift für das Gymnasialwesen abgedruckt ist. Dass ich auch die seit jener Zeit erschienenen Schriften kenne, wird dem kundigen Leser aus meinem Vortrage einleuchten. So dürfte mir denn von Daubs Angriff im Judas Ischariot bis zu Strauss's Vertheidigung des Nathan kaum etwas entgangen sein. Ich erwähne dessen nur, weil ich es unterlassen habe, an betreffenden Stellen Einzelnes durch Citate zu stützen. Meine Dankbarkeit für die Förderung, die ich aus Anderer Schriften gewonnen, will ich indessen hierdurch gern bezeugt haben.

Wenn wir einen Mann, der einer werdenden Zeit die Richtung vorgezeichnet und die Bahn ihrer Entwicklung geebnet hat, mit dem Beiwort eines Grossen ehren, so bedenken wir kaum, dass wir ihn dadurch als einen vor allen Andern Mühseligen und Beladenen kennzeichnen, der unter vielen heissen Thränen seine Welt erstehen sah, der unter Seelenkämpfen, wie wir sie einem Glücklichen nicht wünschen, seine erhabene Sendung erfüllt hat. Sein Siegeskranz ist eine Märtyrerkrone. Noch weniger aber bedenken wir, dass wenn sein Leben ihm schon den stillen Genuss an der süssen Gewohnheit des Daseins vergällte, der Cultus, welchen nach seinem Tode ein schwächeres nachwachsendes Geschlecht mit seinem Namen treibt, ihm geradezu ein Fluch wird. Sein Verdienst wird ein Mythus. Wie wenige sind, die dasselbe erkennen und begreifen, und wie Viele, die den Chorus schreien in dem Glauben, Etwas Rechtes zu thun, wenn sie entweder den wenigen Stimmführern ohne eignes Urtheil folgen oder in halber und oberflächlicher Erkenntniss dem unglückselig-grossen Manne ihre Gedanken und Anschauungen unterschieben, für die er wahrlich jede Verantwortung, wenn er noch lebte, entschieden ablehnen müsste. Oder ist es nicht ein Fluch der Grösse, gerecht doch nur von Wenigen beurtheilt zu werden; von der Mehrzahl aber zu einer Carricatur verzerrt, so auf die Nachwelt zu kommen, dass die Grösse zu einer Kinderscheuche travestirt ist?

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So ist z. B. Friedrichs des Grossen Loos ein unbeneidenswerthes. Für welch eine. Masse der wüstesten Anschauungen muss er aufkommen; wo wird er alles als Gewährsmann angerufen; was wird ihm an Absichten untergeschoben, was an Beweggründen aufgebürdet; wie entstellt schwankt sein Characterbild heut in der Geschichte! Ist es kein Fluch, seinen guten Namen zum Träger all des Unsinns hergeben-zu müssen, den eine kränkliche Nachwelt, in der eitlen Verblendung, sich in ihm wiederzufinden, als seine Grösse ausfindet und preist? Friedrich der Grosse würde sich selber nicht wiedererkennen, wenn er dem Bilde begegnete, in welchem er heut zu Tage in Köpfen, Reden und Büchern umgeht.

Und geht es seinem Zeitgenossen Lessing etwa anders? Er verdient doch wohl in der Litteratur, wenn überhaupt Einer, den Namen des Grossen; und doch folgt auch ihm der Fluch, verantwortlich sein zu sollen für Alles, was in seinem Namen gesündigt wird. Wie Viele beriefen sich und berufen sich noch heut auf sein Beispiel, auf seine Lehren, denen von der lebendigen Quelle der Erkenntniss, wie sie in seinem Innern sprudelte, auch niemals ein Tropfen zugeflossen; wie Viele dringen auf seine Verherrlichung in Schrift und Denkmal, die von ihm, wenn überhaupt, nur aus irgend einer landläufigen Litteraturgeschichte wissen, und kaum mehr von ihm kennen, wenn ja ein Vollständiges, als seine Minna oder Emilie oder Nathan.

Aber dennoch wird auf Lessing geschworen, mit Lessing beschworen; er muss nun ein Mal als der Urtypus aller vermeintlichen Geistesfreiheit herhalten, so dass das, was zu seiner Zeit vielleicht recht war, was den damaligen Zuständen entsprechen mochte, noch heute als Maxime gepriesen oder in verehrungsvollem Schweigen angenommen werden soll.

Und doch, unvergänglich ist nur Lessings philosophisch-kritische Methode; durch sie hat er den ungeheuren Werth für unsere Litteratur gewonnen, einen Werth, den annähernd nur der ermessen kann, welcher begreift, dass Lessing seine Zeit vollständig erkannte, was ja überhaupt nur die Glücklichen können, denen der Genius bei der Geburt schon lächelte; welcher ermisst, dass er unsere vaterländische Geistesentwicklung von der Abhängigkeit des ausländischen Regelzwanges befreit und durch die Unterscheidung und Sonderung der Künste und innerhalb der Poësie der poëtischen Gattungen erst die Tenne rein gefegt hat, auf welche nachmals ein Göthe, ein Schiller ihre reiche Ärnte tragen konnten; welcher versteht, dass Lessing erst den deutschen Stil in unsrer Prosa fixirt hat.

Aber wenn Lessing selber in seinen Rettungen des Horaz einmal sagt: „Ich kann mir keine angenehmere Beschäftigung machen, als die Namen berühmter Männer zu mustern, ihr Recht auf die Ewigkeit zu untersuchen, unverdiente Flecken ihnen abzuwischen, die falschen Verkleisterungen ihrer Schwäche aufzulösen, kurz alles das im moralischen Verstande zu thun, was der Aufseher eines Bildersaals physisch verrichtet“, so weist er nicht

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blos sich seine Thätigkeit an, sondern, wie er denn nichts that, was er nicht in gleicher Weise auch jedem Andern gestattet wissen wollte, er gab ebenso auch uns das Recht, sein Recht auf die Ewigkeit zu untersuchen und die falschen Verkleisterungen seiner Schwächen aufzulösen, kurz, diejenige Kritik zu üben, welche freilich soll sie ihm, dem Meister, gegenüber eine geziemende sein nach seinen eigenen Worten (57. Brief gegen Klotz) nur mit Bewunderung zweifelnd, und mit Zweifel bewundernd sein darf, aber doch immerhin um so mehr unsere Pflicht ist, je wärmere Verehrung den Prinzipien seiner litterarischen Thätigkeit gebührt, und je weniger wir ihm einen Gefallen thun würden, wollten wir ohne weitere Prüfung Alles das, was von ihm ausgegangen, als ein Unübertreffliches oder Unwiderlegliches gelten lassen. Ja, gerade die Achtung vor seiner Grösse legt uns die Pflicht auf, ihn von dem Fluche derselben zu befreien, ihn aus der schiefen Stellung einer falschen Bewunderung zu erretten, in welche ihn die Unkenntniss seiner Verehrer mit seinen Werken gebracht hat.

Aber sollen wir eine Gesammtkritik Lessings geben, um ihn von den Vorurtheilen zu befreien, die sich im Laufe der Zeit, da man nur Urtheile berufener und mehr noch unberufener Stimmführer nachzusprechen gelernt hat, über ihn gebildet haben?

In den kurzen Raum einer Abendunterhaltung lässt sich jedoch das ganze Bild der gesammten Geistesarbeit Lessings nicht zusammendrängen. Ich möchte deshalb Ihre Aufmerksamkeit nur auf eines seiner Werke, auf Nathan den Weisen richten, weil dasselbe, wie ich meine, die weiteste Bekanntschaft gefunden hat. Schon in Schulen, wo nach meinem Dafürhalten freilich eine gut organisirte Lesestunde mehr am Platze sein würde, als das, was ich Litteraturgeschichte nenne, pflegt man, wenn man auf Lessing kommt und versuchen muss, ein Bild von ihm zu geben, verkehrt genug, die jungen Gemüther gerade mit dem Nathan, ich kann leider nicht sagen zu erwärmen oder gar zu erbauen, sondern nur abzuspeisen, obschon Anderes und Grösseres geeigneter ist, das Bild Lessings zu verklären. Von jener Zeit bleibt denn der Name des Werkes haften, und die Mehrzahl der Menschen, wie sie denn sind, begnügt sich damit, den Lessing aus diesen Proben kennen gelernt zu haben. Nur eine Minderzahl- und ich denke an die Versammlung, die das Interesse an dem grossen Werke des kritischen Verstandes hierher geführt versenkt sich in reiferen Jahren noch ein und das andere Mal gern in die Tiefe der Gedanken, die, wenn man sie auch nicht überall billigen kann, doch eben in ihrer prägnanten Schärfe so anregend sind, dass sie zur ernstesten Selbstbeschäftigung und zu eingehender Prüfung Veranlassung geben. Lessing ist selbst da, wo man ihm die Zustimmung versagen muss, immer fördernd, weil er, wie kein Anderer, es verstanden hat, den Forscher zur Klärung seiner eigenen Anschauungen anzuregen.

Zu solcher Klärung soll uns denn heute nur die Prüfung des Nathan verhelfen;

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கு

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