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Einleitung.

1. Die Ethik als Normwissenschaft.

In der Bearbeitung wissenschaftlicher Aufgaben sind seit langer Zeit zwei voneinander abweichende Standpunkte der Betrachtung zur Geltung gekommen; der explikative und der normative. Jener hat die Gegenstände in Bezug auf ihr tatsächliches Verhalten im Auge, das er durch die Verknüpfung des innerlich Verwandten oder des nach äusseren Merkmalen Zusammengehörigen dem Verständnisse näher zu bringen sucht. Dieser betrachtet die Objekte mit Rücksicht auf bestimmte Regeln, die an ihnen zum Ausdruck gelangen, und die er zugleich als Forderungen jedem einzelnen Objekte gegenüber zur Anwendung bringt. Dort gelten daher alle Tatsachen an sich als gleichwertige; hier werden sie geflissentlich einer Wertschätzung unterworfen, indem man entweder von dem abstrahiert, was den aufgestellten Regeln widerstreitet, oder letzteres ausdrücklich als ein normwidriges dem normalen, die Regel bestätigenden Verhalten entgegenstellt.

Die Teilung der wissenschaftlichen Arbeiten hat es mit sich geführt, daß diese verschiedenen Standpunkte an verschiedene Wissenschaften verteilt worden sind. So rechnet man die gesamte Naturwissenschaft, die Psychologie, die Geschichte zu den explikativen, die Logik, die Grammatik, die Ästhetik, die Ethik und teilweise die Politik und die Rechtswissenschaft zu den normativen Disziplinen. Da es sich nun aber hierbei nicht um Unterschiede handelt, die den Gegenständen selbst zukommen, sondern um verschiedene Gesichtspunkte, die wir unter Umständen auf ein und dasselbe Objekt anwenden können, so ist es begreiflich, daß sich jene Scheidung nirgends als eine prinzipielle festhalten läßt. So ist in die Naturwissenschaft der Begriff der Norm in der Form des Naturgesetzes eingedrungen. Das letztere ist eine Abart des

Wundt, Ethik. 3. Aufl. I.

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Normbegriffs, von dem ursprünglichen insofern abweichend, als es eine Abstraktion von irregulären Tatsachen der Erfahrung nur unter dem Vorhehalte gestattet, daß dieselben ihrerseits bestimmten Normen untergeordnet werden. Während dieser Vorbehalt den ursprünglich mit der Einführung des Begriffs verbundenen Maßstab verschiedener Wertschätzung beseitigt, hat demnach die Naturwissenschaft gleichzeitig dem von ihr assimilierten Begriff durch die Aufnahme des Merkmals der Allgemeingültigkeit eine größere Strenge verliehen.

Der Naturwissenschaft sind Psychologie und Geschichte in der Aufnahme des Normbegriffs nachgefolgt. Mag auch die Nachweisung von Gesetzen des geistigen Geschehens eine schwierigere, der Charakter dieser Gesetze ein von dem der Naturgesetze abweichender sein, so liegt doch in der Allgemeingültigkeit, die das Kausalprinzip für unser Erkennen beansprucht, ein niemals ruhender Antrieb, das Reich der geistigen Tatsachen ebenfalls der Herrschaft von Gesetzen zu unterwerfen. Wenn man sich manchmal noch heute gegen diese Forderung sträubt, so liegt der Grund davon meist nur in der irrigen Meinung, es könne sich hier um eine direkte Übertragung des Begriffs der Naturkausalität oder sogar einzelner Naturgesetze auf das geistige Gebiet handeln, während in Wahrheit das letztere den Normbegriff selbständig entwickelt und demnach auch in seiner Anwendung nur den eigenen Bedürfnissen zu folgen hat. Wiederum gewinnt aber hier der Begriff durch seinen Übergang in ein Gesetz des Geschehens extensiv an Strenge, indeß er intensiv jenes Moment der Wertschätzung einbüßt, das an eine Auswahl zwischen verschiedenen der Betrachtung sich darbietenden Tatsachen gebunden ist. Eine ursprünglich normative Wissenschaft wie die Logik ist streng in der Beschränkung: sie verneint, was der Norm widerstreitet; eine mit dem übertragenen Normbegriff operierende, ursprünglich betrachtende Wissenschaft ist streng in der Verallgemeinerung: sie fordert, daß im Prinzip jeder Tatbestand bestimmten Normen sich füge. Darum kann die erstere von Anfang an einen exakten Charakter besitzen; die letztere kann ihn nur durch eine allmähliche Entwicklung erwerben.

Wie auf solche Weise der Begriff der Norm in die explikativen Wissenschaften übergeht, so wird nun nicht minder der rein betrachtende Standpunkt umgekehrt allmählich auf die Aufgaben ausgedehnt, die man von Anfang an normativen Disziplinen zuwies. Alle jene Regeln, zu deren Formulierung Logik, Grammatik, Ethik, Ästhetik u. s. w. gelangen, gründen sich auf Tatsachen; sie bedürfen

zu ihrer Feststellung einer vorangehenden Betrachtung der letzteren, und da die Normen selbst den Charakter von Verallgemeinerungen aus Tatsachen besitzen, so wird das Merkmal der Wertschätzung, das ihnen eigen ist, naturgemäß überall erst dann in die richtige Beleuchtung gerückt, wenn man sie im Zusammenhange mit jenen Tatsachen einer objektiven Prüfung unterzieht. Darum ist an sich auch hier der explikative Standpunkt der frühere, zunächst gebotene; und wenn es ihm auf manchen Gebieten erst spät gelingt, gegen die normative Behandlung durchzudringen, so verbirgt sich unter der letzteren zumeist nur eine tatsächliche Prüfung, die allzu früh fertig geworden ist, und die mit einigen ursprünglichen und dürftigen Abstraktionen für alle Zeit glaubt auskommen zu können, statt anzuerkennen, daß die nie rastende wissenschaftliche Erfahrung auch den normativen Disziplinen teils neues Material für die Erkenntnis des Wesens, der Bedeutung und des Inhalts ihrer Regeln zuführt, teils aber diese Regeln selber verändert.

Auf diese Weise rückt die Ausdehnung des explikativen Standpunktes der Betrachtung über alle Gebiete mehr und mehr den Normbegriff in eine neue Beleuchtung. Denn sie drängt dazu, den Gesichtspunkt des nie rastenden Fortschritts menschlicher Erkenntnis auch auf diesen Begriff anzuwenden. Jede Zeit ist geneigt, die Normen des Denkens und Handelns, die sie als die richtigen erkannt zu haben glaubt, als unveränderliche, nie zu erschütternde Wahrheiten anzusehen. Diese Auffassung, ursprünglich aus dem Glauben an die bindende Macht göttlicher Gebote hervorgewachsen, hat vor allem in derjenigen Normwissenschaft, die durch alte Bande auf das engste an religiöse Ideen geknüpft ist, in der Ethik, ihre bleibendsten Wirkungen zurückgelassen, so sehr, daß man beinahe eines Attentats auf das sittliche Leben selber verdächtig erscheint, wenn man dieses von Philosophen und Nichtphilosophen angenommene Dogma von der Ewigkeit und Unveränderlichkeit der Sittengesetze zu bezweifeln wagt. Und doch, kann man denn wirklich behaupten, daß wir uns noch an die gleichen sittlichen Normen gebunden glauben, wie sie der homerischen Welt als zwingend galten, oder auch nur an jene, die dereinst die urchristliche Gemeinde, oder die das katholische Mittelalter zur Richtschnur ihres Handelns nahmen? Gewiß, zwischen unseren sittlichen Überzeugungen und denen vergangener Zeiten besteht kein unüberbrückbarer Gegensatz, sondern beide sind verbunden durch eine kontinuierliche Entwicklung. Doch diese Entwicklung schließt zugleich ein, daß die Dinge nicht ewig

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